Berlin. . Union Berlins Trainer Jens Keller spricht vor dem Pokalspiel beim BVB über seine Erfahrungen beim Ex-Klub Schalke. Mit Union ist er Tabellenzweiter.
- Union Berlins Trainer Jens Keller spricht vor dem Pokalspiel beim BVB auch über Schalke
- Er kritisiert die Schalke-Fans
- Mit Union ist Jens Keller Tabellenzweiter
Wird die Hauptstadt in der nächsten Saison zwei Bundesligisten haben? Der 1. FC Union Berlin steht derzeit aussichtsreich auf Platz zwei der Zweiten Liga, und der Architekt des Erfolgs ist im Ruhrgebiet ein alter Bekannter: Jens Keller, von 2012 bis 2014 Trainer beim FC Schalke 04, führte die „Eisernen“ nach oben. An diesem Mittwoch kehrt der 45-Jährige ins Revier zurück: Im Zweitrunden-Spiel des DFB-Pokals bei Borussia Dortmund ist sein Team allerdings krasser Außenseiter.
Wie fühlt man sich als künftiger Aufstiegstrainer?
Jens Keller: (lacht) Die Frage ist schon völlig daneben. Das ist noch eine harte Saison, und deswegen reden wir gar nicht über Aufstieg. Man muss immer realistisch sein. Es ist schon so, dass wir daran arbeiten, dieses Ziel mal zu erreichen. Aber andere Mannschaften haben sich besser verstärkt oder zumindest mehr Geld ausgegeben.
Mussten Sie mit der speziellen Fankultur bei Union erst klarkommen? Zum Beispiel, dass bei Niederlagen nicht gepfiffen wird?
Jens Keller: Das ist schon toll. Aber ich glaube, dass man auch mal kritisch mit der Mannschaft sein muss. Sonst denken die Spieler, sie sind in einem Schlaraffenland.
Eine besondere Fankultur haben Sie sicher auch während Ihrer Zeit auf Schalke erlebt. Wobei das mit den Pfiffen anders gehandhabt wurde, oder?
Jens Keller: Keine Frage. Schalke hat auch ein tolles Publikum, und wenn es gut läuft, unterstützt es die Mannschaft bis aufs Letzte. Aber es fallen doch schneller kritische Worte. Und aus meiner Sicht werden auch teilweise Dinge ungerecht bewertet.
Das Pokalspiel in Dortmund gibt Ihrem Team zumindest einen Vorgeschmack, was bei einem Aufstieg auf Union zukommen würde.
Jens Keller: Das stimmt, und es ist für meine Mannschaft ein neuer Schritt. Ich glaube nicht, dass viele bei Union diese Atmosphäre schon erlebt haben. Aber wir müssen aufpassen, dass die Mannschaft nicht nur die Atmosphäre aufnimmt. Das kann in Dortmund schon sehr böse sein, wenn man vor Begeisterung nur auf die Ränge schaut und sich nicht darauf konzentriert, wie wir spielen möchten. Wir wollen nicht nur einen Betriebsausflug machen.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung des BVB in den vergangenen Jahren? Waren Sie als Schalke-Trainer vielleicht auch ein wenig neidisch auf Dortmund?
Jens Keller: Als Schalker Trainer ist man nie neidisch auf Dortmund. Aber Schalke muss seit Jahren mit großen Schulden kämpfen, während die Dortmunder ihre Schulden auf einen Schlag wegbekommen haben, weil sie einfach andere Wege gegangen sind.
Fans von Schalke und Dortmund pflegen eine unübersehbare Abneigung. Was ist Ihnen in Erinnerung geblieben aus Ihrer Schalker Zeit?
Jens Keller: Die Stimmung ist natürlich unglaublich. Schalke gegen Dortmund – das ist die Mutter aller Derbys in Deutschland, wer das mal miterlebt hat, der weiß, wie besonders das ist. Ein unschönes Erlebnis ist aber leider besonders in Erinnerung geblieben, weil die Dortmunder Fans auf Schalker Fans mit Leuchtraketen geschossen haben. Wir mussten das Spiel unterbrechen. Das darf bei so einem Fußballfest natürlich nie passieren.
Sind Sie nicht auch ein wenig erstaunt über Ihren ehemaligen Arbeitgeber? Trainer Markus Weinzierl durfte die ersten fünf Bundesliga-Spiele verlieren, ohne dass es eine Trainerdiskussion gab. Das haben Sie sicher anders erlebt.
Jens Keller: Natürlich. Aber das ist vielleicht auch das Entscheidende: Man muss auf Schalke verstehen, dass man einen Weg auch mal bedingungslos gehen muss. Nach fünf Spielen ist noch nichts entschieden. Man muss vielleicht auch mal ein, zwei Jahre eine Durststrecke einkalkulieren. Und das hat Dortmund vorgemacht. Dortmund hat einen Cut gemacht und dann kontinuierlich eine Mannschaft unter Jürgen Klopp aufgebaut.