Heidenheim. Ohne Mäzen, ohne Werk im Hintergrund: Der FC Heidenheim hat sich Stück für Stück hochgearbeitet. Wer für den Erfolg verantwortlich ist.
Frank Schmidt hörte sich fast an wie Neil Armstrong, wie ein Astronaut, der kurz vor der Mondlandung ein paar sentimentale Worte an die Erde schickt: „Ich glaube an das Unglaubliche. Manchmal muss man das Unmögliche probieren, um das Mögliche zu erreichen“, sagte der 46-jährige Trainer vor dem ersten Relegationsspiel an diesem Donnerstag (20.30 Uhr/DAZN und Amazon Prime) bei Bundesligist Werder Bremen. Für einen Klub aus einer 50.000-Einwohner-Stadt, der sich ohne Mäzen bis nach oben gearbeitet hat, wäre der Bundesliga-Aufstieg mit der Mondlandung vergleichbar. Dann würde wahr, was unmöglich klang.
Keine Party wegen Corona
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„Der FCH kann Historisches erreichen. Der Aufstieg wäre für uns, für die Stadt und für den FCH ein großer Erfolg und die Krönung für Jahrzehnte harter und zielstrebiger Arbeit“, sagt Heidenheims Oberbürgermeister Bernhard Ilg dieser Redaktion. Keine Party wegen Corona, aber einen Eintrag ins Goldene Buch der Stadt stellt der CDU-Politiker in Aussicht.
Die Geschichte des FCH klingt wie ein Märchen. In Zeiten des rauschenden Geldes hat der Verein kontinuierlich das Unmögliche möglich gemacht: kein Scheich, kein Großunternehmer, kein Werk im Hintergrund. Nur Holger Sanwald (53) und die Liebe zum Fußball. „Er ist der Motor des Vereins“, sagt Thomas Jentscher. Der 55-Jährige berichtet seit 30 Jahren für die Heidenheimer Zeitung über den Klub, hat mit zwei Kollegen das Buch „Alb-Träume“ geschrieben.
Klubchef Holger Sanwald - Ein Glücksfall für Heidenheim
Heidenheim an der Brenz gilt als Fecht- und Baseballhochburg und war alles andere als Fußballverrückt. Moderner Fünfkampf stand in der Stadt im Osten Baden-Württembergs hoch im Kurs. Aber Sanwald wollte Fußball spielen, ein Glücksfall für Heidenheim. „Damals wurde er in die ,Erste’ hochgezogen und hat mit seinen 1,90 Meter im Sturm ein paar Kopfballtore gemacht und zum Klassenerhalt in der Landesliga beigetragen. Der damalige Trainer hat ihm aber gesagt, dass er ihn als Abteilungsleiter besser gebrauchen könnte.“ Sanwald nahm den Job 1994 an, versammelte „die richtigen Leute“ um sich und stellte den Klub finanziell auf die Beine. Heute wird der Verein von hunderten Partnern getragen. Die größten Sponsoren Hartmann und Voith, Namensgeber der Arena (15.000 Plätze), kommen aus Heidenheim.
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Wenn Sanwald der Motor ist, ist Frank Schmidt der Fahrer. Der Trainer wurde in einem Heidenheimer Krankenhaus 200 Meter vom Stadion entfernt geboren, wuchs in einem Nachbarort auf. Er hatte eine Fußballkarriere bei Alemannia Aachen in der Zweiten Liga und bei Bayern-Bezwinger TSV Vestenbergsgreuth hinter sich. Mit Ende Zwanzig kam er zurück. Als Mittelfeldregisseur half er beim Aufstieg in die Oberliga. Eigentlich wollte er bei einer Versicherungsagentur anfangen, stattdessen wurde er Interimstrainer und führte den Klub 2008 in die Regionalliga Süd. 2009 folgte der Aufstieg in die Dritte Liga. Fünf Jahre später wurde Heidenheim Meister und schaffte den Sprung in die 2. Bundesliga.
Trainer Frank Schmidt - Der Jürgen Klopp des FCH
Schmidt ist ein emotionaler Trainer, gestikuliert auch mal wild an der Seitenlinie. „Er ist am ehesten der Klopp-Schiene zuzuordnen“, sagt Jentscher. „Keiner, der stundenlang über die Falsche Neun philosophiert.“ Schmidt sei wie Sanwald ein Alphatier. „Aber sie harmonieren miteinander.“
Und dann wäre da noch Marc Schnatterer. Der Offensivspieler kam 2008 aus Karlsruhe, spielte mit den Schwaben damals noch in der Regionalliga. Seitdem prägt der heute 34-Jährige den Verein und hat großen Erfolg am stetigen Aufstieg des Fußball-Zwerges – den er selbst kaum glauben kann. „Das muss man sich wirklich mal auf der Zunge zergehen lassen: Wir aus Heidenheim, 50.000 Einwohner, spielen um einen Platz in der Top-Liga in Deutschland“, sagt Schnatterer.
Stimmt, klingt unmöglich. Wie einst die Mondlandung.