Essen. Ein Blick in die Statistik zeigt, welche Auswirkungen Geisterspiele und die Corona-Pause auf den Bundesliga-Fußball haben. Manches überrascht.
Fußball ohne Fans macht keinen Spaß. Darüber sind sich fast alle einig. Doch wer gedacht hat, dass die Spieler vor fast leeren Rängen weniger rennen und kämpfen, der irrt. „Tendenziell hat die Aggressivität der Profis in den Geisterpartien deutlich zugenommen“, sagt Dustin Böttger im Gespräch mit der Redaktion. Seine Firma Global Soccer Network beliefert diverse Bundesligisten wie zum Beispiel RB Leipzig mit Fußball-Daten. Der 35-Jährige verweist auf die Foulstatistik. An den ersten 24 Spieltagen waren es im Schnitt 24 Fouls pro Spiel. Mittlerweile sind es 26 pro Partie. Ein kleiner Anstieg, aber ein Anstieg.
Veränderung bei Laufleistung und Sprints
Aber die Profis kämpfen nicht nur mehr, sie spulen auch zusätzliche Kilometer ab: „Sowohl die Durchschnittslaufleistung der Spieler als auch die Zahl der Sprints hat sich leicht erhöht.“
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Nach Dustin Böttgers Erhebungen lag die durchschnittliche Laufleistung einer Bundesliga-Mannschaft vor Corona in dieser Saison bei 112,61 Kilometern pro Spiel. Jetzt sind es 115,64. Die Zahl der Sprints stieg durchschnittlich von 213,30 auf 226,49 an. Die Spieler laufen also im Schnitt rund drei Kilometer mehr und machen etwa 13 Sprints mehr.
Jonas Hummels: "Unterschiedliche Gründe"
Dass man vor weniger Zuschauern nicht automatisch auch weniger rennt, kann Jonas Hummels aus eigener Erfahrung berichten. In seiner Profi-Zeit bei der SpVgg Unterhaching (bis 2016) spielte der DAZN-Kommentator in der 3. Liga sowohl vor größeren als auch vor kleineren Kulissen. „Mich hat es nie negativ beeinflusst, wenn weniger Zuschauer im Stadion waren“, sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion. „Im Gegenteil: Wenn viele Fans in der Kurve stehen und jeden Pass mit einem Raunen begleiten, dann kann das sogar ziemlich anstrengend sein, weil der Puls hochschnellt.“
Der 29 Jahre alte jüngere Bruder von BVB-Profi Mats Hummels (31) glaubt, dass es „viele unterschiedliche Gründe“ für den hohen Laufeinsatz geben kann: „Eventuell hat der eine oder andere Spieler im Hinterkopf, dass nun fünf Auswechslungen möglich sind und er früher raus darf.“
Wegfall des Heimvorteils?
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Nach Dustin Böttgers Auswertungen haben Zuschauer zwar weniger Einfluss auf die Laufleistung, dafür aber umso mehr auf das taktische Verhalten. „Ohne das gegnerische Heimpublikum treten die Auswärtsteams viel selbstbewusster auf und riskieren mehr“, erklärt Böttger: „Sie attackieren tendenziell viel früher, pressen intensiver und erspielen sich deutlich bessere Chancen als in der Zeit vor Corona.“ Ein Heimvorteil war zuletzt kaum existent. Zwei Beispiele: Das 1:4 von Schalke 04 gegen den VfL Wolfsburg am vergangenen Samstag sowie das 0:2 von Borussia Dortmund gegen Mainz 05 vom 32. Spieltag.
Insgesamt konnte in etwa 40 Prozent aller Geisterpartien das Auswärtsteam gewinnen: „Normalerweise greifen Heim-Teams sehr früh an und gehen ein hohes Risiko.“ Das habe sich zuletzt ins Gegenteil verkehrt. Kann man also von einem Wegfall des Heimvorteils sprechen? Hummels weist auf die ungewohnte Situation hin: „Wenn sich die Heimmannschaften irgendwann an die leeren Ränge gewöhnt haben, kann das Pendel auch schnell wieder in die andere Richtung gehen.“
VfL Bochum überzeugt nach der Pause
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In der 2. Bundesliga taten sich die Heimteams nicht so schwer. Beispielhaft steht der VfL Bochum, der nach der Pause in vier Heimspielen zehn Punkte holte. Allerdings zeigte sich der VfL-Aufschwung nicht nur zu Hause. Die Mannschaft von Trainer Thomas Reis erspielte sich mehr Torchancen pro Partie (von 5,20 auf 6,00), spielte mehr Pässe (von 469 auf 531), und trat dominanter auf.
Profis wie Ex-Schalker Goretzka profitieren
Ein weiterer Bundesliga-Trend: Die Mannschaften spielen mehr durch die Mitte. „Da haben wir einen Anstieg um fünf Prozent feststellen können“, sagt Böttger. Diese Entwicklung geriet scheinbar vor allem Zentrum-Spielern wie Leon Goretzka (FC Bayern München) und Kai Havertz (Bayer Leverkusen) zum Vorteil, die noch mehr Torgefahr entwickeln konnten als vor der Pause.
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Der Fußball ist also nach Corona keinesfalls schlechter oder weniger intensiv. Auch Jonas Hummels sieht das so: „Wenn man sich später irgendwann mal die Spiele ohne Ton anschaut, dann wird man praktisch nicht erkennen können, ob es sich um eine normale Begegnung oder um ein Geisterspiel gehandelt hat.“