Bremen. . Das Sturmtief „Xaver“ hat Bremen überstanden, den fußballerischen Orkan nicht. Die 0:7 (0:3)-Abreibung gegen den Tabellenführer FC Bayern München ist ein Tiefpunkt und die höchste Bremer Heimniederlage der Bundesliga-Geschichte.

Thomas Eichin hatte schon am Samstagmorgen „ein ungutes Gefühl“. Über die norddeutsche Tiefebene hatte sich eine dünne Schneeschicht gelegt, das Thermometer war auf den Gefrierpunkt abgesackt, als der Manager beim SV Werder gewahr wurde, dass die Profis des FC Bayern knapp fünf Stunden vor dem Fußball-Bundesligaspiel in Bremen nichts Besseres zu tun haben würden, als noch einmal zu trainieren.

Pep Guardiola hasst es nämlich, die freie Zeit im Hotel zu verplempern, „da ist Langeweile, die Spieler liegen im Bett, spielen am Computer.“ Also scheucht der Spanier seine Stars lieber noch einmal im Freien herum, „das habe ich in Barcelona auch gerne gemacht“.

Um kein Tor zu hoch

Den perfektionistischen Ansatz ihres katalanischen Lehrmeister haben die übermächtigen Münchner längst verinnerlicht: Und wenn sie von der ersten bis zur letzten Minute auf Betriebstemperatur agieren, kommt eben etwas heraus, was Eichin hinterher kleinlaut als „Demontage“ bezeichnet.

Der Hausherr kassierte eine 0:7 (0:3)-Abreibung, die um kein Tor zu hoch ausfiel und die höchste Bremer Heimniederlage der Bundesliga-Geschichte markierte – bislang manifestierte ein 1:7 vom 21. März 1987 gegen Borussia Mönchengladbach den Tiefpunkt. Im Vorfeld des längst arg ungleichen Klassikers hatte zwar in der Nacht zu Freitag zu der Sommerdeich vor dem Weserstadion gehalten, die von Orkantief „Xaver“ in die Weser gedrückte Flutwelle zu bändigen – in der Spielstätte selbst brachen am Samstagnachmittag eingedenk des bayrischen Sturmwirbels alle Dämme. „Wir haben richtig auf die Fresse bekommen“, entfuhr es Kapitän Clemens Fritz an seinem vermiesten 33. Geburtstag, „das darf auch gegen so eine brillante Mannschaft nicht passieren.“ Fritz sprach vom frustrierendsten Moment innerhalb seines mehr als siebenjährigen Wirkens an der Weser.

Hoeneß vor jeder Kamera

So wie sich die vor drei Jahren noch in der Champions League gelisteten Grün-Weißen rückwärts entwickelt haben, schreiten die Roten vorwärts. „Es war das erste Mal in der Saison, dass wir ein gutes Positionsspiel gemacht haben“, stellte Guardiola fest, „ich bin sehr stolz.“

Der ohne Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Arjen Robben erledigte Vorführeffekt beim einst zähesten Widersacher und immerhin Zweiten der Ewigen Tabelle, der den Münchnern so oft die Lederhosen ausgezogen hat, versetzte Uli Hoeneß in solche Hochstimmung, dass das präsidiale Oberhaupt trotz der Schmähungen der Werder-Fans („Hoeneß in den Knast“) von Kamera zu Kamera stapfte, um ein Statement abzugeben. „Das ist die Kunst des großen Trainers, aus 20 tollen Spielern eine tolle Mannschaft zu machen. Man kann das alles sehr genießen.“

Bisweilen standen den Zuschauern bei den einstudierten Ballstafetten, die nach dem Eigentor von Assani Lukimya (21.) durch Daniel van Buyten (27.), Franck Ribéry (38./82.), Mario Mandzukic (60.), Thomas Müller (68.) und Mario Götze (90.) veredelt wurden, die Münder offen. Für keinen Gegentreffer konnte der neue Torwart Raphael Wolf etwas, und nicht mal die Kraft zum Pfeifkonzert brachte das hanseatische Publikum auf.

„Kein normales Spiel“, wollte Eichin gesehen haben und empfahl, rasch einen Haken hinter die Lehrstunde zu machen, um die Kräfte für die Partie bei Hertha BSC zu bündeln. Trainer Robin Dutt hielt noch auf dem Rasen eine Ansprache. „Wir müssen die Ohren auf Durchzug schalten“, forderte der Trainer, „auch wenn wir einstecken und uns beleidigen lassen müssen.“ So weit ist es mit Werder gekommen.