Paderborn. . Normalerweise geht so ein Spiel ins Auge für den Favoriten. Der SC Paderborn hatte das Topduell der 2. Fußball-Bundesliga im Griff. Die Gastgeber führten zur Pause verdient mit 1:0. Bis zur 92. Minute. In der Nachspielzeit traf Fabian Boll noch zum 1:1 für den FC St. Pauli. Mit dem Auge wuchtete der Kiezclub-Kapitän den Ball ins Netz. Sensationell!

Das Duell auf Augenhöhe der Tabellennachbarn unter souveräner Leitung von Schiedsrichter Knut Kircher bot in beiden Halbzeit eine Dramatik bis zur letzten Sekunde. Torjäger Nick Proschwitz versetzte unmittelbar vor dem Wechsel mit seinem zehnten Saison-Treffer das Paderborner Publikum im ausverkauften Stadion in Ekstase. Enis Alushi leistete die herrliche Vorabeit. „Das war stark. Eine klasse Aktion“, gestand sogar Andre Schubert.

Doch seine Mannschaft stemmte sich im zweiten Durchgang mit spielerischer Dominanz gegen die drohende Niederlage. Zwar nicht immer effektiv, aber mit Leidenschaft. Als allerdings der eingewechselte Deniz Naki in der 87. Minute die beste Chance für St. Pauli vergab, glaubte niemand mehr an ein Happy-End. Bis auf Andre Schubert. Er trieb seine Elf weiter an. „Die Jungs haben bis zur letzten Sekunde durchgezogen. Sie haben versucht Druck zu machen, auch wenn das nicht immer hundertprozentig gelungen ist, was die Präzision im Abschluss betraf“, analysierte der Coach das Finale.

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Als es darauf ankam Flagge zu zeigen, war Paulis Kapitän zur Stelle. Fabian Boll ging volles Risiko. Gegen Paderborns Palionis blockte er das Leder ab, provozierte einen letzten Freistoß von der linken Seite, marschierte in den Strafraum und drückte das Leder mit voller Wucht über die Linie. „Das war ein Geschichte des Willens und Wollens. Da war Bolle mal wieder ein Vorbild für unsere Mannschaft“, lobte Schubert diesen außergewöhnlichen Einsatz.

Kapitän Boll hat den Ausgleich erzwungen

Es war ein Geschichte nicht nur mit Köpfchen, sondern ein Tor mit Auge. Das wurde im Kabinengang klar, wo sich Fabian Boll dicke Eisbeutel auf die geschwollene Gesichtspartie drückte und die interessierten Journalisten aufklärte, wie der Ausgleich wirklich entstanden war: „Dennis Daube spielt den Freistoß mit zu viel Drall. Ich bin so ein schlechter Kopfballspieler und erwische den Ball nur mit dem Auge." Das linke Auge wies schon blaue Konturen auf, doch der Schütze scherzte mit hanseatischem Humor: „Mich kann ja nichts entstellen. Nur am Samstag bei unserer Weihnachtsfeier dürfte ich so eigentlich nicht auftauchen, aber das nimmt man nach einem derartigen Tor dann gerne in Kauf.“

SCP spielt die beste Hinrunde aller Zeiten

Bolls Treffer kaschierte, was Paderborn erträumt hatte - den Sieg. Der SCP sei mit seinem schnell Umschaltverhalten auch in der zweiten Hälfte brandgefährlich gewesen, gab der Matchverwandler zu. Aber, so Fabian Boll: „Mit dem Willen und dem Druck, den wir gezeigt haben, war es auf Grund der zweiten Halbzeit noch ein verdienter Punkt für uns.“

Die Gäste vom Millerntor verteidigten ihren Drei-Punkte-Vorsprung vor dem Verfolger aus Ostwestfalen. St. Pauli kann die Hinrunde mit 36 Zählern als Tabellendritter abschließen. Der SC Paderborn zieht einen Strich unter 33 Punkte, die beste Hinrunde der Vereinsgeschichte in der 2. Liga. Und seit jetzt 13 Meisterschaftsspielen ist der SC Paderborn ungeschlagen.

Trotzdem saß der Frust in den Knochen von Trainer Roger Schmidt und seinen Spielern. „Letztendlich sehr ärgerlich“, fand SC-Spielführer und Urgestein Markus Krösche den späten Ausgleich. „So ist Fußball. Mit 33 Punkten können wir zufrieden sein, nur ist das jetzt natürlich auch ein Riesenanspruch so weiterzumachen.“ Krösche hat Recht. Schön auf dem Teppich bleiben sollte der SCP. Über die Erste Liga reden die Spieler nichtmal unter der Dusche. Krösche: „Nee, dafür reicht die Qualität nicht.“

Roger Schmidt gratuliert seiner Mannschaft 

Eines Zweitliga-Spitzenspieles würdig war die Paderborner Vorstellung gegen den FC St. Pauli. Das unterstrich auch Teamchef Roger Schmidt, bis in der Pressekonferenz plötzlich das Licht ausging. „Das ist sinnbildlich für die 92. Minute. Das Licht ist kurz weg. Danach muss man das Licht ganz schnell wieder anmachen“, wollte der Coach nicht lange Trübsal blasen.

Roger Schmidt hatte in der ersten Halbzeit Grund zum Feiern.
Roger Schmidt hatte in der ersten Halbzeit Grund zum Feiern. © Getty

„Ich muss der Mannschaft zu einer unglaublichen Hinrunde gratulieren. Was sie konstant abruft, wie sie auftrifft, mit was für einer Mentalität, mit welchen Emotionen, mit was für einer fußballerischer Klasse sie sich mit anderen Mannschaft misst, die komplett andere Voraussetzungen haben, das finde ich großartig“, resümierte Schmidt ein fabelhaftes Halbjahr unter seiner Regie.

Alushi der beste Mann

Eigentlich hebt er nie Spieler heraus, aber was Enis Alushi in den packenden 90 Minuten vor 15 000 Zuschauern geleistet habe nannte Schmidt „allererste Sahne.“ „Unser Tor von Proschwitz war schön. Die Vorbereitung von Alushi war noch schöner. Er hat ein großartiges Spiel gemacht", sagte der SC-Trainer über den besten Mann auf dem Platz. Ansonsten hätten sich alle Jungs wieder dem Teamgeist untergeordnet. Schmidt: „In der zweiten Halbzeit haben wir top verteidigt und vorne haben wir immer wieder Nadelstiche gesetzt.“

Brandy vergibt Chance zur Entscheidung

Sören Brandy besaß neun Minuten vor Schluss die Großchance zum 2:0 auf Vorlage von Thomas Bertels. Doch der Stürmer rutschte unglücklich am Ball vorbei. Das hätte die Entscheidung sein müssen für den SC Paderborn. Dies wusste später auch Roger Schmidt. „Trotzdem sah es so aus, als wenn wir das Spiel recht souverän nach Hause bringen. Dann kam in der Nachspielzeit diese Szene, wo der Ball nach einem Freistoß in den Sechzehnmeterraum segelt. Wenn dann 22 Mann zum Kopfball gehen, fällt der Ball dem Glücklichen auf die Birne. Das müssen wir so akzeptieren.“