Unterföhring. “Spiegel“-Bericht über angeblichen Kauf der WM 2006 schlägt weiter hohe Wellen: Mit-Autor Weinreich und Sky90-Moderator Wasserziehr streiten sich heftig.
- Spiegel-Reporter Jens Weinreich sah sich von Sky vorgeführt und schoss gegen den "Beckenbauer-Sender"
- Moderator Patrick Wasserziehr verteidigte das Vorgehen des TV-Senders
- Stein des Anstoßes war der Auftritt des vom DFB beauftragen Medienanwalts Christian Schertz
Die Vorabmeldung platzte am Freitagnachmittag in die Öffentlichkeit: Der Deutsche Fußball-Bund habe eine schwarze Kasse geführt, mit der möglicherweise die entscheidenden Stimmen bei der Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland gekauft worden seien. Das berichtete das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in seiner Online-Ausgabe und trat damit einen Stein los, der potenziell den deutschen Fußball in die schwerste Krise seiner 115-jährigen Geschichte stürzen könnte. Die gesamte Enthüllungsgeschichte im gedruckten "Spiegel" ließ trotz fundierter Recherche über den offiziell bisher nicht erklärten Zahlungsweg von 6,7 Millionen Euro vom DFB über die Fifa an Robert Louis-Dreyfus viele Fragen offen - und den Beschuldigten ausreichend Raum zur Gegenoffensive.
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Im Laufe des Wochenendes bestritten DFB-Präsident Wolfgang Niersbach und Franz Beckenbauer, damaliger Präsident des WM-Organisationskomitees, vehement die Vorwürfe. Der DFB schaltete zudem Medienanwalt Christian Schertz ein, der bei "Sky90" telefonisch seine Sicht der Dinge äußerte: "Ich habe noch nie eine Geschichte erlebt, die so groß verkauft wurde von einem Verlag, wo dann im Artikel selber steht, für die Kernbehauptung, die die Besonderheit und die Gefährlichkeit ausmacht, haben wir keinen Beweis." Die Fußball-Talk-Sendung gewann am Sonntagabend jedoch vor allem wegen eines Streitgesprächs zwischen Moderator Patrick Wasserziehr und dem ebenfalls per Telefon zugeschalteten Jens Weinreich an Brisanz.
Weinreich spricht vom "Beckenbauer-Sender Sky"
Weinreich, einer der Autoren des "Spiegel"-Berichts, beschwerte sich zunächst, dass Schertz vor ihm sprach, einen "Mischmasch aus Drohung und Nebelkerzen" loslassen dürfe und er darüber nicht informiert worden sei. "Das finde ich schon ein bisschen merkwürdig von Sky, vom Beckenbauer-Sender Sky", sagte Weinreich und schwenkte früh auf Konfrontationskurs ein.
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Wasserziehr verteidigte das Vorgehen seines Senders, beide Seiten anzuhören, und meinte zu seinem Gesprächspartner: "Ich fand, dass Sie mit Ihren Schlussfolgerungen sehr, sehr weit gehen. Worauf stützen Sie sich denn oder haben Sie auch noch etwas in der Hinterhand?"
"Das ist eine ganz normale Recherche, lieber Mann. Ich weiß nicht, ob Sie schon mal recherchiert haben", blaffte Weinreich zurück und verwies auf die vorgelegten Kontonummern, die eine "neue Qualität" der Enthüllungen hätten. Allerdings musste der freie Journalist, der bereits einen für ihn existenzgefährdenden Rechtsstreit gegen Medienanwalt Schertz und den ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger gewonnen hatte, eingestehen, dass der "Spiegel" nicht Wolfgang Niersbachs Handschrift überprüft habe. Auf einem geheimen Dokument hatte das Nachrichtenmagazin einen Vermerk Niersbach zugeordnet und als Beweis für die ungeklärte 6,7-Millionen-Zahlung an den mittlerweile verstorbenen Adidas-Chef angeführt. Auf diese Überweisung, die der DFB nach eigenen Angaben bisher nicht erklären kann und deshalb intern untersucht, fußen die weiteren Interpretationen des "Spiegel" zum Stimmenkauf bei der WM-Vergabe.
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Kritik an Weinreich bei Twitter
Andere Hintergründe zur "Spiegel"-Recherche erfuhren die Zuschauer anschließend nicht mehr, weil Weinreich seine Vorwürfe gegenüber "Sky" erneuerte: "Was hier jetzt gerade läuft, ist offenbar - und ich sage das auch live auf dem Sender - ein Vorführen eines der Journalisten. Ohne jegliche Information wird hier so eine Art Mini-Tribunal gemacht." Wasserziehr wiederum wies den Begriff "Tribunal" entschieden zurück: "Das ist historisch anders belegt. Ich glaube, das sollten wir ganz dringend bleiben lassen." Der Moderator zeigte sich erstaunt, dass sein Journalistenkollege "in dieser Schärfe" auf die Frage reagiere und bekräftigte das Bemühen, die Vorwürfe "von allen Seiten zu beleuchten". Das Gespräch hatte sich im Kreis gedreht.
Bei Twitter beklagte Weinreich später wiederum, dass "Sky" ihn habe auflaufen lassen und schrieb von "Fallen". Viele Twitter-User kritisierten jedoch seinen Auftritt: Die Rede ist von einer verpassten Chance und der "dünnhäutigen und unsachlichen" Wirkung im Gespräch.