Tiflis. Toni Kroos ist Weltmeister geworden. Doch er weiß, dass dem DFB-Team das bei der EM-Qualifikation nicht hilft. Gegen Georgien erwarte die Nationelf eine “Wundertüte“.

Weltmeister zu werden, kann sich in manchen Situationen eines Fußballerlebens auch als Bürde erweisen. Diesen Titel zu holen, setzt bei den handelnden Personen eine großartige Leistung voraus, die gleichzeitig aber auch zur Messlatte für die Zukunft wird. So verwundert es nicht, dass sich in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft sowohl der Bundestrainer als auch die Spieler darum bemühen, den Fokus aufs Aktuelle beziehungsweise die Zukunft zu legen. Weil sie genau wissen, dass dort noch einiges an Arbeit vor ihnen liegt. Deswegen will Toni Kroos auch heute (18 Uhr MEZ/live in unserem Ticker) mit der DFB-Elf in Georgien drei wichtige Quali-Punkte auf dem Weg zur Europameisterschaft 2016 in Frankreich einfahren.

Unmittelbar vor dem ersten Jahrestreffen der besten deutschen Kicker wurde der Profi in Diensten von Real Madrid als Nationalspieler des Jahres 2014 ausgezeichnet. In den vergangenen drei Jahren votierten die Mitglieder des Fan-Clubs Nationalmannschaft für Mesut Özil, im Jahr des WM-Triumphs gaben 40,3 Prozent ihre Stimme dem 25 Jahre alten Mittelfeld-Regisseur aus Greifswald. “Es ist eine schöne Sache, speziell in einem Jahr ausgezeichnet zu werden, das für die Nationalmannschaft kein normales war”, sagte Kroos am Samstag in Tiflis, “das sollte dann aber auch endgültig der Abschluss sein.”

Spanische Medien feiern Kroos als "Giganten"

Auch interessant

Kroos weiß genau, dass er und seine Weltmeisterkollegen nichts für ihre Heldentaten von Rio mehr kaufen können, wenn sie das nächste Ziel, den Titel bei der kontinentalen Meisterschaft, schon wegen einer verpassten Qualifikation nicht erreichen können. Nun, dieses Szenario wird wohl nicht eintreten, es läuft auf drei EM-Fahrer in der deutschen Gruppe hinaus, in der das Löw-Team als Dritter drei Zähler Rückstand auf Spitzenreiter Polen hat. Mit nur einem von sechs Punkten aus den letzten beiden Qualispielen “können wir nicht zufrieden sein”, so Kroos, “wenn man sich die Tabelle anschaut, ist das weniger, als wir von uns erwarten. Darum sollten wir hier damit anfangen, dass wir uns am Ende der Tage souverän qualifizieren. Dafür sind drei Punkte wichtig.”

Schon bei der WM in Brasilien und erst recht nach seinem Wechsel im vergangenen Sommer von Bayern München zu Real Madrid hat sich Kroos enorm entwickelt. Natürlich schmerzt ihn der Rückschlag im Kampf um die spanische Meisterschaft, weil Real kürzlich den “Clasico” gegen den FC Barcelona mit 1:2 verloren und so vier Punkte Rückstand auf die Katalanen hat. Spaniens Medien feierten ihn trotzdem als “Giganten” (El Pais): “Kroos hat Messi jedes Mal, wenn er den Ball zwischen den Linien bekam, erstickt. Er hat sich des Spiels bemächtigt, solange er noch Beine zum Laufen hatte.” Kroos empfindet es auch nicht als schädigend, dass er erstmals auf eine Winterpause zur Regeneration verzichten musste: “Ich kenne meinen Körper und weiß, wann ich mal eine Pause gebrauchen könnte - und so eine Woche wie diese, in der dosierter trainiert wird, schaden zwischendurch auch nicht.”

Kroos sieht bei DFB-Team einen Cut, aber keine Rückentwicklung

Auch interessant

Dass der Weltmeister zuletzt nicht die von ihm erwarteten Ergebnisse abgeliefert habe, führt Kroos auf einen natürlich Vorgang zurück. Es habe nach dem Titel einen Cut gegeben, aber keine Rückentwicklung: “Wenn einige Spieler gar nicht mehr da sind, geht es darum, die Dinge wieder auf null zu setzen. Einen Philipp Lahm kann man nicht so einfach eins zu eins ersetzen. Sonst wäre er vorher ja nicht so wichtig gewesen.” Die entstandenen Lücken müsse man nun bis zum nächsten Turnier neu und optimal besetzen.

Auf dem Weg nach Frankreich gehöre deshalb auch ein Dreier in Georgien zwingend zum Wiederfindungsprozess. “Auch wenn uns eine Wundertüte erwartet: Solche Spiele haben wir schon erlebt. Georgien wird defensiv spielen - aber es liegt an uns, wie gut sie sein werden”, glaubt Kroos, der voraussichtlich im defensiven Mittelfeld neben Bastian Schweinsteiger agieren wird. Wenn dann auch Thomas Müller, Jerome Boateng, Manuel Neuer und Mats Hummels ins Team zurückkehren (die sechs setzten am Mittwoch beim 2:2 gegen Australien über die komplette Zeit aus) und alle konzentriert auftreten, könne es nicht mehr ungemütlich im 55.000 Zuschauer fassenden Nationalstadion von Tiflis werden: “Es würde arrogant klingen zu sagen, es wird leicht, dort zu gewinnen. Aber wenn wir eine gute Leistung bringen und unser Potenzial abrufen, werden wir uns leicht tun.”