Paderborn. Als Jos Luhukay über seine schöne Fußball-Zeit beim SC Paderborn philosophierte, verbreitete er für einen Moment melancholische Stimmung in der Pressekonferenz. Beinahe peinlich war dem Coach von Zweitliga-Tabellenführer Hertha BSC Berlin der glückliche 1:0 (0:0)-Erfolg im Kräftemessen mit dem SCP an seiner alten Wirkungsstätte.
Der Holländer, einst Wegbereiter für das Paderborner Abenteuer im Profi-Fußball, hätte sich wohl am liebsten noch entschuldigt für die drei wichtigen Punkte, die Berlin aus der ostwestfälischen Provinz mit in die Bundeshauptstadt nahm.
Routinier Adriàn Ramos erzielte vor 9.416 Zuschauern in der nicht ganz ausverkauften SCP-Arena nach 65 Minuten den goldenen Treffer. Das freute natürlich auch Jos Luhukay. Denn so baute die beste Auswärtself der 2. Liga ihren Vorsprung gegenüber Mit-Absteiger Kaiserslautern auf dem zweiten Aufstiegsplatz um fette acht Punkte aus. Nur einmal haben die Berliner in dieser Saison verloren. Das war am zweiten Spieltag beim FSV Frankfurt.
SC Paderborn unterliegt Hertha BSC mit 0:1
Im klirrend-kalten Paderborner Stadion stand ein hartes Stück Arbeit für die Hertha ins Haus, um den Nimbus von nunmehr 16 Spielen ohne Niederlage zu verteidigen. Nach dem 2:2 im Hinspiel traten die Berliner zum Rückrundenstart mit großem Respekt beim Tabellenelften an. Die hart umkämpfte Partie geriet phasenweise etwas aus den Fugen. Schiedsrichter Tobias Stieler (Hamburg) zückte allen sieben Gelbe Karten und zeigte Fingerspitzengefühl bei so manchem harten Zweikampf. Jos Luhukay: „Ich wusste, dass es uns Paderborn unglaublich schwer machen würde. Meine Jungs mussten Charakter zeigen und mit allen fußballerischen Mitteln den Sieg erzwingen. Das haben sie getan und sich dafür belohnt.“
SC Paderborn hadet mit seinen Großchancen
Der hoch motivierte SCP haderte hingegen mit vergebenen Großchancen zur Führung schon in der ersten Halbzeit durch Thomas Bertels (13.) und Mario Francic (43.). Spielmacher Alban Meha hatte zehn Minuten vor Schluss den Ausgleich verpasst. Nach seinem tollen Freistoß klatschte der Ball an die Unterkante der Latte, sprang dann aber vor der Torlinie zurück auf den Rasen. Riesenpech für Paderborn! Der Heimkomplex von sechs Spielen ohne Sieg setzte sich trotz einer couragierten Vorstellung fort. Den letzten Dreier auf eigenem Platz gab es am 23. September gegen Neuling Sandhausen. Seit vier Spielen haben die Paderborner keinen Dreier mehr in der Liga gewonnen.
Entsprechend geknickt war der SCP-Coach. Stephan Schmidt, gebürtiger Berliner und früher selbst Spieler bei der Hertha, stellte fest: „Wir haben den Gegner kaum zur Entfaltung kommen lassen. Dennoch fällt das für uns so bittere Gegentor durch eine hohe individuelle Klasse von Ramos.“ Seiner Mannschaft, die auf drei Positionen umgebaut werden musste (unter anderem stand Daniel Lück für den gesperrten Keeper Kruse im Kasten), machte der Trainer keinen Vorwurf.
Paderborner Jungs mit "positiver Wut" zum Spiel nach Bochum
Außer: „Dass für uns einmal die Latte etwas zu hoch hängt“, spielte Schmidt auf den Lattentreffer von Meha an. Ein Unentschieden gegen den Favoriten wäre aus seiner Sicht mehr als verdient gewesen. Daher sollten die Paderborner Jungs ihre „positive Wut“ über die Niederlage bewahren für das letzte Punktspiel des Jahres am kommenden Sonntag (13.30 Uhr) beim VfL Bochum.
Das letzte Wort hatte Jos Luhukay: „Wie sich der SC Paderborn mittlerweile in der zweiten Bundesliga etabliert hat und sich nach Abgängen immer wieder neu aufstellt, ist sensationell. Das verlangt großen Respekt. Ich habe keinen Zweifel, dass Paderborn auf diesem Weg weiter machen wird. Hier werden in familiärer Atmosphäre immer die richtigen Entscheidungen getroffen. Das ist eine großartige Leistung.“
Auf die Leistung gegen Hertha könne der SCP aufbauen. Luhukay: "Was Paderborn heute nicht bekommen hat, nämlich den erträumten Punkt, das muss sich die Mannschaft im neuen Jahr erarbeiten. Da bin ich sehr zuversichtlich, dass diese Mannschaft stabil bleibt und sich die nötigen Punkten demnächst wieder holt, gerade auch im heimischen Stadion."
Hartwig Sellmann
Stimmen zum Spiel - Hertha-Manager Preetz kritisiert unfaire Paderborner
Stephan Schmidt (SC Paderborn, Trainer): "Wir haben alles, was wir uns vorgenommen hatten, insbesondere in den ersten 60 Minuten gut umgesetzt. Auch nach dem unglücklichen Rückstand durch das Gegentor von Ramos hat meine Mannschaft bis zum Schluss versucht, den Ausgleich zu erzielen. Wir hatten definitiv einen Punkt verdient."
Jos Luhukay (Hertha BSC Berlin, Trainer): "Beide Mannschaften haben sich alles abverlangt. Wir hatten es am Anfang schwer, unseren Rythmus zu finden, weil Paderborn fast jeden Angriff von uns unterbunden hat. Fußballerisch wurde das Spiel erst in der zweiten Halbzeit auf beiden Seiten besser, ohne echte klare Torchancen. Am Ende war es ein glücklicher und wichtiger Arbeitssieg für uns."
Daniel Lück (SC Paderborn, Torwart): "Einen Tag vor dem Spiel war ich im Hotel noch nervös vor meinem Debüt. Mit dem Anstoß hat sich das gelegt. Bitter ist nur, dass wir so unglücklich verloren haben. Meine eigene Leistung, die, glaube ich, ganz gut war stelle ich hinten an. Nur das Ergebnis zählt, und das ist enttäuschend."
Marcel Ndjeng (Hertha BSC und Ex-SCP-Spieler): "Wir wussten, was auf uns zukommt - ein hartes Stück Arbeit. Paderborn hat eine Mannschaft, die schon seit Jahren zusammenspielt. Einige Leistungsträger sind zwar vor der Saison weggebrochen, aber der SCP hat trotzdem wieder ein gutes Team mit der gleichen Grundeinstellung in den vergangenen Jahren."
Markus Krösche (SC Paderborn, Kapitän): "Gegen Mannschaft wie Hertha oder Kaiserslautern, die eine hohe individuelle Qualität haben, sind Fehler, wie wir ihn beim Gegentor gemacht haben, einfach tödlich. Wir haben in dieser Situation nicht clever genug reagiert. Da musst du den Ball einfach in den dritten Rang kloppen. Dann hast du die Situation bereinigt. Schade, weil wir phasenweise ganz gut gespielt haben. Ein Punkt wäre für uns schon verdient gewesen."
Peter Niemeyer (Hertha BSC, Kapitän): "Wir haben zwar die letzten Wochen nicht gut gespielt, mit diesem wichtigen Sieg haben wir aber einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Heute hat uns ein Stück weit die Zielstrebigkeit gefehlt. Ansonsten sind wir aber gefestigt, wir sind immer gut für ein Tor und einfach schwer zu schlagen."
Thomas Bertels (SC Paderborn, Spieler): "Wir waren nicht schlechter als Hertha, uns hat einfach nur das Glück im Abschluss gefehlt. Mein Kopfball nach 13 Minuten oder der Meha-Freistoß hätten genauso gut drin sein können. Trotzdem war die Leistung von uns völlig in Ordnung. Solche unerfolgreichen Heimspiele wie gegen Duisburg oder Dresden, die tun uns mehr weh."
Michael Preetz (Hertha BSC, Manager): "Der Schiedsrichter hatte eine extrem schwierige Aufgabe, weil das Spiel von außen angeheizt wurde. Wie sich die Paderborner Trainerbank und die Paderborner Spieler auf dem Platz verhalten haben, fand ich extrem unfair. Das Spiel drohte aus dem Ruder zu laufen, aber am Ende ging doch in geordneten Bahnen zu Ende."
gesammelt von Hartwig Sellmann
Teams und Tore - Ramos erzielt für Hertha BSC den goldenen Treffer
SC Paderborn 07: Lück, Gulde, Demme, Zeitz, Vrancic, Yilmaz, Strohdiek, Bertels (76. Hofmann), Meha, Krösche (76. Naki), Brückner.
Hertha BSC Berlin: Kraft, Ndjeng, Ramos, Allagui (87. Wagner), Ronny (69. Hubnik), Sahar (76. Knoll), Niemeyer, Bastians, Kluge, Brooks, Lustenberger.
Tore 0:1 (65.) Ramos - Gelbe Karten: Brückner, Zeitz, Bertels, Meha, Yilmaz (alle SCP) - Kraft, Lustenberger, Ronny (alle Hertha).
Schiedsrichter: Tobias Stieler (Hamburg). Zuschauer: 9.416.
So geht es weiter: VfL Bochum - SC Paderborn (So. 13.30 Uhr, Revier-Power-Stadion). - Bilanzen: Paderborn seit vier Spielen sieglos, seit sechs Spielen ohne Heimerfolg