Essen. Ob bei Schalke 04, Werder Bremen oder der TSG Hoffenheim: Bei vielen Bundesligaklubs hat die aktuelle Nummer eins keinen Bestandsschutz mehr. Ralf Fährmann hat sich gerade erst im Tor der Knappen etabliert. In der nächsten Saison muss er sich aber wohl erneut gegen einen Kontrahenten durchsetzen.
Auf dem Schulhof wurde der dicke Junge früher nicht gebraucht, sondern ins Tor abgeschoben. Der dicke Junge sah so sportlich aus wie Hoss Cartwright, rief aber laut, er sei Sepp Maier. Das war ihm wichtig. Maier stand für Stärke, Sicherheit, Konstanz. Der dicke Junge hätte sich auch einreden können, Nigbur oder Kleff zu sein, oder in späteren Generationen Schumacher oder Kahn. All diese Handwerksmeister prägten in ihren Klubs eine Ära.
Jahrzehntelang wurden Torhüter stattlich mit Trainervertrauen ausgepolstert, sie schienen Verträge mit dem Passus „Stammplatzgarantie bis zum Karriere-Ende“ unterzeichnet zu haben. Ein Torwart sollte Ruhe ausstrahlen und Ruhe haben. Er war unantastbar.
Diese Zeiten sind definitiv vorbei. Das Torwartspiel ist komplexer geworden, und animiert durch die Ungeduld von Vereinsbossen, Medien und Fans halten längst auch Trainer den Austausch eines Schlussmannes für ein modernes Mittel der Krisenbewältigung.
In dieser Winterpause fällt auf: Mehrere Vereine suchen noch eine Nummer eins für die Rückrunde oder haben, wie Schalke 04, bereits einen Wechsel vorgenommen und sogar schon Weichen für die nächste Saison gestellt. Ein Überblick.
Konkurrenzkampf auf Torhüterposition hält beim FC Schalke 04 wohl an
Nach Manuel Neuers spektakulärem Transfer nach München hatte Schalke im Sommer 2011 mehrere Optionen. René Adler? War in Leverkusen zu lange schwer verletzt, eine unsichere Variante. Tim Wiese? Mit triefendem Gel und pinkfarbenem Trikot vor der Nordkurve – schwer vermittelbar. Kevin Trapp? Ideal aus Sicht des damaligen Trainers Ralf Rangnick – Kaiserslautern rief aber neun Millionen Euro Ablöse auf, deutlich zu viel für ein Talent.
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Schalke versuchte es mit Ralf Fährmann, nach dessen schwerer Verletzung mit Lars Unnerstall und Timo Hildebrand. Erst jetzt ist Fährmann tatsächlich die Nummer eins, ab Sommer aber wird er sich der Konkurrenz des aus Düsseldorf kommenden Fabian Giefer stellen müssen.
Sebastian Mielitz verspielte bei Werder Bremen viel Kredit
Sebastian Mielitz gilt als einer der Verlierer der Hinrunde: zu viele Patzer, zu viele Gegentore. Raphael Wolf durfte ihn ersetzen, im Trainingslager in Spanien rief Trainer Robin Dutt nun ein Ausscheidungsduell aus. Die Rivalen führen es auch mit Worten. „Im Moment fällt mir nichts ein, was gegen mich spricht“, sagt Wolf. „Wegen mir hat Werder einen Nationaltorhüter ziehen lassen“, sagt Mielitz und meint Tim Wiese, der von der Nationalelf gerade so weit entfernt ist wie ein Kenianer vom Skisprung-Olympiasieg.
Rotation im Tor von Hertha BSC
Thomas Kraft verletzte sich. Am letzten Hinrundenspieltag, beim beeindruckenden 2:1-Erfolg in Dortmund, debütierte der 18-jährige Marius Gersbeck – und hielt den Überraschungssieg fest. Dann verletzte sich auch Gersbeck, Hertha holte den Norweger Rune Jarstein. Der prompt über Oberschenkelprobleme klagte. Ende offen.
Torhüter-Dreikampf beim FSV Mainz 05
Trainer Thomas Tuchel hat Heinz Müller ins Regionalliga-Team geschickt – dennoch bewerben sich drei Torhüter um den Platz in der ersten Elf. Routinier Christian Wetklo und Talent Loris Karius müssen sich auch mit dem von Lokomotive Moskau gekommenen Kroaten Dario Kresic messen. Konfliktpotenzial eingeschlossen.
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Schlussmann des Hamburger SV muss das Gehäuse vernageln
Ist René Adler gesund, gilt er als gesetzt, obwohl der Nationaltorwart in der Hinrunde nicht gerade faszinierend gehalten hat. Seit Wochen quält ihn nun eine Knöchelverletzung, noch immer nimmt er nicht am Mannschaftstraining teil. Jaroslav Drobny wird ein paar Bretter besorgen und das HSV-Gehäuse vernageln müssen: 38 Gegentore bedeuten zur Saisonhalbzeit einen Besorgnis erregenden Ligarekord.
Gisdol lässt Torhüterfrage bei 1899 Hoffenheim offen
Diesen Negativrekord teilt sich der Hamburger SV mit 1899 Hoffenheim. Der Belgier Koen Casteels startete stark in die Saison, ließ dann aber auch stark nach und musste gegen Ende der Hinrunde seinen Platz für Jens Grahl räumen. Die Torhüter, hat Trainer Markus Gisdol in der Winterpause erklärt, „fangen wieder bei null an“.
Für einen gilt das nicht. Tim Wiese bleibt aussortiert. Er wird sich trotzdem nicht vorkommen wie der dicke Junge auf dem Schulhof. Der durfte wenigstens mitspielen.