Leverkusen. Der FC Bayern ist dem achten Titel in Serie durch das 4:2 in Leverkusen wieder ein Stück näher gekommen. Auch dank Lieferservice Müller.

Als Hansi Flick nach dem nächsten eindrucksvollen Schritt Richtung Meistertitel Nummer acht in Serie für den FC Bayern von einer „wahnsinnigen Präsenz“ sprach und dabei auf die „Physis“ verwies, war klar, dass der Trainer Thomas Müller nicht meinen konnte. Der Offensivspieler fällt ja während seiner gesamten Karriere damit auf, es quasi körperlos zu einem der erfolgreichsten deutschen Fußballer gebracht zu haben. Müller hat das vor wenigen Tagen als bewusst gewähltes Konzept erklärt. „Ich versuche, nicht so muskulös zu sein wie der eine oder andere Mitspieler“, sagte er. „Ich denke nämlich, dass meine Knochen länger halten, wenn sie weniger Gewicht tragen müssen. Ich will die nächsten fünf Jahre noch so weiterrennen können, und dazu muss ich in Form bleiben. Das ist mein Geheimnis.“

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Vielleicht war auch deshalb nach dem 4:2 (3:1)-Sieg bei Bayer Leverkusen am Samstag weniger von Müller die Rede, weil er nicht über eine solch auffällige körperliche Präsenz verfügt wie Leon Goretzka, den Flick gemeint hatte. Der frühere Schalker Goretzka hatte die Corona-Pause erkennbar fürs Bodybuilding genutzt und seinen neuen Adonis-Körper in Leverkusen nach dem Rückstand durch Lucas Alario (9.) für die Vorbereitung des 1:1 durch Kingsley Coman (27.) sowie für sein eigenes 2:1 (42.) eingesetzt.

Lewandowski mit dem 30. Saisontor

Auch sonst prägte Goretzka im Stile eines Gladiators mit gewonnenen Zweikämpfen und als wuchtiger Ballverteiler das Spiel der Münchener, die durch Serge Gnabry (45.) und Robert Lewandowskis 30. Saisontor (66.) immer mehr den Rekord von 101 Treffern aus der Saison 1971/72 in Gefahr bringen. Vier Spiele vor dem Saisonende stehen sie bei 90 Toren. Das 30. Gegentor durch Florian Wirtz (89.) gönnten sie vermutlich sogar dem hochbegabten Teenager.

Auch wenn Thomas Müller diesmal eher eine Nebenrolle blieb, ist sein Beitrag zum Lauf unter Flick immens. Wieder einmal hatte er sich ja in seiner Spezialdisziplin hervorgetan, mit seinen zwar dünnen Beinen, aber mit seiner dafür umso mehr geistigen Präsenz. Bei Goretzkas Tor assistierte er ebenso gedankenschnell wie bei Lewandowskis mit einem direkten Zuspiel, also als typischer One-Touch-Müller.

Nur noch eine Vorlage bis zum Rekord von Kevin De Bruyne

Es waren seine Vorlagen Nummer 19 und 20, womit er seinen persönlichen Rekord ebenso übertroffen hat wie bei den Torbeteiligungen inklusive seiner sieben Tore. Eine Vorlage fehlt ihm noch, um den Ligabestwert des ehemaligen Wolfsburgers Kevin De Bruyne von 2015 einzustellen.

In allen Wettbewerben dieser Saison war Müller in 41 Spielen an 34 Toren beteiligt. Es sind Zahlen einer Wiederauferstehung, nachdem er unter Flicks Vorgänger Niko Kovac seinen Status als wichtige Säule eingebüßt hatte. Nach sechs Spielen nacheinander auf der Bank dachte Müller im Herbst über einen Abschied nach. Flick aber setzte sofort auf die Identifikationsfigur der Bayern. Seither ist der Weltmeister von 2014 wieder nicht mehr wegzudenken aus der Mannschaft. Frei nach einem alten Werbespruch aus Wolfsburg: Er liefert und liefert und liefert...

FC Bayern vor dem 30. Titel in der Bundesliga

Langsam müssen die Münchener wohl über neue Gütesiegel für Müller nachdenken. Der frühere Bayern-Trainer Louis van Gaal hatte den Satz „Müller spielt immer“ geprägt. Nun könnte es heißen: Müller liefert immer. Auch der von Co-Trainer Hermann Gerland eingeführte Spitzname „Radio Müller“ für den stets gesprächigen Spieler ließe sich in „Lieferservice Müller“ umwandeln. Nebenbei steht ihm bald der Titel „Rekordmeister Müller“ zu, im günstigsten Fall schon nach dem kommenden Ligaspiel gegen Borussia Mönchengladbach.

Der 30. Titelgewinn der Bayern wird zugleich Müllers neunter sein, womit er wie David Alaba zum Rekordhalter, dem ehemaligen Mitspieler Franck Ribéry, aufschließen wird. Sollte es bereits am Samstag soweit sein, müsste sich Müller jedoch wegen seiner ersten Gelbsperre der Karriere auf der Tribüne freuen. In Leverkusen sah er ebenso wie Lewandowski seine fünfte Verwarnung. Doch zuvor können Lieferheld Müller und sein fleißigster Abnehmer im Pokal-Halbfinale gegen Eintracht Frankfurt am Mittwoch noch ihre Fließbandproduktion fortsetzen. In Müllers Fall ganz ohne Muskeln.