Frankfurt. Das Urteil über das Relegationsspiel zwischen Fortuna Düsseldorf wird auf Montag vertagt. Das entschied der Vorsitzende des DFB-Sportgerichts, Hans E. Lorenz, nach einer rund sechseinhalbstündigen Verhandlung am Freitagabend.
Schiedsrichter Wolfgang Stark hat nach dem unter skandalösen Umständen beendeten Relegationsrückspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC (2:2) schwere Vorwürfe gegen einige Berliner Fußball-Profis erhoben.
"Der Spieler Lewan Kobiaschwili hat mit ausgestreckter Faust in meine Richtung geschlagen. Ich habe mich weggeduckt, bin dann am Hinterkopf getroffen worden. Einzig das Treppengeländer verhinderte einen Sturz, und das wären fünf bis sechs Meter gewesen", sagte der Referee aus Ergolding während der Verhandlung des Berliner Einspruchs gegen die Spielwertung vor dem DFB-Sportgericht am Freitag in Frankfurt/Main.
Die Behauptung der Berliner Verantwortlichen, die Spieler hätten beim verfrühten Platzsturm der Fortuna-Fans Todesangst gehabt, wies Stark darüber hinaus zurück. "Wenn man unmittelbar nach dem Schlusspfiff so massiv und gezielt auf das Schiedsrichter-Team losgehen kann, stellt sich die Frage nicht, ob die Spieler Todesängste ausgestanden haben", sagte Stark in seiner Aussage während der Verhandlung des Berliner Einspruchs gegen die Spielwertung vor dem Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).
Berliner Torhüter Kraft berichtete von Tränen der Angst
Hertha-Torhüter Thomas Kraft erzählte allerdings eindringlich eine andere Version der Geschichte. "Speziell Raffael und Ronny hatten Tränen in den Augen. Das waren keine Abstiegstränen. Da war die Angst vieler, was mit ihren Kindern auf der Tribüne passiert. In jedem Kopf war die Angst da. Es wäre kein Eckball mehr möglich gewesen, ohne dass einer einen angepackt hätte. Ich hatte den Gedanken: Was passiert mir in dem Stadion?"
Kapitän Andre Mijatovic ergänzte: "Keiner von uns hat mehr an Fußball gedacht. Das war eine neue Situation im Fußball. Das hatte nichts mit Fußball zu tun."
"Aufs Schärfste attackiert und am Arm gepackt worden"
Bereits zuvor hatte Schiedsrichter Stark von tätlichen Angriffen und üblen Beschimpfungen seitens der Herthaner Profis nach dem Abpfiff berichtet.
Medienberichten zufolge hatte der Unparteiische den Georgier Kobiaschwili noch in der Kabine wegen Körperverletzung angezeigt. Dazu äußerte sich Stark zunächst nicht.
Von Christian Lell sei er zudem "aufs Schärfste attackiert und am Arm gepackt worden", sagte Stark. "Die Beleidigung, die dabei gefallen ist, war: Du feiges Schwein!" Auf dem Weg zur Schiedsrichterkabine seien die Unparteiischen dann von weiteren Spielern von Hertha BSC abgefangen worden. André Mijatovic habe ihn als "Wichser" bezeichnet.
Die Berliner hätten "die Kabine stürmen" wollen. "Wir mussten die Türen immer wieder zudrücken. Ich konnte Mijatovic und Kraft (Torhüter Thomas Kraft, d. Red.) erkennen. Dabei fielen weitere Beleidigungen: "Stark, Du Arschloch!" Ich hatte Angst und war den Tränen nahe und musste mir auf die Lippen beißen. So etwas habe ich noch nicht erlebt", sagte der 42 Jahre alte FIFA-Schiedsrichter.
"Ich hatte Angst und war den Tränen nahe"
Er habe, sagte Stark, nach einer 20-minütigen Unterbrechung wegen des verfrühten Platzsturms der Düsseldorfer Fans von der Polizei grünes Licht für die Fortsetzung bekommen. Daraufhin habe er Hertha-Manager Michael Preetz, dem Fortuna-Trainer Norbert Meier und den beiden Spielführern mitgeteilt, dass "noch eineinhalb Minuten" zu spielen seien. "Ich habe das Spiel nicht abgepfiffen, sondern lediglich unterbrochen", sagte Stark.
Am Freitag wird vor dem Sportgericht nur verhandelt, ob es ein Wiederholungsspiel geben wird oder nicht. Persönliche Strafen sollen später ausgesprochen werden.
Berlin und Hertha führten zunächst gegenseitigen Regelkampf
Zu Beginn der Verhandlungen am späten Freitagmittag hatte der Anwalt von Hertha BSC, Christoph Schickhardt, das Wort: Er beantragte die Aufhebung der Spielwertung. Es sei notwendig das Spiel entweder für Berlin zu werten, oder eine Wiederholung anzusetzen, forderte Schickhardt laut Live-Medienberichten. Demnach gab Hertha BSC die regelwidrige "Schwächung einer Mannschaft durch unabwendbare äußere Einflüsse" als wesentlichen Grund für den Einspruch an.
Im Fokus der Hertha-Argumentation stand vor allem der unkontrollierbare Ansturm von Fortuna-Fans gegen Ende des Relegationsspiels. Für Anwalt Schickhardt ging es dabei nicht darum, die Schuldfrage zu klären. Es gehe nur um die Zurechenbarkeit von Zuschauerverhalten.
Für Fortuna Düsseldorf war dagegen ein völlig anderer Ansatz von Bedeutung. Fortuna-Anwalt Horst Kletke verwies in seinem Plädoyer auf Regel fünf. Demnach liegt es im Ermessen des Schiedsrichters, eine Partie zu unterbrechen oder ganz abzubrechen. "Das ist der Punkt, um den es hier gehen muss", betonte der Rechtsanwalt. Zudem habe es keine Sicherheitsbedenken gegeben, weshalb sich auch niemand tatsächlich bedroht gefühlt haben könnte. (DerWesten/sid/dapd)