Leverkusen. Beim 1:3 in Leverkusen verlor der FC Bayern München nicht nur das Spiel - sondern auch den zweiten Tabellenplatz und die Selbstsicherheit.
Niko Kovac konnte seinen Verdruss kaum verbergen. Der Trainer des FC Bayern München wirkte unzufrieden, ja verärgert. Aber er blieb höflich, fast freundlich – auch als er sich einer Frage ausgesetzt sah, die sie in München nicht so gerne hören. Haben die Bayern es in der jüngst beendeten Transferperiode versäumt, neues Personal anzuwerben und so die Chance zu steigern, den Bundesliga-Tabellenführer Borussia Dortmund doch noch einzuholen?
Kovac versuchte, die Frage wegzulächeln. „Sie sind nicht aus München“, entgegnete er dem Fragesteller. „Von daher kann ich Ihnen nur sagen: Je mehr Spieler ich habe, desto schwieriger wird’s. Da hat dann die Presse viele Ansprechpartner, die unzufrieden sind. Insofern ist es ganz gut so, wie wir im Moment aufgestellt sind.“ Das klang fast, als wäre es schon jetzt anstrengend genug, manchen Profi bei Laune zu halten.
Vorsprung des FC Bayern auf den BVB beträgt sieben Punkte
„Geschichten“ liefern die Bayern auch ohne quengelnde Ersatzleute. Beim 1:3 in Leverkusen traten Mängel zu Tage, die Zweifel wecken, ob die Münchener ihrem Anspruch gerecht werden, zum siebten Mal nacheinander Deutscher Meister zu werden. Der Rückstand auf den BVB beträgt sieben Punkte. Das erscheint bei vierzehn Spielen, die noch auszutragen sind, immer noch aufholbar – für eine Bayern-Mannschaft in Bestform. Davon aber waren die Münchener, vor allem in der zweiten Hälfte, weit entfernt, was sich aufgrund der Tore von Leon Bailey (53. Minute), Kevin Volland (63.) und Lucas Alario (89.) auch im Ergebnis niederschlug. Nach einer Führung noch zu verlieren ist völlig untypisch für die Bayern und belegt, dass sie an Selbstsicherheit eingebüßt haben. Wenn eine begabte Mannschaft so aufdreht wie Leverkusen, können manche Münchener nicht folgen, was vor allem eine Sache des Kopfes zu sein scheint.
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Exemplarisch für diese These steht das Tor zum 2:1. Leverkusen benötigte nur etwa 15 Sekunden, um den Bayern mit wenigen Ballkontakten zu enteilen und die Partie zu drehen. „Was ich bemängeln muss, ist ganz klar der Punkt Kompaktheit. Du kannst es dir nicht erlauben, in Leverkusen drei Gegentreffer zu kassieren, und dann noch den Anspruch haben, zu gewinnen“, sagte Kovac.
Den Rheinländern reichten vier Torschüsse, um dreimal zu treffen. Drei Gegentore in einer Partie, das ist bei den Münchenern in dieser Saison keine Seltenheit, wie schon die Niederlagen gegen Dortmund (2:3) und Mönchengladbach (0:3), aber auch das Unentschieden gegen Aufsteiger Düsseldorf (3:3) gezeigt haben. Mitunter wirken die Bayern zu sorglos, zu langsam, zu wenig inspiriert, als würde in manchen Spielen die Kür völlig hinter der freudlosen Pflicht verschwinden. Angesichts der Gegentore gerät vordergründig die Abwehr in den Fokus. Aber das erscheint zu kurz gegriffen. Die ganze Mannschaft wirkt zuweilen zaghaft, fast ein wenig schwerfällig in der Rückwärtsbewegung. Kovac beklagte, einige seiner Profis hätten sich fahrlässig verhalten, wenn es darum ging, ihren Gegenspielern schon im Mittelfeld aggressiv zu begegnen. „Die haben sich wohl gesagt, das werden die Jungs hinten schon meistern.“
Das teilweise nachlässige Defensiv-Verhalten in allen relevanten Räumen ist der aktuell wohl am schwersten wiegende Mangel. Man dürfe „nicht alles auf die Abwehr abwälzen“, sagt Kovac. Das wäre schon deshalb ungerecht, weil auch das anfangs gefällige und gefährliche Angriffsspiel nicht mehr Früchte getragen hatte als das Führungstor von Leon Goretzka (41.).
FC Bayern verströmte nichts von der Mia-san-mia-Arroganz
Insgesamt betrachtet stimmte es also hinten und vorne nicht. Eine Erkenntnis, die nicht darauf schließen lässt, dass die Münchener – inzwischen nur noch Liga-Dritter (punktgleich mit Mönchengladbach) – für die weitere Verfolgung des BVB gut gerüstet wären. In der zweiten Halbzeit von Leverkusen zeigten sie zudem ein Verhalten, das Konkurrenten Mut einflößen könnte: Die Bayern verströmten nichts von dieser Mia-san-mia-Arroganz, die Gegner oft einschüchtert, verärgert oder sonst wie negativ beeinflusst. Dafür machten sie ein Geheimnis um die Verletzung, die Nationaltorwart Manuel Neuer daran gehindert hatte mitzuspielen. Kovac wollte nur so viel verraten: „Wenn er Feldspieler wäre, dann wäre es relativ einfach“, für einen Handarbeiter jedoch seien „die Hände und die Finger eben ganz wichtig“. Immerhin nahm Neuer am Sonntag wieder am Training teil – als Feldspieler mit einer Schiene an der Hand.