München. Präsident Hoeneß den FC Bayern zum Außenseiter im Topspiel in Dortmund – seine vermeintlich kleinlauten Aussagen entlarvt er allerdings selbst

Rund eine Viertelstunde nach dem lange Zeit schleppenden 2:0 (1:0) gegen AEK Athen war Uli Hoeneß von der Tribüne geklettert. Auch der Präsident des FC Bayern hätte sich gewiss einen deutlich höheren Unterhaltungswert in diesem Gruppenspiel der Champions League gewünscht, das die Münchner dank des ersten Heimsieges seit dem 15. September (!) dem Achtelfinale aber immerhin sehr nahe gebracht hatte. Ein Punkt im kommenden Heimspiel gegen Benfica Lissabon am 27. November genügt nun schon für die vorzeitige Versetzung. Der Gruppensieg steht spätestens im abschließenden Vergleich mit Ajax in Amsterdam am 12. Dezember in Aussicht.

Champions-League-Spiel der Bayern ohne Unterhaltungswert

Mehr Bestärkung für das Topspiel der Bundesliga an diesem Samstag beim Tabellenführer Borussia Dortmund wäre Hoeneß aber ebenso genehm gewesen. Doch weil die Mannschaft des Trainers Niko Kovac über weite Strecken erneut nicht spielerisch überzeugte und zwei Standardsituationen für die beiden Tore von Robert Lewandowski benötigte (31. Minute/Foulelfmeter und 71. nach einem Eckball), sah sich Hoeneß offenbar gefordert, selbst für den Unterhaltungswert zu sorgen.

Hoeneß stapelt tief

„Ich komme gleich“, ließ er die Reporter wissen, als er auf dem Weg in die Kabine war. Als er wieder durch die Milchglastür trat und sich in aller Seelenruhe ins Gespräch begab, fielen erstaunliche Sätze – allerdings nur auf den ersten Blick. „Wir fahren nicht als Favorit nach Dortmund, sondern als Außenseiter“, sagte der 66-Jährige und erinnerte daran, dass es diese Rollenkonstellation schon lange nicht mehr gegeben habe. Präzise seit der Saison 2011/12 nicht mehr, als der BVB wie derzeit letztmals vor dem Gipfeltreffen in der Tabelle vor dem FCB stand. Nun sind es vier Punkte Vorsprung.

Hoeneß sieht Meisterschaft nicht als Pflicht

Hoeneß gab sich sogar erstaunlich kleinlaut, ganz gegen sein Naturell und das von ihm etablierte Selbstverständnis des FC Bayern. „Wir müssen ein gutes Spiel machen und schauen, was rauskommt“, sagte er und erklärte übergeordnet: „Wir sind nicht so arrogant, wie ihr alle glaubt. Die Meisterschaft würden wir gerne immer haben, aber wenn es mal nicht so ist, wird der FC Bayern auch nicht untergehen.“ Hoeneß sieht gerade sogar generös über die aktuelle Tabelle hinweg, die die Bayern auf Platz drei hinter den Borussias aus Dortmund und Mönchengladbach ausweist. Der Präsident aber rechnet anders. Man sei Zweiter, befand er gegenüber den verdutzten Reportern, man könne das bessere Torverhältnis der Gladbacher am zehnten Spieltag doch vernachlässigen.

Bayern-Boss bedauert Kritik an Bernat

Manch einer, der Hoeneß reden hörte, wollte gar eine Zeitenwende ableiten. Doch vermutlich hatte sich die langjährige Abteilung Attacke nur bewusst fürs weichgespülte Gewand entschieden. Zwar erkennt auch Hoeneß, dass man „in den letzten vier, fünf Wochen nicht so gut“ und die Mannschaft in der ersten Halbzeit gegen Athen „ziemlich verunsichert“ gespielt habe, „auch vom Tempo war es nicht so, wie man das machen sollte“. Zwischendurch bedauerte er zudem seine scharfe Kritik am verkauften Linksverteidiger Juan Bernat, dem er auf der legendären Menschenwürde-Pressekonferenz zuletzt attestiert hatte, „einen Scheißdreck“ gespielt zu haben. Und dass zuletzt immer wieder Interna nach außen getragen worden waren, sei „ein Geschwür, das man nicht mehr loskriegt“. Dazwischenhauen bringe nichts, „mit dem Phänomen müssen wir im Moment leben“.

Das alles klang nicht wirklich nach Hoeneß. Doch auf den zweiten Blick waren Hoeneß und seine ihm eigene Angriffslust durchaus wiederzuerkennen gewesen. Die viel kritisierte Medienschelte-Konferenz würde er „im Wesentlichen wieder so machen“, sagte Hoeneß, die jüngste Enthüllungs-Geschichte im Spiegel über die große Gier habe „bewiesen, dass die dringend notwendig war“. Auch in Bezug auf Dortmund entlarvte Hoeneß seine List, den FC Bayern kleinzureden. Die Verabredung mit dem BVB komme „zum richtigen Zeitpunkt“, weil man mit guten Chancen in der zweiten Hälfte gegen Athen „eine aufstrebende Leistung“ gezeigt habe. Dass der von Kovac erhoffte klare Sieg mit drei, vier Toren nicht herausgesprungen war? Kein Problem, befand Hoeneß, „meines Wissens nach haben wir am Samstag wieder ein Spiel, wo man das machen kann.“ Spätestens da gab sich der alte Hoeneß wieder zu erkennen, und er hofft offenbar wie Kovac auf offensive Dortmunder sowie darauf, dass Kovac ein Außenseiter-Coaching gelingt wie im Pokalfinale mit Frankfurt gegen die Bayern (3:1).

Wieviel Zeit bleibt Niko Kovac?

Abgesehen von Hoeneß‘ Auftritt hielt sich der Unterhaltungswert des Nachgangs in Grenzen. Die übrigen Münchner äußerten sich ähnlich wie in den vergangenen Wochen. „Nicht überragend, wieder keine Glanzleistung“, stellte Rechtsverteidiger Joshua Kimmich fest. „Kein Feuerwerk“, befand Kovac. „Es ist auf jeden Fall eine schwierige Zeit“, sagte Kapitän Manuel Neuer. Nur Mats Hummels scherte etwas aus dem Erwartbaren aus, als er in Bezug auf den vermeintlich kleinlauten Hoeneß sagte: „Ich bin zum Glück noch nicht in der Position, meine Aussagen taktisch treffen zu müssen.“ Kalkül, sagte der Innenverteidiger noch, spiele bei Hoeneß‘ vielleicht eine Rolle. Womöglich gilt das auch für dessen Aussagen zu Kovac. „Wir haben eine Mannschaft im Umbruch und einen jungen Trainer, der sich hier reinarbeiten muss. Da muss man ein bisschen Geduld haben“, ließ Hoeneß wissen. Seine Aussage, er werde Kovac „bis aufs Blut verteidigen“, gelte immer noch. Manche glauben: zumindest bis Samstag.