Hamburg. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist auf dem Weg zur EM wieder unter Zugzwang. Gegen die Niederlande gab es eine 2:4 (1:0)- Niederlage.
Als der portugiesische Schiedsrichter Artur Soares Dias nach 95 Minuten abpfiff, war es offiziell: 31 Jahre nach dem denkwürdigen 1:2 im EM-Halbfinale gegen die Niederlande verlor Deutschland erneut gegen Holland. Diesmal sogar mit 2:4 – und trotzdem diesmal nicht ganz so ernüchternd wie einst.
Das letzte (kleine) Rätsel dieser Nationalmannschaftswoche in Hamburg hatte Joachim Löw bereits anderthalb Stunden vor dem Spiel. Wie allgemein erwartet entschied sich der Bundestrainer für Leipzigs Timo Werner, der den kreuzbandgeschädigten Leroy Sané ersetzen sollte. Wie beim 3:2-Sieg vor einem halben Jahr ließ Löw auch im Volkspark mit einem holländischen 3-4-3 spielen. Und genau wie in Amsterdam erwischte auch am Freitagabend das DFB-Team einen Start, den man ohne Übertreibung als Start nach Maß bezeichnen durfte.
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Joshua Kimmich war es, der für den ersten Höhepunkt des Abends sorgte. Nach seinem herausragenden Pass in die Schnittstelle der mutmaßlich besten Innenverteidigung der Welt (Virgil van Dijk und Matthijs de Ligt) lief Lukas Klostermann alleine auf Torhüter Jasper Cillessen zu. Doch Klostermann ist kein Ballermann. Und so konnte der Leipziger in dieser Szene als größten Verdienst für sich reklamieren, dass er nach einem schwachen Abschluss den Nachschuss generös Serge „Serge spielt immer“ Gnabry überließ. Der Bayer musste nur noch abstauben und mit seinem berühmten Tee-Umrühr-Jubel feiern (9.).
Abwarten und Tee trinken schien auch die löwsche Marschroute im Anschluss zu sein. Das DFB-Team überließ den Niederlanden das Spiel und beschränkte sich ganz altmodisch aufs Kontern, das man heutzutage ganz modern als Umschaltspiel bezeichnet. Und nach einem erneuten Traumpass von Marco Reus war es wieder einmal Gnabry, der den Teelöffel schon in der Hand hatte (27.). Doch sein Abschluss war genauso ungenau wie der von Reus himself eine Viertelstunde später (42.).
So blieb es nach 45 ordentlichen, aber nicht herausragenden Minuten, beim verdienten 1:0 zur Halbzeit. „Ich habe mehr Tempo erwartet“, mäkelte Ex-Nationalspieler Heiko Westermann in der Pause. Piotr Trochowski, der die Führung als „souverän und verdient“ bezeichnete, sagte: „Wir hätten nach unseren Kontern sogar noch ein oder zwei Tore mehr machen können.“
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Noch ein oder zwei Tore mehr hätte das Löw-Team dann auch direkt nach dem Wiederanpfiff machen können – vielleicht machen müssen. Die Gastgeber hatte den Pausentee offenbar genossen und bemühte sich direkt um die frühere Vorentscheidung. Doch die beiden 85-Millionen-Euro-Abwehrrecken de Ligt (vor Gnabry/52.) und van Dijk (vor Werner/53.) verhinderten im letzten Moment das fällige 2:0.
Vorne ohne Glück – und hinten im Pech. Erst stolperte der gebürtige Hamburger Jonathan Tah, dann kam auch nach der Neu-Dortmunder Nico Schulz zu spät. Das Ende vom Lied: das völlig überraschende 1:1 nach knapp einer Stunde durch Barcelonas neuen 75-Millionen-Euro-Zauberer Frenkie de Jong.
Tah und Schulz waren auch wenige Minuten später die unglücklichen Protagonisten, diesmal nur in umgekehrter Reihenfolge. Zunächst verlor Schulz das Luftduell gegen das 1.93 Meter große Kopfballungheuer van Dijk. Und nachdem Torhüter Manuel Neuer noch glänzend reagierte, war es dann der frühere Lokalmatador Tah, der den Ball selbst noch über die Linie drückte.
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1:2 nach 66 Minuten – und keiner wusste so genau warum. Doch Glück und Pech sind auf dem Fußballplatz nur selten eine Einbahnstraße. Und so dauerte es gerade einmal fünf weitere Minuten, ehe Fortuna diesmal auf der Gegenseite zuschlug. Nachdem de Ligt den Ball äußerst unglücklich an die Hand bekam, entschied Schiedsrichter Dias zum Entsetzten des Turiners auf Strafstoß. Toni Kroos bedankte sich artig zum 2:2 (73.).
Nun war es wirklich das erhoffte Voetball total von beiden Mannschaften, dass sich die 51.299 Zuschauer im ausverkauften Volksparkstadion erhofft hatten. Diesmal allerdings mit einem anderen Ausgang als vor sechs Monaten in Amsterdam, als Nico Schulz noch kurz vor Schluss zum 3:2 traf. In Hamburg waren es der eingewechselte Malen Donywell und Liverpools Georginio Wijnaldum, die zum 2:3 und sogar zum 2:4 trafen.
Die gute Nachricht zum Schluss: Trotz der bitteren Niederlage kann Deutschland bereits am Montag mit einem Sieg in Nordirland die Tabellenführung in der EM-Qualifikationsgruppe C übernehmen. Auf holländisch könnte man den Abend also wohlwollend zusammenfassen: Half zo slecht. Halb so schlimm.