Leverkusen. . Karim Bellarabi vom Fußball-Bundesligisten Bayer Leverkusen hat sich in seiner Karriere schon viele Schnitzer erlaubt. Nun aber hat der Deutsch-Marokkaner umgedacht - und sich so in den Kader der Nationalmannschaft gespielt.

Als er sich am Samstag als einer der letzten Werkselfkicker auf den Heimweg machte, drang ein unheilvolles Krächzen aus Karim Bellarabis Kehle. Leise zwar, doch weil es für eine Erkältung kaum einen schlechteren Zeitpunkt geben könnte als jetzt, beeilte sich der 24-jährige Senkrechtstarter der Saison mit dem Hinweis: „Kein Problem.“ Die Reise zur Fußball-Nationalelf kann also starten – zur deutschen wohlgemerkt. War der Sohn einer Deutschen und eines Marokkaners, der zudem einen ghanaischen Stiefvater hat, zuletzt doch auch von den Auswahltrainern Marokkos und Ghanas umgarnt worden.

Nun aber hat Bundestrainer Joachim Löw Nägel mit Köpfen gemacht und Bellarabi für die EM-Qualifikationsspiele in Polen (11. Oktober) und gegen Irland (14. Oktober) in den Kreis seiner Weltmeister berufen. Kommt der Leverkusener Bellarabi dabei zum Einsatz, ist eine Karriere als afrikanischer Nationalspieler für ihn gestorben.

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In der DFB-Auswahl muss sich der gebürtige Berliner auf der rechten Außenbahn mit Konkurrenten wie Thomas Müller, Mario Götze oder Marco Reus herumschlagen. Doch diese Problematik schob Bellarabi am Wochenende, als er Bayer per Last-Minute-Treffer ein 2:2 gegen Paderborn gerettet hatte, erst mal beiseite. „Ich freue mich riesig auf die Nationalmannschaft. Mein Bauchgefühl hat für Deutschland entschieden – aber ich liebe Marokko weiter wie bisher“, sagte er diplomatisch, ehe er leise nachschob: „Deutschland hat das beste Team, das ist eine große Herausforderung.“

Er hoffe, er habe richtig entschieden, sinnierte Bellarabi – und gestand: „Ein bisschen Anspannung ist dabei, weil ich viele dort noch nicht kenne.“ In dem Punkt ist ihm Max Kruse (26) ein Stück voraus. Seit seinem Debüt in der DFB-Auswahl im Mai 2013 kam der Gladbacher auf immerhin sechs Länderspiele, ehe ihm der Bundestrainer vor der WM die kalte Schulter zeigte. Nun ist Borussias Angreifer wieder in Löws illustren Kreis aufgenommen worden, machte sich für diese Aufgabe mit seinem schönen Führungstor beim sonntäglichen 1:1 gegen Mainz auch eindrucksvoll warm – und erwähnte ansonsten: „Das Verhältnis zwischen mir und Joachim Löw ist immer gut gewesen.“

Definitiv nicht so gut lief es für Karim Bellarabi bei seiner ersten Schleife unter dem Bayer-Kreuz von 2011 bis 2013. Aus dem März 2012 überliefert ist der für die Leverkusener Chefs ärgerliche Kommentar von Bellarabi („Ein großer Moment für mich“) – zu seinem Ehrentreffer beim peinlichen 1:7 in Barcelona, erzielt in der Nachspielzeit. In der Folgesaison warf den rasanten Angreifer dann eine langwierige Schambeinverletzung zurück – ehe am Ende einer unrunden Jahres als Leihspieler in Braunschweig bei ihm der Groschen fiel.

Zuspruch aus Leverkusen

„Ich habe mir vor der Saison vorgenommen, in diesem Jahr anzugreifen. So viele Chancen bekommt man nicht im Leben, deshalb habe ich mich privat schon lange vor dem Trainingsauftakt vorbereitet“, erzählt Bellarabi von seiner neuen Haltung – die auch seinen Vereinstrainer beeindruckte. „Karim hat vom ersten Tag an einen sehr guten Eindruck hinterlassen“, erzählt Roger Schmidt und erklärt: „Er hat aus unserer Spielidee seine Spielidee gemacht – und gemerkt, dass er nicht nur mit Ball schnell ist, sondern auch gegen den Ball.“

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Für Hakan Calhanoglu gehört Leverkusens Leuchtrakete sogar längst „in die Stammelf der Nationalmannschaft“. Fest steht, dass Calhanoglus Teamkollege im frühen mittleren Fußballeralter die Kurve gekriegt hat. In Braunschweig wurde Bellarabi, im schwierigen Bremer Stadtteil Huchting aufgewachsen, von Trainer Torsten Lieberknecht mal aus dem Kader geworfen, weil er zu spät zum Mannschaftsfrühstück kam. Und Bayer-Geschäftsführer Michael Schade räumt offen ein, dass es „im Vorfeld unterschiedliche Meinungen“ über den Rückkehrer gegeben habe.

Als Übungsleiter Schmidt Bellarabi jedoch die ersten Male im Training erlebt hatte, war die angedachte Weiter-Ausleihe schnell vom Tisch. „Er ist zwar nicht mehr der Jüngste“, sagt der 47-Jährige über seinen rasenden Mittelfeldspieler, prophezeit aber nichtsdestotrotz: „Er kann noch einen richtigen Sprung machen.“ Karim Bellarabi jedenfalls scheint bereit dazu. Für die deutsche U 20 und U 21 hat er bereits gespielt, jetzt betont er: „Alles, was ich mir vorgenommen habe, hat sich erfüllt. Aber ich bin noch in einer Lernphase – und will sehen, was ich da noch rausholen kann.“