Köln. In drei Jahren soll der 1. FC Köln in der Bundesliga spielen und wirtschaftlich gesund sein - das plant der neue Sportdirektor Jörg Schmadtke. Wir haben mit dem Düsseldorfer Schmadtke über unterschiedliche Mentalität, das Image als kauziger Typ und die Lust am Müll gesprochen.
Am Samstag muss der 1. FC Köln zum Zweitliga-Start bei Dynamo Dresden antreten (15.30 Uhr, live in unserem Ticker). Erstmals dabei: der neue FC-Sportdirektor Jörg Schmadtke, 49, der in der Domstadt nach sechs Wochen im Amt als eine Art „Heilsbringer“ gefeiert wird.
Herr Schmadtke, Sie sind in Köln nahezu hymnisch begrüßt worden. Der letzte, der beim FC so empfangen wurde, war Christoph Daum.
Jörg Schmadtke (lächelt): Das ist ja auch gut gegangen. Im Ernst: Das ist wohl die besondere Seele des Rheinländers. Wenn ein verlorener Junge nach langen Jahren wieder nach Hause kommt, ist die Freude umso größer.
Mit Verlaub, Sie sind Düsseldorfer…
Schmadtke: Rheinländer. Wir sind da sehr tolerant.
Viele hätten sie gern bei der Fortuna gesehen; zusammen mit Heimkehrer Mike Büskens. Es hätte eine sentimentale Note gehabt.
Schmadtke: Fortuna hat mit mir nie gesprochen, das hat auch in meinen Überlegungen nie eine Rolle gespielt. Aber natürlich spielt dieses Ursprüngliche hier, die Seele eines Klubs, dieses Emotionale, eine Rolle für mich. Ich bin schon etwas älter, da ist man vielleicht empfänglicher für solche Romantik (lacht).
Sind Düsseldorf und Köln denn vergleichbar?
Schmadtke: Es gibt ganz sicher viele Parallelen, aber die kölsche Seele ist schon noch etwas anders. Bei den Düsseldorfern ist das Glas eher halbleer, in Köln ist es immer randvoll, naja, zumindest halbvoll.
Hilft dieser, nun ja, überbordende Optimismus in schwierigen Situationen wie derzeit beim FC?
Schmadtke: Es muss zumindest nicht zum Schaden sein. Es ist schon gut, eher eine positive Art an den Tag zu legen, als wenn man bei jeder Sonne immer gleich den Schatten sucht.
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Viel Sonne ist aber gerade nicht. Der FC spielt in der zweiten Liga, die Finanzlage ist bei rund 30 Millionen Euro Schulden extrem angespannt. Sie dagegen waren vier Jahre in Hannover, spielten mit 96 in der Europa League, waren zuletzt Kandidat als Sportchef beim HSV. Jetzt gehen sie in die 2. Liga. Wie ein Aufstieg klingt das nicht.
Schmadtke: 1. Liga, 2. Liga, damit kann ich nichts anfangen. Ich suche die Herausforderung, und das hier ist ganz sicher eine große. Bei einem Traditionsklub zu arbeiten, der ein riesiges Potenzial hat, das er seit Jahren nicht nutzt, und den Verein dahin zu führen, wo viele Leute glauben, dass er auch hingehört. Das ist der Reiz.
Ihr engster Partner dabei ist der Trainer. In Hannover agierten sie mit Mirko Slomka sehr erfolgreich, doch nach außen galten Sie, nun ja, nicht gerade als Traumduo. In Köln haben Sie unterschrieben, nachdem zuvor mit Peter Stöger der Trainer verpflichtet wurde. Lauert da schon der nächste Konfliktherd?
Schmadtke: Nein, da muss ich Sie enttäuschen. Die Zusammenarbeit lässt sich wirklich sehr gut an. Peter Stöger ist ein sehr offener, interessierter Trainer, er war selbst mal Sportdirektor, er weiß also, was einen wie mich umtreibt. Da gibt es ungemein viel Verständnis für die unterschiedlichen Positionen.
Haben Sie denn wechselseitig schon ihre Grenzen abgesteckt?
Schmadtke: Es gibt ganz klare Aufgabenstellungen: Taktik, Trainingsinhalte, Aufstellung – das ist einzig und allein Sache des Trainers. Dafür ist er eingestellt, dafür kriegt er Lob oder im Misserfolgsfall auch die Prügel. Das ist sozusagen part of the deal. Was ich anbiete, ist: Ich habe 29 Jahre Bundesliga in unterschiedlichen Positionen hinter mir. Ich habe bestimmte Sichtweisen, Erfahrungen, sammele viele Eindrücke und bin gerne bereit, diese weiterzugeben. Was der Trainer damit macht, ist sein Ding. Ich sag’ immer: Du kannst den zusätzlichen Input aufnehmen, verarbeiten oder wegschmeißen. Such’s dir aus.
Und wofür kriegt Jörg Schmadtke dann die Prügel?
Schmadtke: Natürlich auch, wenn es nicht läuft. Wenn’s schmutzig wird, bin ich erste Reihe. Wenn die Sonne scheint und alles gut ist, sollen andere im Lichte stehen, da trete ich gern zur Seite. Wenn’s stürmt und regnet, dann stell’ ich mich vorne hin, wird es richtig prickelnd, dann macht es erst richtig Spaß. In Stress-Situationen entwickele ich besondere Freude.
Jörg Schmadtke kultiviert sein Image als eigenwilliger Typ, der gern den Bulldozer mimt?
Schmadtke: Wenn es darum geht, jemanden auf den Tisch zu stellen, der tanzt, dann bin ich der falsche. Wenn es darum geht, irgendwelchen Müll wegzuräumen, dann immer gern. Da habe ich auch keine Skrupel.
Sie haben trotz allem einen extrem guten Ruf, gelten als Spielerentdecker, als jemand, der Leute holt, die vorher keiner kannte.
Schmadtke: Ja, aber da hat man mich auch größer gemacht, als ich bin. Das ist eigentlich normales Geschäft, sich um die Märkte zu kümmern. Ich habe mich halt um ein paar Ligen und Länder gekümmert, die bis dato völlig brach lagen. Aber das ist ja auch vorbei, es gibt ja heute keine Spieler mehr, die keiner kennt. Als ich 2001 in Aachen angefangen habe, da war ich alleine auf der Tribüne, wenn ich Spieler beobachtet habe, da war niemand da. Heute sitzen da alle Scouts, national wie international. Ich kenne ja heute mehr Scouts als Klubvertreter, weil ich auch gerne draußen bin.
Und wo sind Sie zu Hause?
Schmadtke: Noch im Hotel, ich suche gerade eine Wohnung.
Wo?
Schmadtke: In Köln natürlich. Wo sonst?
Schmadtke über Tradition und den MSV Duisburg
Der FC war in den letzten 15 Jahren eine Art Fahrstuhlklub. Und in jener Zeit hat sich das wirtschaftliche Gefälle dramatisch verschärft. Wer oben spielt, hat jede Menge Geld – und unten wird es eng.
Schmadtke: Deshalb ist es auch wichtig, sehr zügig unsere Ziele zu erreichen, damit die Schere nicht noch weiter aufgeht. Es gibt kluge Leute, die behaupten, dass zukünftig Klubs, die wirtschaftlich gut aufgestellt sind, sportlich aufgrund ihrer Potenz gar nicht mehr aus der Bundesliga absteigen können. Man muss nur schauen, dass man den Schritt dorthin nicht zu spät macht.
Es gibt aber auch Stimmen, die behaupten, der FC wird der nächste MSV Duisburg.
Schmadtke: Das weiß ich besser. Wir sind nicht zum Aufstieg verdammt. Wir wollen aufsteigen und es wäre wünschenswert, um die Dinge voranzutreiben. Aber es ist nicht so, dass hier die Lichter ausgehen, wenn wir es in dieser Saison nicht schaffen. Es würde natürlich Einschnitte geben. Aber mit Verlaub: Die Kraft dieses Klubs ist größer als die des MSV Duisburg oder Rot-Weiss Essen.
Der FC muss bei dem Potenzial verdammt viel falsch gemacht haben.
Schmadtke: Die Rückschau bringt doch nichts. Wenn wir hier in Zukunft ein Projekt anbieten, Fußball zeigen, der die Menschen begeistert, dann werden sich auch alle anderen Dinge drum herum mit entwickeln. In andere Klubs ist das schwieriger, da können sie Erfolg haben, wie sie wollen, da sind sie immer begrenzt. Hier ist das Limit nach oben sehr, sehr weit gesteckt.
Wo sehen Sie den FC in drei Jahren?
Schmadtke: Wirtschaftlich gesund, also zumindest nahezu schuldenfrei, sportlich in der Bundesliga, mit einem Unterbau, aus dem wir immer wieder Spieler aus den eigenen Reihen hervorbringen können.
Der FC als sympathischer Außenseiter-Klub mit kölschen Jungen?
Schmadtke: Naja, mit der Vereinshistorie, mit Spielern wie Overath, Flohe, Schumacher, da passt es nicht, sich jetzt als sympathischer Underdog zu verkaufen. Aber klar ist auch: Die Geschichte ist dann gefährlich, wenn man glaubt, dass sie alleine ausreicht. Das ist ja genau die Krux dieser vielen Traditionsklubs, die jetzt, zumindest kurzfristig, verschwinden. Der FC hat eine große Geschichte, aber die Tradition hilft uns nicht beim Tagesgeschäft.