Barcelona. Der Plan von Pep Guardiola im Camp Nou war nicht aufgegangen, ein Weiterkommen in der Königsklasse ist beinahe unmöglich. Trotzdem schlagen die Bayern moderate Töne an.
Es ist kurz vor Mitternacht, als Pep Guardiola und seine Spieler den Festsaal des Gran Hotels Princesa Sofia betreten und an runden Tischen in der Mitte Platz nehmen. Die Klima-Anlage bläst eisige Luft auf die Gäste, man könnte meinen: passend zur Stimmung. Aber die vielen VIPs, Sponsorenvertreter und Edelfans, denen die Teilnahme an diesem nächtlichen Bankett des FC Bayern München wichtig ist, empfangen Trainer und Team mit warmem Beifall, nicht wenige stehen dazu auf. Es ist kein donnernder Applaus, eher ein ermutigender.
Guardiola registriert diese Art des Zuspruchs mit gequältem Lächeln, Mitleid kann auch schmerzhaft sein. Es ist ja zu erahnen, wie der Mann sich gerade fühlt. Bei der Heimkehr in seine Stadt, in sein Stadion, zu seinem Verein ist ihm eine Wunde zugefügt worden. Barcelona drei, Bayern null - das erste Halbfinalspiel der Champions League hat ein Resultat hinterlassen, das den Bayern für das Rückspiel am Dienstag in München kaum noch Hoffnung gibt.
Rummenigge beim Bankett: “Ich bin traurig”
Bevor auch die deprimiert an ihren Tischen sitzenden Spieler zum Mitternachts-Büfett greifen, greift Karl-Heinz Rummenigge zum Mikrofon. Früher, als Franz Beckenbauer noch Präsident des FC Bayern war, mussten sich die Herren Profis bei ähnlichen Gelegenheiten schon mal ein paar heftige Watschn gefallen lassen. Der Kaiser beschimpfte seine Untertanen wahlweise als Schüler- oder als Altherrenmannschaft, oder er hatte eine Leistung wie bei “Obergiesing gegen Untergiesing” gesehen. Rummenigge, als Vorstandsvorsitzender längst auch ein routinierter Bankettredner, lässt sich von dem desillusionierenden Ergebnis nicht zu Eruptionen der Emotionen verleiten. “Ich bin traurig”, sagt er. “Die Mannschaft hat 77 Minuten heldenhaft gekämpft.” Applaus unterbricht ihn, bevor er gesteht: “Es war mehr drin, aber wenn du hier 0:3 verlierst, sind die Chancen nicht mehr so groß.”
Vor der Schlussphase hatte es für die Bayern ja tatsächlich so ausgesehen, als könnten sie die unermüdlich drückenden Ballartisten von Barca zermürben. “Barcelona hat in einigen Phasen schon fast frustriert gewirkt”, bemerkte Bayern-Sportvorstand Matthias Sammer. Doch dann drehte Lionel Messi groß auf, weil die Münchener kurzzeitig die Orientierung verloren hatten. Der kleine Gigant verpasste ihnen zwei Tiefschläge, von denen sie sich nicht mehr erholten.
Guardiolas Plan war nicht aufgegangen
“Wenn du dir ein Gegentor einfängst, stellst du dir die Frage: Spekulierst du, oder versuchst du, selbst ein Tor zu erzielen und damit auch mehr Risiko einzugehen?”, erklärte Pep Guardiola nach dem Abpfiff. “ Im Kontern ist Barcelona stärker als wir.” Er entschied sich dennoch dazu, die Bayern in ihrer Verzweiflung nach vorne zu treiben - und prompt fingen sie sich in der Nachspielzeit den K.o.-Treffer von Neymar ein.
Pep Guardiola versuchte, analytisch an das Erlebte heranzugehen, auf keinen Fall wollte er an diesem für ihn doch so besonderen Abend niedergeschlagen wirken. Die Spielkontrolle habe am Ende nicht mehr funktioniert, meinte der Trainer, dessen Plan aber schon vorher nicht aufgegangen war. “Wir wollten, dass die Barca-Spieler auch nach hinten laufen mussten”, verriet er. “Du kannst gegen sie nicht nur verteidigen.” Doch das Pressing von Barcelona war zwischenzeitlich unerträglich, und vorne waren die Bayern erschreckend ungefährlich.
Guardiola aber nahm sie in Schutz und erinnerte an die durch hartnäckige Verletzungen verursachten Personalprobleme: “Ich bin stolz auf meine Spieler”, sagte er. “Ich kann meinem Team keinen Vorwurf machen. Wir hatten in den letzten drei Monaten sehr schwierige Situationen erlebt, und wir sind sehr zufrieden - allem zum Trotz.”
Bayern sollte sich der Zukunft widmen
Das klang schon wie ein Saisonfazit, und tatsächlich dürfte diese Spielzeit für die Bayern gelaufen sein. Sie sind mal wieder Deutscher Meister, im Pokal-Halbfinale rutschten sie gegen Borussia Dortmund aus, und der Einzug ins Endspiel der Königsklasse ist ähnlich vorstellbar wie ein Alkoholverbot beim Oktoberfest. Es wäre also durchaus Zeit, sich schon der Zukunft zu widmen und dabei auch unangenehme Fragen zu stellen. Zum Beispiel, ob das Team einen größeren Umbruch benötigt, weil die vielen Leistungsträger jenseits der 30 nicht mehr flinker und widerstandsfähiger werden. Oder ob man mit der Arbeit und der Ausbeute des Startrainers Pep Guardiola tatsächlich so zufrieden sein kann, wie bisher noch alle Verantwortlichen vorgeben.
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Nach dieser Enttäuschung in Barcelona aber will sich der FC Bayern nicht zerfleischen, sondern er will Haltung bewahren. Um jetzt noch an den Einzug ins Endspiel der Königsklasse glauben zu können, dafür muss man aber wohl Thomas Müller heißen. “Wir werden für eine Fußball-Sensation Gas geben bis zur letzten Sekunde”, versprach der Herzensbayer in den Katakomben des Camp Nou.
Diesen Pass nimmt auch Karl-Heinz Rummenigge bei seiner nächtlichen Ansprache gerne auf, er will nicht wie ein Trauerredner dastehen. “ Wir haben noch ein Spiel, und wir heißen Bayern München!”, sagt er. Applaus, Applaus, Applaus.