Leverkusen. Trainer-Rauswurf kurz vor Heiligabend: Fußball-Bundesligist Bayer Leverkusen hat sich von Heiko Herrlich getrennt. Die Nachfolge steht schon fest

Am Ende wurde Pal Dardai die Stimmung um ihn herum dann doch zu nachdenklich. Zwar hatten seine Berliner – vor allem wegen der verschlafenen Anfangsphase, inklusive eines skurrilen Tor-Geschenks von Torwart Rune Jarstein an Leverkusens Kai Havertz – 1:3 verloren. Aber hey: Weihnachten stand vor der Tür, da passten Herthas Trainer die ausufernden Debatten um die berufliche Zukunft des Kollegen Heiko Herrlich gar nicht in den Kram. „Wessen Handy hat da geklingelt?“, fragte der Ungar und grinste verschmitzt in die Runde. Nachdem keiner etwas von ihm hatte wissen wollen. Sondern alle nur den Bayer-Trainer gelöchert hatten.

Liebe auf den zweiten Blick

Heiko Herrlich beantwortete alle Fragen höflich, selbstkritisch und in einer betont demütigen Haltung. Er verstehe sich immer als Diener des Vereins, sagte er an diesem Samstagnachmittag. Doch am Sonntagvormittag hatte der 47-Jährige unterm Bayer-Kreuz dann ausgedient. Um 11.01 Uhr verschickte der Werksklub die Nachricht von der Entlassung Herrlichs. Dessen Assistent Nico Schneck durfte am Tag vor Heiligabend ebenfalls seine Sachen packen. Den Job als Bank-Chef übernimmt mit der Rückkehr aufs Trainingsgelände am 4. Januar der Niederländer Peter Bosz.

Für den 55-Jährigen aus der Provinz Gelderland ist es eine Liebe auf den zweiten Blick. Im Sommer 2017 war Bosz schon mal Trainerkandidat bei Bayer, er ging aber lieber zu Borussia Dortmund – wo er nach einem halben Jahr wieder entlassen wurde. Anstelle von Bosz, zwei Monate vor seinem Einstieg beim BVB mit Ajax Amsterdam bis ins Finale der Europa League vorgerückt, wurde in Leverkusen Heiko Herrlich installiert.

Zuletzt ging es bei Bayer Leverkusen aufwärts

Der Torschützenkönig der Bundesliga im Jahr 1995 bekam das Durcheinander dort mit seiner spielerfreundlichen Art zügig in den Griff, hätte den Klub in diesem Frühjahr sogar fast in die Champions League geführt. In der Trostklasse Europa League gelang seinem Ensemble der Gruppensieg. Im DFB-Pokal zog das Team mit einem 5:0 in Gladbach ins Achtelfinale ein. Und im Ligabetrieb holte Herrlich nach miserablem Start zuletzt 13 Punkte aus sechs Partien. Und doch musste er nun gehen.

„Die Leistungskurve geht auf jeden Fall nach oben“, befand Doppel-Torschütze Kai Havertz nach dem Hertha-Spiel und blickte kommentierend ins neue Jahr: „Was wir heute mit Heiko Herrlich geleistet haben, darauf lässt sich aufbauen.“ Die Klubspitze sah das anders, sie sägte den aufsteigenden Ast ab, auf dem der Übungsleiter saß.

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© firo

Herrlichs Nachfolger wird vor allem dafür geschätzt, dass er vor allem mit der Fußball-Jugend bestens klarkommt. Der Mann aus Apeldoorn habe bei seinen bisherigen Trainerstationen „immer eine besondere Passion bei der Arbeit mit jungen Spielern gezeigt“, wird der neue Sportdirektor Simon Rolfes zitiert. Und weiter: „Peter passt auch deswegen hervorragend zu uns, denn wir setzen seit vielen Jahren darauf, hochtalentierte Nachwuchskräfte weiterzuentwickeln und sie in einer ausgewogenen Kombination mit erfahrenen Profis auf Topniveau zu heben.“ Entsprechend werde Bayer Leverkusens Kader von der Zusammenarbeit mit Peter Bosz profitieren.

Bosz soll Stagnation in Leverkusen beenden

In seiner überschaubaren Schaffenszeit in Dortmund pflegte der frühere Mittelfeldakteur, der acht Länderspiele für die Niederlande bestritt, mit großem Nachdruck das 4-3-3-System. Mit der Mannschaft kam es deshalb zu Differenzen, weil zu oft die Absicherung fehlte. Im Rheinland soll er nun das hochbegabte Bayer-Ensemble, in dessen Entwicklung Sport-Geschäftsführer Rudi Völler ganz aktuell eine „nicht mehr zu leugnende Stagnation“ diagnostizierte, zurück in die oberen Tabellenregionen führen. Denn, so Völler in seinen Abschiedsworten an Ex-Diener Herrlich: „Wir befinden uns nach der insgesamt nicht befriedigenden Halbserie in einer Situation, die einen Trainerwechsel notwendig macht.“