Leverkusen. . Beim Champions-League-Teilnehmer Bayer Leverkusen hat Sami Hyypiä jetzt alleine das Kommando. Er muss einen größeren Umbruch als gedacht bewältigen, bleibt aber ruhig. Der Finne passt zu seinem Verein: Bayer 04 spielt seit Jahren oben mit, die Schlagzeilen machen andere.
Es gibt eine Geschichte über Sami Hyypiä, die klingt, als habe sie sich jemand ausgedacht, um zu beschreiben, was für eine Sorte Mann dieser Finne ist. Die Geschichte spielt zu seiner Zeit als Fußball-Profi in Liverpool. Hyypiä, dieser baumlange Abwehrspieler, war gerade aus Finnland auf die Insel gewechselt und er hatte gehört, dass Liverpool das ist, was die Engländer „rough“ nennen: eine raue Stadt.
Die Geschichte also: Hyypiä saß mit einem Freund im Restaurant, als draußen Schüsse fielen. Er ging instinktiv in Deckung, duckte sich weg wie die anderen. Und aß dann, als die Polizei eingetroffen war, ruhig weiter.
Man weiß nicht genau, ob sich alles genau so ereignet hat, Menschen neigen ja dazu, Geschichten im Laufe der Jahre auszuschmücken. Sami Hyypiä ist also offenbar ein Kerl mit guten Nerven. Ihn selber braucht man dazu nicht zu befragen, er wischt die Geschichte mit einer Handbewegung vom Tisch und lächelt, als ob er sagen wollte: ach, was man so erzählt.
Vor vier Jahren kam Sami Hyypiä nach Deutschland. Er spielte zum Ausklang seiner Karriere noch für Bayer Leverkusen. Als es zu Ende sein sollte, ist er vor etwas über einem Jahr Trainer geworden, zusammen mit Sascha Lewandowski. Die Idee der Leverkusener nach der Entlassung von Robin Dutt war, es ein paar Wochen lang mit einem Duo zweier gleichberechtigter Männer zu versuchen: Mit Hyypiä, dem einstigen Weltklasse-Verteidiger, den die Spieler respektieren. Mit Lewandowski, dem Jugendtrainer, der das theoretische Rüstzeug besaß. Und den Trainerschein.
Auch Hyypiä hat den Schein inzwischen gemacht und in Leverkusen hat man sich entschieden, ihn jetzt alleine machen zu lassen. Es gab immer wieder Gerüchte, dass es in der Konstellation mit zwei gleichberechtigten Chefs gehakt habe. Dass es manchmal schwierig war, räumt Hyypiä ein: „Aber das gilt für alle Bereiche des Lebens. Ich werde nichts Schlechtes über Sascha sagen, wir hatten eine gute Zeit.“ Wenn Hyypiä das Wort Sascha ausspricht, könnte man auf einen falschen Gedanken kommen. Er sagt in seinem skandinavischen Singsang „Sassa“, es klingt wie das Ende von Tausendsassa, es klingt niedlich.
Sami Hyypiä ist nicht niedlich. Er ist ein Baum von einem Mann, als Fußballer war er ein Fels, an dem ein ganzer Sturm anbranden und zu Gischt brechen konnte. Hyypiä hat in Liverpool gespielt, in einer Mannschaft so „rough“ wie ihre Stadt. Er ist gefeiert worden wie ein König, weil er die Engländer mit seiner Einstellung mitgerissen hat. „Workethic“, sagen sie auf der Insel. Ethik ist ein großes Wort, aber bei Hyypiä trifft es: „Manchmal“, erinnert er sich, „kam der Coach im Training zu mir und sagte: Sami, mach ruhiger, ein bisschen langsamer. Aber ich konnte nicht. Einhundert Prozent oder gar nichts. So war ich.“
So ist er wohl noch immer. Über seine Vorbereitung mit Bayer Leverkusen ist geschrieben worden, sie sei hart. Hyypiä lacht darüber, aber ein bisschen ärgert ihn das auch: „Wenn das meine Freunde in Finnland hören, werden sie sagen: Was ist mit Sami passiert? So kennen die mich nicht.“
Sami Hyypiä ist ein höflicher, zurückhaltender Mensch, er spricht ungern über sein Privatleben, man weiß, dass seine Frau Springreiten mag und er deshalb Pferde besitzt. Es gibt keine Skandalgeschichten, er steht generell ungern im Blickpunkt. „Als Spieler musste ich das manchmal“, sagt er, „aber das bin nicht ich. Ich mag meine Ruhe.“
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Er wohnt in der Nähe von Köln, er wohnt ländlich, er geht selber einkaufen und es gefällt ihm, dass ihn im Supermarkt im Örtchen kaum jemand auf Fußball anspricht.
Fast die gesamte Abwehr ist weg
So gesehen passt er wohl ganz gut nach Leverkusen. Bayer 04 spielt seit Jahren oben mit, die Schlagzeilen machen andere. Im Vorjahr ist man Dritter hinter den Bayern und Dortmund geworden, mit Hyypiä und Lewandowski. Auch eine Art von Meisterschaft in einer Liga, in der die großen zwei immer weiter zu enteilen drohen. Platz drei ist nun der Maßstab, doch nach der Saison hat Bayer mit Manuel Friedrich, Michal Kadlec und Daniel Carvajal fast die komplette Abwehr verloren, auch Andre Schürrle ist gegangen. Hyypiä gefällt das nicht, aber er hält sich öffentlich zurück. Er muss eine ganze Reihe neuer Spieler einbauen, der bekannteste Neue ist Heung-Min Son vom Hamburger SV. Sami Hyypiä mahnt neue Spieler an, er tut das dezent ohne zu verschweigen, dass er Bedarf in jedem Mannschaftsteil sieht: „Wir spielen jetzt in der Champions League und nicht mehr in der Europa League.“
Sami Hyypiä wird das anpacken, er wird versuchen, Bayer Leverkusen mit ernsthafter Arbeit oben zu halten. Er wird Motocross fahren, weil das seinen Kopf frei macht, er wird unerkannt einkaufen gehen und sich freuen, wie entspannt das Leben im Rheinland sein kann.
Und er wird sich, so oder so, nicht wegducken.