Hamburg. . Trainer Thorsten Fink von Fußball-Bundesligist Hamburger SV macht sich weiter Hoffnungen auf eine Verpflichtung von Rafael van der Vaart. Der Niederländer könnte helfen, beim die große Lücke zwischen Erwartungen und Realität ein wenig zu schließen.
In der schönen Heimatstadt der oftmals so kühl-rationalen Hamburger Kaufleute herrschte am Donnerstag erhebliche Aufregung. War etwa die 500 Millionen Euro teure Elbphilharmonie plötzlich früher als erwartet (aber weitaus später als geplant) fertig geworden? Schipperte wieder mal ein neu gebauter Riesen-Luxusliner durch die Hafen-City? Oder überraschte die Amüsier-Meile Reeperbahn mit einem neuen Preismodell? Weder noch. Der Hamburger SV, des Hamburgers liebster Verein, hatte am Mittag zu einer Pressekonferenz eingeladen. Und zwar zu einer außerordentlichen Pressekonferenz.
Nach dem kurzfristigen Verkauf des teuersten HSV-Spielers Paolo Guerrero konnte es da doch nur ein Thema geben: Die Hamburger holen ihren verlorenen Sohn Rafael van der Vaart endlich zurück an Elbe und Alster. Ganz so kam es dann aber nicht: Der HSV präsentierte die eher wenig aufregenden Pläne für eine Fan-Anleihe und ein neues Jugendleistungszentrum. Ein niederländischer Star für den Profikader? Fehlanzeige.
Der HSV hatte seine Fans wieder einmal enttäuscht. Erwartungen und Realität lagen – wie so oft in den letzten Jahren – sehr, sehr weit auseinander.
Platz 4 – unter den Nordklubs
Am 24. Juli feiert der Traditionsverein groß Geburtstag. 125 Jahre wird der HSV alt. Der FC Barcelona, derzeit wohl größter Klub der Welt, läuft in der norddeutschen Metropole auf. Der HSV war mal mit Europas Großen auf Augenhöhe, gewann 1983 sogar den Vorläufer der Champions League. Ein Erfolg, an den sich die Fans ebenso gerne erinnern, wie an die sechs Meistertitel und die drei Pokalsiege. Aber: Der HSV hätte in der neuen Spielzeit fast nach Sandhausen, Aue und Ingolstadt reisen müssen. Vergangene Saison drohte der Abstieg. „Da sind wir noch mal mit einem blauen Auge davon gekommen. Jetzt will es jeder besser machen“, sagte Trainer Thorsten Fink dieser Zeitung.
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Den hatten die Hamburger letzte Saison mit großen Erwartungen geholt. Fink hatte mit dem FC Basel in der Champions League überrascht, er sollte als Ex-Bayern-Profi das süddeutsche Sieger-Gen nach Hamburg bringen. Auch hier lagen Erwartungen und Realität weit auseinander. Fink hielt das letzte nie abgestiegene Gründungsmitglied gerade mal in der Bundesliga. Im Jubiläumsjahr des HSV (125 Jahre) und der Liga (50 Jahre) dürfen die Hamburger weiter bei den deutschen Größen mitspielen.
Die Erwartungen der Fans sind deshalb jetzt bescheiden. Sie rechnen, ganz sarkastisch, mit Platz 4 – also unter den Nordklubs der Liga. Bremen, Wolfsburg und auch Hannover sind längst vorbeigezogen. Thorsten Fink sieht das Saisonziel deshalb erschreckend realistisch: „Wir brauchen noch Erfahrung im Kader und Verstärkungen, sonst werden wir um den zehnten Tabellenplatz spielen.“ Der Hamburger SV, der Umsatzriese, der Zuschauerriese, tummelt sich zwischen Nürnberg, Freiburg und Mainz.
„Natürlich ist Potenzial für mehr da. Die Stadt, das Stadion, die Infrastruktur, die Fankultur. Als großer Traditionsverein gehört der HSV nach Europa. Da wollen wir ihn auch wieder hinbringen und so langsam finden wir hoffentlich zu alter Stärke. Aber wir dürfen nichts übers Knie brechen. Wir haben im Moment kein Geld“, gesteht Fink.
Mit dem Trainer und Sportdirektor Frank Arnesen ist zumindest wieder personelle Kontinuität in den Leitungspositionen eingekehrt. Denn der HSV war zuletzt ein Jahreszeitenverein: Trainer, Spieler und Sportdirektoren kamen. Und gingen. Die zahlreichen Entlassungen, Abfindungen, Käufe, Verkäufe und Strategiewechsel haben zu viel Geld gekostet.
René Adler bringt Erfahrung
Fink und Arnesen bauen den Kader langsam um, haben ihn stetig verjüngt. „Und da sind jetzt ein paar Juwelen dabei“, sagt Fink. Der hat in Basel bewiesen, dass er Nachwuchsspieler weitentwickeln kann. Wie Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka, die gerade den Weg in die Bundesliga gefunden haben. Finks nächstes Entwicklungsprojekt: Maximilian Beister (21). „Der ist hungrig. Der will nach oben. Der lässt sich nichts gefallen.“
Großverdiener wie Mladen Petric, David Jarolim und Paolo Guerrero wurden abgegeben. Jetzt ist der älteste Feldspieler 28 Jahre alt. Ex-Nationaltorwart René Adler (27) ist der prominenteste Neuzugang. Er soll Erfahrung in den Kader bringen. Und Führungsspieler werden. Eine Rolle, die den Verantwortlichen auch für Rafael van der Vaart vorschwebt. Der 29-jährige Star von Tottenham würde nicht nur das schwarze Loch im zentralen offensiven Mittelfeld schließen, sondern wäre mit seiner Routine und Klasse auch Anführer im juvenilen Kader. „Er würde uns sehr helfen“, sagt Fink. Und mit dem Niederländer feierte der HSV 2006 auch seine letzten Achtungserfolge in der Champions League.
So weit will im Moment aber noch niemand denken. Platz 3 wäre mal ein Anfang, also Platz 3 in der Tabelle der norddeutschen Bundesliga-Klubs.