Essen. Bei einer Razzia durchsuchte die Staatsanwaltschaft unter anderem die Verbandszentrale sowie die Privatwohnung des DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach.
Die Steuerfahndung kam am Dienstagmorgen um 9 Uhr: Eine Razzia der Staatsanwaltschaft Frankfurt beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) lässt die Affäre um die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland in einem neuen Licht erscheinen. Unter Verdacht stehen drei Personen, darunter auch der aktuelle Präsident Wolfgang Niersbach. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Skandal:
- Wer ist im Visier der Fahnder?
Neben Wolfgang Niersbach auch sein Vorgänger Theo Zwanziger sowie der frühere DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt. Sie alle waren Mitglieder im damaligen WM-Organisationskomitee (OK).
- Was ist mit Franz Beckenbauer?
Bei ihm wurden die Ermittler nicht vorstellig, obwohl der 70-Jährige als damaliger OK-Chef im Mittelpunkt der Affäre steht. Auch sein früherer Stellvertreter Fedor Radmann hat keinen Besuch von der Staatsanwaltschaft erhalten – beide wohl, weil ihre Hauptwohnsitze nicht in Deutschland, sondern in Österreich und der Schweiz liegen.
- Wo wurde durchsucht?
In der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt, wo der DFB seinen Sitz hat, und in den Privatanwesen der drei Verdächtigen. Nachdem in der vergangenen Woche der Antrag für Durchsuchungsbeschlüsse gestellt worden war, nahmen 50 Beamte die Gebäude unter die Lupe.
- Wie lautet der Vorwurf?
Verdacht der Steuerhinterziehung in besonders schwerem Fall. Wegen einer „inhaltlich unrichtigen“ Steuererklärung wirft die Oberstaatsanwältin Nadja Niesen den damals Verantwortlichen vor, „Körperschafts- und Gewerbesteuern sowie Solidaritätszuschlag für das Jahr 2006 in erheblicher Höhe verkürzt zu haben“. Das Trio habe das Geld bewusst als Betriebsausgabe steuermindernd geltend gemacht, obwohl dem „tatsächlich ein anderer Grund zugrunde lag“, erklärte Niesen.
- Worum geht es genau?
Ausgangspunkt sind die ominösen 6,7 Millionen Euro, die der inzwischen verstorbene frühere Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus im Vorfeld der WM 2006 für das deutsche Organisationskomitee an den Weltverband Fifa überwiesen hat. Geklärt werden muss, wer genau dieses Geld bekommen hat und warum die WM-Organisatoren die Hilfe Louis-Dreyfus’ in Anspruch nehmen mussten.
Wie es heißt, sei der Betrag für eine Fifa-Gala bestimmt gewesen, die jedoch nie stattgefunden hat. Das Geld ist deshalb später wieder an Louis-Dreyfus zurückgezahlt worden. In einer anderen Version hatte Niersbach Ende Oktober erklärt, die Zahlung sei Voraussetzung für einen Fifa-Zuschuss in Höhe von 170 Millionen Euro gewesen – was der Weltverband danach aber verneinte. Nach Spiegel-Recherchen könnte das Geld als schwarze Kasse genutzt worden sein, um Stimmen für die Vergabe gekauft zu haben.
- Gibt es noch weitere Vorwürfe?
Es fallen einem dabei schnell Begriffe wie Untreue oder Bestechung ein. Der Anfangsverdacht sei aber „wegen zwischenzeitlich eingetretener Verfolgungsverjährung“ verneint worden, teilte Niesen mit. Ein Ermittlungsverfahren wurde diesbezüglich also nicht eingeleitet, es bleibt beim Verdacht der Steuerhinterziehung.
- Welche Strafen stehen im Raum?
Möglich ist, dass die drei Verdächtigen am Ende ins Gefängnis müssen, denn als Strafmaß für Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall sieht das Gesetz Haftstrafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren vor. Die Oberstaatsanwältin will bei hinreichendem Tatverdacht Anklage erheben, „dann landet der Fall vor Gericht“. Bis es so weit ist, geht aber noch viel Zeit ins Land. Man sei laut Niesen „noch ganz am Anfang der Ermittlungen“. Unklar ist, ob noch Zeugen gehört werden müssen.
- Wie hat der DFB reagiert?
So, wie es zu erwarten war: Der Verband sicherte der Staatsanwaltschaft seine „vollumfängliche Unterstützung“ bei den Ermittlungen zu. Von den Beschuldigten meldete sich lediglich Zwanziger zu Wort: Trotz der Unannehmlichkeiten begrüße er die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft – weil er „keine Konsequenzen zu befürchten“ habe. Genau das wollen die Fahnder nun herausfinden.