Hannover. . Mit drei Punkten ist der BVB aus Hannover zurückgekehrt. Das Toreschießen hat man nicht verlernt hat - doch der Auftritt lieferte nicht nur Beruhigendes.
Hans-Joachim Watzke ist eigentlich ein eher optimistischer Mensch - es sei denn, seine Dortmunder Borussia spielt Fußball. In der Endphase einer Champions-League-Begegnung schloss sich der BVB-Geschäftsführer einmal auf der Toilette ein, weil ihn die Dramatik auf dem Platz zu sehr mitnahm. Und auch am Samstagnachmittag hielt er es nicht bis zum Ende auf seinem Platz: 3:2 führten die Dortmunder, da bekam Hannover 96 einen Freistoß in Strafraumnähe zugesprochen. "Da bin ich mal ganz kurz zwei Meter hinter die Glasfront verschwunden", erzählte Watzke später. "Weil ich Ihnen keine Bilder liefern wollte für den Fall, dass noch ein Tor gefallen wäre."
Doch es fiel kein Tor mehr, der BVB gewann sein Auswärtsspiel mit 3:2. Doch abgesehen von diesem Ergebnis und den prächtig herausgespielten Toren lieferte die Partie nicht allzu viele Erkenntnisse, die beim BVB zu übergroßem Optimismus verleiten sollte. Denn gegen mehr als eine halbe Stunde in Unterzahl spielende Hannoveraner hatte man sich lange sehr schwer getan. "Wir haben die ersten 20 Min sehr gut gespielt, das Spiel unter Kontrolle gehabt und ein sehr schönes Tor geschossen", sagte Kapitän Mats Hummels. "Dann haben wir angefangen , uns mit Ballverlusten das Leben selbst schwer zu machen. Trotz Führung auswärts haben wir Konter kassiert."
BVB nutzt Räume und stiftet Verwirrung
Hannover übernahm nach dem Dortmunder Führungstreffer (19.) immer mehr die Kontrolle über das Spiel, störte früh, machte Druck und entwickelte ein wesentlich strukturierteres Angriffsspiel als die Gäste aus Dortmund. Fast zwangsläufig fiel der Ausgleich über den hervorragend aufgelegten Ex-Dortmunder Leonardo Bittencourt (31.). Nur Minuten später hätte der sogar den Führungstreffer nachlegen können, traf aber frei vor BVB-Torhüter Roman Weidenfeller das Tor nicht (34.).
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In Halbzeit zwei erhöhten die Hausherren den Druck sogar noch und die BVB-Abwehr geriet mächtig ins Schwimmen, Hummels musste einen Kopfball von Joselu auf der Linie klären (55.). Doch gleich darauf schwächte sich Hannover selbst, Bittencourt kam im Zweikampf mit Kehl zu spät, traf nur dessen Knöchel und sah die Gelb-Rote Karte.
"Es ist natürlich auch immer möglich, dass sich ein Bruch im Spiel oder eine Wendung auch einfach so ereignet", sagte Kapitän Hummels. "Aber in diesem Fall ist es durch den Platzverweis gekommen, das kann man so sagen." Die nun entstandenen Räume und die kurzzeitige Verwirrung nutzten die Dortmunder Offensivspieler eiskalt aus: Jakub Blastzczykowski inszenierte einen Konter, der über Marco Reus bei Shinji Kagawa und dann im Tor landete (57.), wenig später erhöhte Aubameyang auf Vorlage von Kagawa (61.), eine weitere Chance von Reus endete am Pfosten (81.).
"So ein Spiel muss man souveräner nach Hause spielen"
Drei Tore in einem Spiel nach zuletzt drei Partien ohne eigenen Treffer, dazu herausgespielt in Angriffen, in denen die Dortmunder Offensivspieler ihre ja durchaus beeindruckenden Qualitäten zeigten: ihr hohes Tempo, ihre feine Technik und ihr gutes Kombinationsvermögen. Und doch: Vieles im Angriff wirkte bruchstückhaft, schien mehr der hohen individuellen Qualität der Akteure als einem koordinierten Zusammenspiel zu entspringen - und die Akteure nahmen sich immer wieder ausgedehnte Auszeiten. Das Gesamtgebilde BVB bleibt fragil, das zeigten auch der 2:3-Anschl usstreffer durch Stindl (82.) und die Hektik, die danach im Defensivverbund ausbrach. Gegen zehn Mann geriet man so noch einmal gehörig unter Druck.
"Insgesamt haben wir heute nicht den Fußball gespielt, den wir von uns erwarten", monierte Sebastian Kehl. "So ein Spiel muss man souveräner nach Hause spielen." Für Hannover 96 reichte es an diesem Nachmittag dennoch - bei den kommenden Gegner dürfte das eher nicht der Fall sein: Nach der Länderspielpause empfängt man zuerst Bayern München und tritt dann bei Borussia Mönchengladbach an. "Das ist ein sportliches Programm", meinte Trainer Klopp. Man hat beim BVB nach 18 Punkten aus neun Spielen wieder soviel Selbstbewusstsein, dass man mit engen Duellen gegen die Bundesliga-Spitze rechnet - was wieder schwer erträglich für den Boss Watzke werden dürfte.
Der konnte mit einigem Abstand über die Dramatik in Hannover immerhin schon wieder schmunzeln. "Dass es bei uns immer ein bisschen dramatischer wird, als woanders, ist einfach so", sagte er. "Das ist BVB-Style."