Essen. Auf dem Fifa-Kongress in Zürich wird am Freitag nicht nur ein neuer Präsident gewählt. Der Nachfolger von Sepp Blatter muss Macht abgeben.

Wenn stimmt, was der Weltverband Fifa als größte Reform seiner 112-jährigen Geschichte preist, dann ist völlig unwichtig, wer am Freitag Fifa-Präsident wird.

Zwar stehen fünf Kandidaten zur Wahl: die beiden Favoriten Gianni Infantino aus der Schweiz und Scheich Salman bin Ebrahim al-Khalifa aus Bahrain sowie die drei Außenseiter Jérôme Champagne aus Frankreich, Tokyo Sexwale aus Südafrika und Prinz Ali bin al-Hussein aus Jordanien.

Doch der Wahlausgang ist fast zweitrangig. „Der Freitag“, sagten Fifa-Offizielle mutig in ihren Hintergrundgesprächen, „wird ein historischer Tag.“ Freitag passiert eine Revolution auf dem Außerordentlichen Fifa-Kongress in Zürich.

Zur Wahl zum Fifa-Präsidenten am Freitag

  • Bis zur Präsidentenwahl ist der Kameruner Issa Hayatou (69) der interimistische Fifa-Präsident.
  • Nach jedem Wahlgang scheidet der Kandidat mit den wenigsten Stimmen aus der Wahl aus. Es gibt maximal vier Wahlgänge.
  • Jedes Fifa-Mitglied hat eine Stimme. Auf die sechs Konföderationen verteilen sich die 207 stimmberechtigten Wahlmänner dadurch folgendermaßen: Afrika 54, Asien 44, Europa 53, Nord- und Mittelamerika/Karibik 35, Ozeanien 11 und Südamerika 10.

Der neue Mann an der Fifa-Spitze hat keine Macht mehr wie der fortgejagte und gesperrte Vorgänger Joseph „Sepp“ Blatter. Der neue Fifa-Präsident hat allein die Aufgabe, das zu tun, was zum Beispiel der Bundespräsident in der deutschen Politik tut. Als protokollarische Nummer 1 im Staat repräsentieren: reden und mahnen, moralische Linien vorgeben – und ansonsten lächeln.

Die eigentliche Arbeit wird vom Kanzler erledigt, einem Angestellten – dem Generalsekretär.

Die Gewaltenteilung, Grundprinzip jeder Demokratie seit Baron de Montesquieu 1748, markiert den Bruch mit der Ära des allmächtigen Blatter, der beides in sich vereinte, Repräsentanz und Geschäftemacherei. Sein Nachfolger darf allenfalls einen Generalsekretär vorschlagen: wenn nicht am Freitag, so doch spätestens bis zum Ordentlichen Fifa-Kongress am 12./13. Mai in Mexiko.

Zwei Drittel müssen zustimmen

Damit die Revolution stattfindet, müssen drei Viertel von 207 stimmberechtigten Fifa-Staaten (Kuwait und Indonesien sind gesperrt) dem Reformplan am Freitag zustimmen, also 156. Aus dem berüchtigten Exekutivkomitee, das zuletzt einem Selbstbedienungsladen ohne Kontrolle glich, wird ein 36-köpfiger Fifa-Rat („Council“), der als Aufsichtsrat darauf aufpasst, dass der Präsident nicht mehr bei den kommerziellen Deals mitmischt.

Unter Blatter, dessen Fifa-Sperre wie die von Michel Platini gestern von acht auf sechs Jahre verkürzt wurde, war das noch anders. Die Amtszeit des Präsidenten und der Ratsmitglieder ist jetzt auf zwölf Jahre begrenzt. Sechs Ratsmitglieder müssen Frauen sein. Die Fifa betont: mindestens sechs.

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Die Kontrolle des Generalsekretärs wird einem Compliance Officer übertragen, wie man es aus großen Firmen kennt: Ein Gutmensch achtet darauf, dass alle Entscheidungen im Einklang mit Recht und Gesetz stehen, und wird seinerseits von Audit- und Ethik-Kommissionen sowie einer unabhängigen Revision begleitet. Transparenz soll jeden Zweifel am Reformwillen beseitigen. Zuerst wird das Gehalt von Blatter, der bis Freitag noch immer seine alten Bezüge als Fifa-Präsident kassiert, Mitte März in einem Finanzbericht für 2015 offengelegt. Nächstes Jahr wird die Aufwandsentschädigung für den neuen Fifa-Präsidenten und das Jahresgehalt des Generalsekretärs veröffentlicht.

Weltweite Umsetzung bis 2018

Der Willen zur Umsetzung dieser Reform ist, so hört man aus der Fifa-Verwaltung, ungewöhnlich ausgeprägt. Die eigene Administration will retten, was zu retten ist: den Ruf und die eigene Existenzberechtigung. Alle Mitgliedsverbände, von Europa bis zu den weniger strukturierten Verbänden in Afrika, sollen das Prinzip der Gewaltenteilung (mit unabhängiger Rechtssprechung) durchsetzen und jährliche kontrollierte Geschäftsberichte veröffentlichen. Auch der DFB in Deutschland. Sonst gibt es keine Zuschüsse mehr, die bei 250 000 US-Dollar anfangen und je nach Förderprogramm Millionenhöhe erreichen. Sogar Suspendierungen werden nicht ausgeschlossen. Der Zeitplan ist ambitioniert. Bis 2018 soll die Reform weltweit umgesetzt sein.

Pit Gottschalk auf Twitter: @pitgottschalk