Essen. Zum zweiten Mal trifft das DFB-Team auf die Auswahl von Gibraltar. Dabei ist das halbinsulare Fußballland genau genommen traditionsreicher als der DFB. Diese und andere Fakten über die Fußballnation Gibraltar.

1.) Genau genommen kann die Fußballnation Gibraltar auf eine größere Tradition zurückblicken als Deutschland. Der nationale Fußballverband Gibraltars, die Gibraltar Football Association (GFA), wurde bereits 1895 als Gibraltar Civilian Football Association gegründet. Den DFB gab es erst fünf Jahre später. Und über Deutschlands 16:0-Rekordsieg gegen Russland kann Gibraltar nur müde lächeln. 2003 gab's ein sattes 19:0. Gegen Sark. Eine 600-Einwohner-Insel im Ärmelkanal.

2.) Genauso alt wie sein Verband ist auch Gibraltars Top-Liga. 1895 ging die erste Saison der Gibraltar Premier Division über die Bühne, wenn auch noch inoffiziell. Die Gibraltarer (ja, so nennt man sie) wollten schon zwei Jahre vorher unbedingt eine eigene Liga gründen, mussten sich aber eingestehen, nicht genügend Vereine dafür zu haben. Also wurden fix ein paar Klubs "zwangsgegründet". Heute umfasst die Liga acht Teams. Vorher waren es nur sechs, aber die GFA stockte auf, weil man als Uefa-Mitglied eine Liga mit mindestens sieben Klubs vorweisen muss. Unter anderem spielt der Manchester United FC mit, der wie alle anderen Klubs quasi ausschließlich Heimspiele hat. Denn alle Partien finden im Victoria-Stadion statt, einer 5000-Zuschauer-Arena mit hübschem Kunstrasenplatz. Praktisch an dem Stadion ist auch die Nähe zum Flughafen, aber darauf kommen wir später noch zurück.

3.) Gibraltar ist das jüngste Mitglied der Uefa. Seit 2013 ist die GFA in Europas Dachverband voll anerkannt. Als 54. Mitglied. Zuvor gab es auch schon eine ganze Reihe inoffizieller Länderspiele. Meist wurde im Rahmen der "Island Games" gegen Fußballgrößen wie die Isle of Wight, Menorca oder Rhodos gespielt. Im November 2013 gab's dann den ersten offiziell von der Uefa anerkannten Nationenvergleich. Immerhin ein 0:0 gegen die Slowakei. Und es gab im Juni sogar ein 1:0 gegen Malta. Der einzige Sieg bisher allerdings. Mit einem von drei Toren. In acht Spielen.

4.) Denkbar ist auch, dass der BVB oder Schalke in naher Zukunft gegen einen gibraltarischen Klub spielen. Der Meister der Premier Division geht nämlich in die Qualifikation zur Champions League. Und der Pokalsieger darf um die Teilnahme an der Europa League spielen. Zumindest waren die Klubs vom Affenfelsen in diesem Quali-Sommer nicht gänzlich erfolglos. Ihr Abschneiden hat der GFA immerhin 0,250 Punkte im Uefa-Ländervergleich gebracht. Besser als San Marino. Knapp hinter Andorra. Zum DFB fehlen in der berühmten Fünfjahreswertung jetzt nur noch rund 71.600 Punkte.

5.) Wenn der DFB auswärts gegen Gibraltar ran muss, fliegt er nicht nach Gibraltar, sondern nach Portugal. Das Victoria-Stadion ist nicht ganz auf dem Stand, den die Uefa für solche Spiele gerne hätte. Es soll zwar ein neues Stadion entstehen, für rund 30 Millionen Euro sogar, aber bis dahin wird im portugiesischen Faro gespielt. Das Abschlusstraining kann Gibraltar aber bequem im eigenen Stadion durchführen. Das Victoria-Stadion liegt nämlich an der Winston Churchill Avenue, an der auch der Flughafen liegt. Genau genommen liegt sogar die Landebahn an der Winston Churchill Avenue. Nein: Sie liegt auf der Landebahn. Gibraltars Flughafen ist nämlich der einzige weltweit, dessen Start- und Landebahn eine normale Straße kreuzt. Eine vierspurige. Also quasi ein Bahnübergang für Flugzeuge. Keine Ahnung, wie man sowas nennt.

6.) Gibraltar hat sogar einen Premier-League-Profi hervorgebracht. Danny Higginbotham wurde in der Jugend von Manchester United (dem englischen) ausgebildet und machte auch vier Spiele für die A-Mannschaft. Es folgten noch ein paar Matches für den FC Southampton, Stoke City und den AFC Sunderland. Im März beendete er allerdings seine Karriere. Gerade rechtzeitig, um noch als offiziell und Uefa-anerkannter ungeschlagener Alt-Internationaler abzudanken. Denn beim 0:0 gegen die Slowakei war er noch dabei.

7.) Die Quoten der deutschen Wettanbieter für einen Sieg Gibraltars liegen in etwa bei 1:100. Zum Vergleich: Ein Sieg von Weißrussland in Spanien bringt eine Quote von 1:18.

8.) Kyle, Lee und Ryan Casciaro spielen alle im Nationalteam. Gibraltar wird voraussichtlich also mit drei Brüdern in der Startelf auflaufen. Ganz sicher aber mit Kyle. Denn der erzielte den Siegtreffer beim 1:0 gegen Malta. Drei Brüder in der Nationalelf? Naja, man darf nicht vergessen, dass Gibraltar nur 29.000 Einwohner hat. Also in etwa so viele wie Waltrop.

9.) Der Trainer von Gibraltars Nationalelf verfügt über mehr internationale Erfahrung als Peter Neururer. Stationen im Ausland: eine. Zwischen 2006 und 2010 war er Jugendtrainer beim slowakischen Erstligisten MFK Košice.

10.) Im Gegensatz zur Uefa weigert sich der Weltverband Fifa, die GFA als Mitglied anzuerkennen. Es steht also nicht zu befürchten, dass der Nachfolger von Sepp Blatter eines Tages einen mit "Gibraltar" beschriebenen Zettel aus einem Umschlag holt. Wobei . . .