Paderborn. . Sie sind die Etat-Minimalisten, aber sie sind seit Sonntagnachmittag Fußball-Bundesligist. Die Kicker des SC Paderborn feierten nach dem 2:1-Sieg gegen den VfR Aalen als Tabellenzweiter der 2. Bundesliga den direkten Aufstieg und ein echtes Fußball-Märchen.

Dieser Versuch, das Unvermeidbare abzuwenden, ist lächerlich. Und Andre Breitenreiter weiß das. Alle Anwesenden im Medienraum der Arena wissen das. Also lacht der Trainer des SC Paderborn, als er mit gespielt drohender Stimme zu Marc Vucinovic sagt: „Du weißt, was nächste Woche...“ Weiter kommt er nicht, weil seine Nummer 20 bereits furchtlos hinter ihm steht und genüsslich den Inhalt eines vollen Bierglases in Breitenreiters Nacken laufen lässt.

Den Inhalt eines kleinen vollen Bierglases - immerhin. Obwohl das zu diesem Zeitpunkt herzlich egal ist. „Sieben bis acht Mal wurde ich bereits geduscht“, erklärt Breitenreiter. Und jedes Mal rauschen an diesem historischen Nachmittag mehrere Liter Gerstensaft über den Trainer. „Aber das gehört dazu. Es macht ja auch Spaß.“

Viel mehr Freude bereitet ihm und den Menschen im Stadion allerdings das, was seine Mannschaft zuvor perfekt macht. Mit 2:1 (2:1) gewinnen die Ostwestfalen gegen den VfR Aalen - und holen den Sieg, der Deutschlands größte Fußball-Sensation der jüngeren Vergangenheit wahr werden lässt: Den direkten Aufstieg des SC Paderborn in die Fußball-Bundesliga.

Mario Vrancic, Superstar

19 Minuten nach Fünf zeigen die Uhren in der Arena gestern Nachmittag an, als der mit seinem Spieleretat von sechs Millionen Euro vielleicht finanzschwächste Klub aller Erst- und Zweitligisten Geschichte schreibt, als Schiedsrichter Florian Meyer das Spiel abpfeift und den Rasen freigibt für Jubelszenen, welche Ostwestfalen für gewöhnlich nicht zugetraut werden. Ausgelassen tanzen und hüpfen Spieler, Trainer und Vereinsfunktionäre über das Spielfeld. Solange, bis fünf junge Damen riesige volle Biertulpen heran schaffen und die Jagd auf den Trainer eröffnet wird. „Aufstiegshelden“ prangt in großen Lettern auf den schwarz-blauen T-Shirts, welche sich die Paderborner in Nullkommanichts überstreifen.

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Bis es so weit ist, müssen sie allerdings gehörig zittern und kämpfen. „Jeder hat gesehen, dass es gar nicht so leicht ist, den letzten Schritt zu machen“, erklärt Andre Breitenreiter. Denn die Gäste gehen in der 9. Minute durch einen Treffer von Joel Pohjanpalo mit 1:0 in Führung. Und nach einer Führung verlor Aalen in dieser Saison nie zuvor. „Ein bisschen Bammel hatte ich schon“, gibt SCP-Torwart Lukas Kruse später zu.

Die Lage ist klar: Nur ein Sieg sorgt für den direkten Sprung ins Fußball-Oberhaus, ohne darauf schauen zu müssen, wie Verfolger Greuther Fürth gegen den SV Sandhausen spielt. Einer, der stets über die Ereignisse in Franken informiert ist, weil er über sein iPhone parallel zum eigenen Spiel diverse Live-Ticker im Internet verfolgt, ist Paderborns Manager Michael Born. „Ich habe nur in den letzten Minuten nicht mehr nachgeschaut“, erzählt der gebürtige Wittgensteiner irgendwann am späten Nachmittag gelöst.

Trainer Andre Breitenreiter hat einen Vertrag bis 2016 

Weil Mario Vrancic durch die geniale Vorbereitung des Ausgleichtores von Vucinovic (14. Minute) und durch seinen eigenen Treffer zur ersehnten 2:1-Führung (21.) endgültig zum Paderborner Aufstiegs-Gesicht wird, und Fürth ebenfalls schnell die Weichen auf Sieg stellt, liegt es an den Ostwestfalen, ihren Vorsprung zu verteidigen. „Wie wir das Spiel gedreht haben und dann gegen einen an diesem Tag besseren Gegner die Führung behauptet haben, sagt viel über den Charakter dieser tollen Mannschaft aus“, lobt Andre Breitenreiter.

Ob es Argumente geben könnte, nicht als Trainer dieser Truppe in der Bundesliga zu arbeiten, wird Breitenreiter später gefragt. Seit Wochen wird der 40-Jährige, den Born erst vor dieser Saison vom Viertligisten TSV Havelse verpflichtete, auf Grund des Erfolgs und des offensiven Spielstils seiner Elf als Kandidat bei mehreren Bundesligisten gehandelt. „Das ist die falsche Frage zum falschen Zeitpunkt. Heute wollen wir feiern und dann sehen wir weiter“, antwortet Breitenreiter erst ausweichend. Anschließend ergänzt er: „Ich habe einen Vertrag bis 2016 - und jetzt wird gefeiert.“

Abschlussfahrt nach Mallorca

Dieser Anweisung folgen seine Jungs, folgen die Verantwortlichen und die Fans. Ein Truck transportiert die Mannschaft am Abend von der Arena zum Rathausplatz in der Innenstadt, wo sie von 20 000 Fans erwartet wird. „Wir werden feiern, wie es Paderborn noch nie erlebt hat“, kündigt der Trainer an. „Ich arbeite nächste Woche nicht“, sagt Michael Born lachend.

Apropos nächste Woche: Von Dienstag bis Freitag fliegen sie nach Mallorca, die Partyborner. Vucinovic und Co. sollten sich vor ihrem Trainer in Acht nehmen.