Achenkirch. . Andre Breitenreiter verdreht die Augen, wenn vom Paderborner Fußball-Wunder die Rede ist. Der Aufsteiger will mit fünf Neuen den Klassenerhalt schaffen – anstatt auf gestandene Profis setzt der Trainer aber lieber auf junge Tribünengäste, die sich beim SCP entwickeln und anbieten können.

Das Touristenbüro in Achenkirch kündigt im Schaufenster das Wochenprogramm an: Die Bäckerei Adler lädt zum Schaubacken. In den Nachbarorten Maurach und Pertisau gibt es abends Platzkonzerte. Und dann ist aktuell noch die Fußball-Bundesliga im 2100-Einwohner-Dorf zu Gast.

Zwei Kurven hinter dem Touristenbüro parkt der Mannschaftsbus des SC Paderborn. Seit Montag bereitet sich der Aufsteiger auf die kommende Saison vor – bei richtigem Sauwetter: In Tirol regnet es seit Tagen, am Rand der Trainingsplätze haben sich kleine Pfützen gebildet. Andre Breitenreiter trägt bei der Vormittagseinheit deshalb eine Regenjacke. Paderborns Trainer studiert mit seinen Spielern Umschaltsituationen ein. In der Vorsaison war das die große Stärke seiner Mannschaft. Paderborn luchste den Gegnern den Ball ab und überrannte sie. Am Saisonende stürmten die Ostwestfalen zum ersten Mal in ihrer Vereinsgeschichte in die Bundesliga.

Marvin Ducksch kam vom BVB

Über diesen Erfolg redet Breitenreiter später im Restaurant des Teamhotels. Der 40-Jährige verdreht die Augen, wenn vom Paderborner Fußball-Wunder gesprochen wird. Für ihn gehört dieses Wort ins Alte Testament, nicht in den Profifußball. „Wir sind nicht zufällig aufgestiegen. Wir waren mit Köln die beste Mannschaft und haben deshalb auch die Berechtigung, in dieser Liga zu spielen“, erklärt Breitenreiter.

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Gleichwohl versteht er die Leute, die sein Team in einem Atemzug mit Greuther Fürth und Eintracht Braunschweig nennen. Mannschaften, die zuletzt überraschend aufgestiegen sind und sich mit einer miserablen Punktausbeute schnell wieder verabschiedeten. „Ich kann das verstehen. Wir haben im Etat einige Millionen weniger als der Vorletzte und zu Hause Trainingsbedingungen, die eigentlich nicht mal für die Dritte Liga taugen“, betont Breitenreiter.

Trotzdem will er die nächste „Sensation“ – dieses Wort passt ihm – schaffen und die Klasse halten. Mithelfen sollen dabei fünf neue Spieler. Breitenreiter und Manager Michael Born konnten und wollten keine gestandenen Profis nach Paderborn holen. Sie verpflichteten dafür Spieler wie Marvin Ducksch von Borussia Dortmund oder Lukas Rupp von Borussia Mönchengladbach, die bei ihren Vereinen zumeist auf der Bank oder Tribüne saßen. „Sie bekommen bei uns jetzt eine Plattform, um in der Bundesliga Fuß zu fassen“, erklärt Breitenreiter.

Der Trainer hat schon bewiesen, dass er Talente entwickeln kann. In der Vorsaison baute Breitenreiter Spieler ein, die von Regionalliga-Klubs nach Paderborn kamen. Alban Meha, Süleyman Koc oder Marc Vucinovic erzielten in der Endphase entscheidende Tore.

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Es gibt viele dieser Paderborner Geschichten, die Fußball-Romantikern gefallen dürften. Eine kann auch Lukas Kruse erzählen. Der Torwart kam in der Bischofsstadt zur Welt, spielte in der SCP-Jugend, war bei den Profis aber meistens nur Ersatz. Kruse verließ deshalb seinen Stammklub, fand aber weder in Dortmund noch in Augsburg sein Glück. Also ging er zurück nach Paderborn und wurde dort im zweiten Anlauf die Nummer eins. „Das ist unglaublich. Ich kann in der Stadt, in der ich geboren bin, demnächst Bundesliga spielen“, erzählt Kruse.

Der Torwart ist ein Einheimischer

Der 31-Jährige brauchte lange, um diesen Erfolg zu realisieren. „Nun ist aber wieder der Alltag eingekehrt“ erklärt Kruse. Der sieht in der Bundesliga etwas anders aus: Im Bekanntenkreis steigen die Nachfragen nach Tickets. „Bei uns gibt es ja nicht so viele“, sagt der Torwart. Zudem stehen für Kruse für ungewöhnliche Fotoshootings auf dem Programm. Vor dem Nachmittagstraining muss der Paderborner vor einem Kamin posieren. Am Anfang guckt Kruse noch etwas gequält, doch nach den ersten Fotos wird er lockerer. Für die Bundesliga bringt er gerne Opfer.