Berlin. Der Bundestrainer nominiert vor der EM Brandt, Weigl, Kimmich und Sané. Die Berufungen der Routiniers Schweinsteiger und Podolski sorgen für Diskussionen.

Anfang März griff Joachim Löw zum Telefon und wählte eine Nummer, die noch nicht allzu oft auf dem Display des Bundestrainers aufgeleuchtet hatte. Es war die von Julian Brandt, einem überaus veranlagten Offensivspieler aus Leverkusen, der aber kurz zuvor in einer überaus rätselhaften Formkrise gesteckt hatte. Löw sagte dem 20-Jährigen, der noch kein Länderspiel bestritt, dass er gute Chancen auf einen EM-Kader-Platz habe, wenn er sich im Saison-Endspurt steigere.

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Am Dienstagmorgen griff Löw erneut zum Telefon, klingelte ein paar kurzurlaubende Spieler aus dem Bett, und auch Brandts Nummer wählte der 56-Jährige. Löw eröffnete dem Blondschopf, dass er einer von 27 Profis sei, die er für das vorläufige Aufgebot der in 24 Tagen beginnenden EM in Frankreich vorgesehen habe.

Neben Brandt berief Löw am Dienstag auch den Münchener Joshua Kimmich (21) und den Dortmunder Julian Weigl (20). „Wir haben diese Spieler intensiv beobachtet und freuen uns auf sie“, sagte Löw in der französischen Botschaft in Berlin, wo der Kader vorgestellt wurde.

Die Nominierung Kimmichs, der während der Abwesenheit einiger Platzhirsche beim FC Bayern im Abwehrzentrum überzeugt hatte, war noch erwartet worden. „Er kann in der Abwehr, auf der Sechs sowie auch mal außen spielen und hat bei Bayern auf einem hohen Niveau gespielt“, sagte Löw.

Weigl mit rasantem Aufstieg

Durch den Ausfall des Dortmunders Ilkay Gündogan (ausgerenkte Kniescheibe) benötigt der Bundestrainer vor allem Alternativen im defensiven Mittelfeld. Überraschender kam trotz dieser Problemzone Weigls Berufung: Vor einem Jahr erst vom Zweitligisten 1860 München gekommen, mauserte sich der Mittelfeldspieler zu einer festen Größe beim BVB.

Am rasantesten aber ging die Entwicklung bei Brandt. Sie dauerte nur zweieinhalb Monate vom Talent zum möglichen EM-Fahrer Dass auch der Schalker Jungstar Leroy Sané im vorläufigen Kader steht, überraschte nicht: Der 20-Jährige hatte im November debütiert und könne „etwas Besonderes ins Spiel bringen“, sagte Löw.

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Bei den Neuen hat Löw also Mut bewiesen, aber dennoch eine ganz mutige Entscheidung vermieden: Obwohl sich Kapitän Bastian Schweinsteiger wegen einer Innenbandverletzung erst im Aufbautraining befindet, hält Löw an ihm fest: „Ich möchte sehen, wie er mittrainieren kann. Wenn er topfit ist, weiß ich um seinen Ehrgeiz. Er kann sehr wichtig werden“, so Löw. Zweimal schon hatte er das mit Schweinsteiger genau so gemacht: 2012 bei der EM ging das schief, 2014 glückte die Sache.

Dass auch Lukas Podolski einen Platz sicher hat, obwohl der Stürmer von Galatasaray Istanbul ewig schon keine tragende Rolle mehr auskleidet, begründete Löw so: „Er hat immer noch den sportlichen Wert und ist eine Persönlichkeit, die der Truppe viel geben kann.“ Unverzichtbar ist dagegen Mario Gomez, der mit Besiktas Istanbul gerade türkischer Meister wurde.

Kramer, Ginter und Durm fehlen

Löw hatte am Dienstag auch schlechte Nachrichten durchzutelefonieren: Nicht nur für die Weltmeister Christoph Kramer, Matthias Ginter, Erik Durm und Ron-Robert Zieler war kein Platz mehr, auch der Pariser Torwart Kevin Trapp hatte sich vergeblich Hoffnungen gemacht.