Duisburg.. Joachim Hopp kam Anfang der 90er-Jahre in die Profimannschaft des MSV Duisburg. Er malochte morgens in der Frühschicht am Hochofen bei Thyssen und räumte samstags im Zebra-Trikot gegen Bayern München auf. Die Anekdoten aus vergangenen Bundesliga-Zeiten erzählt der 46-Jährige mit großem Vergnügen.
Männer wie er waren schon damals selten in der Fußball-Bundesliga. Joachim Hopp kam Anfang der 90er-Jahre in die Profimannschaft des MSV Duisburg, biss sich fest und blieb fast zehn Jahre. Er malochte in der Frühschicht am Hochofen bei Thyssen, und samstags kochte er im Zebra-Trikot auf dem Rasen Stars wie Stefan Effenberg ab.
Sein Alltag funktionierte so: Am Anfang von Hopps Karriere siegte der MSV einmal 5:1 bei Werder Bremen. „Zwei Minuten vor Schluss hätte ich das 6:1 machen müssen“, sagt Hopp. Aber der Ball rauschte über die Latte. Ab in den Mannschaftsbus und zurück nach Duisburg. Seine Kollegen schliefen aus, er ging um 5.30 Uhr zur Schicht. „Um acht Uhr ruft mich dann der Direktor ins Büro“, so Hopp weiter. „Ich dachte: Hast du was ausgefressen? Und dann fragt mich der Direktor. Warum hast du das Tor in Bremen nicht gemacht?“
Trainer des Oberligisten 1. FC Wülfrath
Hopp ist mittlerweile 46 Jahre alt, trainiert den Oberligisten 1. FC Wülfrath, wohnt in Meiderich drei Straßen hinter dem MSV-Trainingsgelände und erzählt die Anekdoten aus den vergangenen Bundesliga-Zeiten mit großem Vergnügen.
Zum Beispiel die vom Auswärtsspiel bei Dynamo Dresden. Ewald Lienen war damals Trainer. Lienen war der Mann, der auf Ernährung wert legte und für den der Teufel persönlich Coca Cola erfunden hatte, um die Spieler mit Zucker vollzupumpen. Die Mannschaft saß am Abend vor dem Spiel beim Essen, die Kellner räumten ab, und Hopp bestellte eine Sahnetorte. „War ein Spaß“, sagt er. Der Spaß funktionierte. Als die Kellner die Torte brachten, sprang Lienen mit rotem Kopf auf und brüllte: „Welcher von euch Amateuren hat das bestellt?!“
Der Rest ging im Gelächter unter, und auf Lienen lässt Hopp heutzutage nichts kommen. „Er war der einzige Trainer, mit dem du über alles diskutieren konntest“, sagt er. „Ich ernähre mich heute noch nach den Grundlagen, die er uns vermittelt hat. Und gewonnen haben wir in Dresden auch. 1:0, durch einen Elfer von Peter Közle.“
Tanz auf der Rasierklinge
Mit Peter Közle bildete Hopp in den 90er-Jahren nicht nur auf dem Platz ein Gespann: Beide Profis waren oft in der Stadt unterwegs. „Der Peter war zwischen Genie und Wahnsinn“, so Hopp. Stürmer Közle, ein gebürtiger Bayer, kam damals aus der Schweiz zum MSV und mischte die Bundesliga auf. Lange, schwarze Haare, Tore am Fließband und immer einen Spruch auf den Lippen. „Ein Tanz auf der Rasierklinge“, findet Hopp im Rückblick.
Beide wohnten damals fast nebeneinander im Duisburger Stadtteil Beeck, also ging es von dort gemeinsam in die Disco. „Es war nach einem Spiel gegen die Bayern, Peter hatte einen Elfmeter verballert, und schon in der ersten Kneipe bekam er Ärger mit ein paar Fans. Zu mir waren die Fans immer nett“, sagt Hopp. „Also bin ich hin und habe geschlichtet. Wenn ich mit Peter Közle in der Stadt unterwegs war, dann ziemlich häufig als eine Art laufender Feuerlöscher auf zwei Beinen.“
Trotzdem ist der Bayer Közle dem Ruhrpott nach der Karriere treu geblieben. Er wohnt mittlerweile in Bochum. „Ab und an treffen wir uns“, erzählt Hopp. „Mit Peter kriegst du immer viel zu lachen.“
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Profis, die nach dem Spiel in die Disco gehen? Heute kaum mehr vorstellbar. „Ist eben alles anders geworden im Fußball.“ Hopp schüttelt bei dem Satz seinen Kopf.
War früher demnach alles besser? „Anders“, antwortet er. „Es war einfach anders.“
Etwa bei Vertragsverhandlungen. Heute kommt ein 16-jähriger Auswahlspieler gleich mit einem oder zwei Beratern zu den Klubs, bei seinem endgültigen Schritt in den Profibereich war Hopp alleine im Büro des damaligen MSV-Präsidenten Dieter Fischdick.
Das Gespräch muss man sich ungefähr so vorstellen:
Hopp: Guten Tag, Herr Fischdick.
Fischdick: Tag Hoppi, was ist?
Hopp: Ich war doch bei Thyssen zuletzt frei gestellt für den MSV. Die Freistellung läuft jetzt aus.
Fischdick: Und?
Hopp: Ich wollte fragen, wie wir jetzt weiter machen?
Fischdick: Neuer Vertrag?
Hopp: Ja, wäre gut.
Fischdick: Ok. Ein Joachim Hopp würde bei mir immer spielen. Machen wir einen neuen Vertrag. Wie lange? Drei Jahre?
Hopp: Ok.
Fischdick (nimmt ein Blatt Papier): Ich schreibe hier mal drei Zahlen auf, ist das Gehalt für jedes Jahr. Gut so?
Hopp (blickt auf den Zettel): Alles klar, machen wir.
Dann schütteln sich beide die Hände, Vertragsverhandlungen erledigt.
Doch fünf Tage später stirbt Fischdick auf einer Pressekonferenz des Klubs an einem Herzinfarkt. Niemand findet mehr den Zettel, auf dem er die Fakten für den Vertrag notiert hat.
Damals kein Problem: Beim MSV wussten die anderen von dem Gespräch, so Hopp. „Ich habe ihnen die Zahlen genannt, sie haben den Vertrag genauso aufgesetzt, und die Sache war erledigt.“
Es waren andere Zeiten. Und Männer wie Hopp gibt es heute in der Bundesliga überhaupt nicht mehr.