Essen. In den Internaten der Fußball-Klubs lernen bereits die Jüngsten neben dem Dribbeln auch das Phrasen-ABC. Hier ist unsere Kolumne “Freistoß“.
Manchmal scheint es, als hätten Fußballer Schablonen vor dem Mund. Die Profis können noch so originelle Gedanken, ja: vielleicht sogar den Willen haben, diese auch auszudrücken. Aber bevor diese Gedanken zu Worten werden, scheinen sie eine Schranke zu passieren, die aus Originellem Banales, aus einer Antwort eine Phrase macht. Für jede Frage liegt die richtige Schablone parat.
In den Internaten der großen Klubs lernen bereits die Jüngsten neben dem Dribbeln auch das Phrasen-ABC. Man kann sich das vorstellen, wie sie da im Klassenraum sitzen und in Vokaltests abgefragt werden. Über geheime Wege ist uns der Lösungsbogen eines solchen Tests zugespielt worden.
Frage 1) Wie lautet die richtige Formulierung für „Wahnsinn, habe ich heute geil gespielt!“? Richtig: „Ich bin froh, der Mannschaft helfen zu können.“
Frage 2) Was sage ich, wenn ich beim Gedanken an den nächsten Gegner die Hosen voll habe? Dies hier: „Wir haben keine Angst, wir haben Respekt.“
Frage 3) Sieg in der ersten Pokalrunde – statt über die Partyvorstellungen in Berlin zu sinnieren, antwortet der sprechende Fußballer was? Genau: „Wir schauen von Spiel zu Spiel.“ Oder wahlweise: „Das nächste Spiel ist immer das schwerste.“
Frage 4) Der Gegner ist eine Graupe, seine Abwehrversuche waren lächerlich, mit viel Glück hat er mal einen unserer Pässe abgefangen – sagt man natürlich nicht. Sondern: „Der Gegner hat das gut gemacht.“
Bonusfrage) Wie lautet die allgemeine Formel für „Warum habe ich die 18 Großchancen nicht reingemacht?“ Ganz klar: „Wir haben uns nicht belohnt.“ Könner formulieren hier ton- und emotionslos.
Irrtümlich zugeordnete Phrasen können indes zu großen Problemen führen. Beispiele? Bitte:
Frage: „Warum, denken Sie, ist das Spiel 0:0 ausgegangen?“ Antwort: „Weil der Gegner ein Tor mehr gemacht hat.“
Frage: „Ist die Meisterschaft jetzt wieder spannend?“ Antwort: „Der Pokal hat seine eigenen Gesetze.“
Frage: „Sie sind ausgeschieden – Wie fühlen sie sich jetzt?“ Antwort: „Der Matchplan ist aufgegangen.“ (Da steht dann plötzlich Wettbetrug im Raum…)
Aus dem Spickzettel mit den drei goldenen Regeln für sprechende Fußballer können wir übrigens auch zitieren.
Regel Nummer 1) Es gibt kein ich, nur ein wir! „Wir schießen die Tore. Wir haben das gut gelöst. Wir sind stolz auf uns.“
Regel Nummer 2) Bloß nicht konkret werden! „Im Fußball ist alles möglich. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht!“
Regel Nummer 3) Nie die Fans vergessen! „Bei der Unterstützung… Mit ihnen im Rücken.“
Und wer trotz all dieser Richtlinien und Empfehlungen gerade keine passende Phrase parat hat, wem partout nicht einfallen will, wie er um eine klare Aussage herumkommt, dem sei die sicherste aller Lösungen empfohlen. Diese Antwort hilft immer: „Da müssen Sie den Trainer fragen.“