Ottawa. Die Spielmacherin war immer verletzt, wenn sie bei einer Weltmeisterschaft spielen sollte. Gegen Norwegen soll es nun endlich klappen.

Noch einen winzigen Schritt zur Seite, ohne sich zu vertreten. „Wohin bitte?“ Dzsenifer Marozsan ist eine höfliche Person, die wie alle deutschen Nationalspielerinnen sich den Wünschen einer täglich größer werdenden Medienschar fügt. Und als die Spielmacherin nun gebeten wurde, sich doch so zu postieren, dass die Kamera nicht nur ihr Gesicht, sondern auch im Hintergrund eine überlebensgroße Abbildung ihrer selbst einfing, hat sie das natürlich getan. Die 23-Jährige ist ja mit den Abläufen bestens vertraut. Wenn sie heute im zweiten WM-Gruppenspiel gegen Norwegen (22 Uhr/live in der ARD) in der Anfangsformation steht – und darauf deutet nach der Schambeinprellung von Melanie Leupolz alles hin – dann bestreitet die Spielmacherin im Lansdowne Park von Ottawa bereits ihr 49. Länderspiel für die DFB-Auswahl. Und doch steht etwas Besonderes an: „Ich bin bereit: Es war immer mein Traum.“

Aus vor der Heim-WM war ein Schock

Für sie, die U 17-Europameisterin, U 20-Vize- und U 20-Weltmeisterin, wäre es nämlich der allererste WM-Einsatz im A-Team. Endlich, endlich. Beim Scheibenschießen gegen die Elfenbeinküste (10:0) schaute die in Budapest geborene Fußballerin („Die meisten sprechen mich falsch aus, am schlimmsten ist Marozahn mit langem A“) nur zu, weil sie zuvor im Training bei einem Schussversuch mit dem Standbein umgeknickt war. „Im ersten Moment war ich schockiert. Sofort war bei mir im Hinterkopf, was damals passiert ist.“ Rückblende: Bereits für die Heim-WM 2011 hatte Silvia Neid sie als Versprechen der Zukunft fest eingeplant, denn die Bundestrainerin sieht in Marozsan „die beste Fußballerin, die wir haben.“

Doch dann der Schock mitten in der Vorbereitung: Innenbandriss und WM-Aus. Der vorläufige Tiefpunkt ihrer vielversprechenden Karriere, die vor allem Vater Janos Marozsan, ehemaliger ungarischer Nationalspieler, vorangetrieben hatte. Viel später erst gestand sie, dass sie mit ihren immer noch in Saarbrücken beheimateten Eltern nach Spanien flüchtete, sich kaum traute, den Fernseher einzuschalten. Und es floss nicht nur eine Träne.

"Ich habe wieder Spaß am Fußball“

Deshalb war die Erleichterung groß, seitdem nun in Ottawa beim MRT nur eine Bänderdehnung im Sprunggelenk diagnostiziert wurde. „Dem Fuß geht es besser, ich habe wieder Spaß am Fußball“, sagte Marozsan auf der Pressekonferenz Seite an Seite mit Simone Laudehr. Beinahe rührig, wie die Dauerläuferin dort eine Lobpreisung auf die schuss- wie spielstarke Strategin wagte („Sie kann eine der besten Fußballerinnen der Welt werden“), woraufhin ihre Kollegin mit einem Küsschen reagierte. Keine Frage: „Der ruhige, entspannte Typ“ (Laudehr über Marozsan) wird intern geschätzt; sie ist auch diejenige, die via Faceook ständig fröhliche Gruppenbilder versendet.

Aber die sozialen Netzwerke taugen auch für ernste Themen. Dort machte „Maro“, so ihr Spitzname, im vergangenen Sommer den Wunsch öffentlich, doch bitte zu Olympique Lyon gehen zu können. Mit dieser Masche kam die damals noch von Maik Barthel, dem Agenten von Bayern-Star Robert Lewandowski, beratene Spielerin beim 1. FFC Frankfurt nicht durch, wo sie seit 2009 spielt und noch bis 2016 unter Vertrag steht. Gleichwohl schwört sie dem Champions-League-Sieger keine ewige Treue: Bleibt sie diesen Sommer wirklich? Ausweichende Antwort: „Das ist kein Thema. Ich habe noch ein Jahr Vertrag.“

An guten Tagen paart Maroszan Eleganz mit Effizienz

Inzwischen werden ihre Anliegen vom im weiblichen Segment bestens vernetzten Dietmar Ness betreut. Und alle wissen: Mit starken Auftritten auf der WM-Bühne regelt sich letztlich vieles von selbst. Unklar nur, ob für die Nummer zehn wirklich die Rolle als „Achter“ vorgesehen ist, wo sie mehr Defensivarbeit leisten müsste als direkt hinter der Spitze. Aber das kennt sie aus dem Verein, wo sie vor allem eine viel stabilere Saison als sonst hingelegt hat. Noch nicht entschieden hat die Edeltechnikern, die an guten Tagen Eleganz mit Effizienz zu paaren weiß, was sie von dem in Kanada verlegten Kunstrasen halten soll. „Klar, der Platz ist eben“, sagt sie, „aber man muss den Ball noch präziser spielen.“ Ist sie nun eigentlich wirklich wegen des vielen verstreuten Granulats umgeknickt? „Das kann auch auf Naturrasen passieren“, erklärte sie und ergänzte, dass sie auf jeden Fall bis Turnierende ans Malheur erinnert wird. „Ich werde die komplette WM mit Tape spielen.“ Um sich bloß nicht nochmal zu vertreten.