Frankfurt/Main. DFL-Geschäftsführer Christian Seifert legt Jahreszahlen vor - und tadelt Klubs, die den Europapokal zu leicht nehmen. Die Gründe leuchten ein.
Christian Seifert war ein wenig verschnupft, was weniger an der Lage der Liga als mehr an seiner hartnäckigen Erkältung lag. Der Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL) ratterte die Zahlen zur Bundesliga-Saison 2016/17 professionell bei seiner Presserunde in Frankfurt/Main herunter, es fiel ihm trotz lädierter Gesundheit leicht: Wieder meldet der Klubfußball Rekorde.
Sorgen bereitet ihm allenfalls die Europa League. Doch dazu später mehr. Zunächst die Seifert-Zahlen im Schnelldurchlauf. Umsatzrekord mit 3,375 Milliarden Euro (plus 4,2 Prozent). Transferrekord mit 581,7 Millionen Euro (plus 17,2 Prozent). Höchste Eigenkapitalquote bei 1,31 Milliarden Euro. Erstmals meldeten 14 Klubs mehr als 100 Millionen Euro Jahresumsatz.
Dass zwei der 18 Klubs wegen Abschreibungen einen Verlust auswiesen, kümmert Seifert nicht weiter. Im operativen Geschäft (EBITDA) schrieb die Bundesliga ausnahmslos schwarze Zahlen. Seifert: „Die Liga ist absolut gesund.“ Auch die 2. Liga steht gut da: Mit 635 Millionen Euro lag der Umsatz höher als bei den Unterhäusern in Spanien und Italien zusammen.
Gefahr erkennt Seifert im Europapokal, er sagt: „Die Debatte um die Zahl der Champions-League-Plätze wird in Deutschland noch unterschätzt.“ Nach dem zuletzt desolaten Abschneiden in der Champions League und in der Europa League geraten zwei Starterplätze durch die Fünfjahreswertung bei der Uefa in Gefahr. Seifert: „Das tangiert acht bis zehn Klubs.“
Seifert erklärt mögliche Auswirkungen
Wenn die Bundesliga zwei Plätze in der Champions League verlöre, sieht Seifert drei fatale Auswirkungen. Erstens: Für Spieler im Ausland wird die Bundesliga weniger attraktiv. Zweitens: Bei noch zwei Plätzen in der Champions League ginge es weniger spannend in der Tabelle zu — hinter Bayern gebe es meist nur noch einen CL-Platz. Drittens: Frankreich wird erstarken.
Noch kann Seifert darauf verweisen, dass Deutschland hinter England die Liga mit dem zweithöchsten Umsatz in der Welt ist: „Vor Jahren waren wir noch die Nummer 5.“ Aber ausdrücklich mahnt er: „Wir müssen aus unseren Möglichkeiten mehr machen.“ Die Vorherrschaft der Premiere League tauge nicht mehr als Ausrede.
Was er meint: Die Bundesliga darf die Europa League nicht mehr auf die leichte Schulter nehmen. Die Starterplätze im Europapokal richten sich nach der Punktzahl in der Uefa-Wertung über fünf Jahre. 27 Prozent der Punkte kommen aktuell von den Bayern und 28 Prozent von der Europa League. Seifert: „Wehe, Bayern hat mal eine schwache Saison. Dann schlägt die Europa League durch.“
Nur der BVB und RB Leipzig sind dabei
Nur zwei Bundesliga-Klubs sind noch im Wettbewerb, und das nur, weil Borussia Dortmund und RB Leipzig aus der Champions League abgestiegen sind. Alle anderen Klubs haben nicht in der Europa League überwintert und ihr peinliches Ausscheiden teilweise mit der „Konzentration auf die Bundesliga“ schöngeredet. Seifert: „Wir müssen die Europa League ernster nehmen.“
Es ist ihm deshalb nicht egal, wie der BVB diese Woche gegen Atalanta Bergamo und RB Leipzig gegen SSC Neapel abschneiden. Es geht um die Punkte in der Uefa-Wertung — und die Zukunft der Liga. „Wenn Frankreich unsere zwei Plätze kriegt“, so Seifert, „erwachsen zwei neue Kräfte im internationalen Fußball.“ Das kann schnell gehen, wie das Beispiel Paris Saint-Germain zeigt.
Seifert erwartet „ein klares Bekenntnis zur Europa League“, denn auch die Klubsponsoren wollten am Ende des Tages nicht, dass Klubs wie der 1. FC Köln, Hertha BSC oder SC Freiburg international kläglich scheiterten. Schließlich ginge es um das große Ganze. „Vielleicht“, hofft Seifert, „hat diese Saison etwas Heilsames.“
Schallmauer von vier Milliarden Euro durchbrochen
Immerhin durchbrechen die erste und zweite Liga zusammen die Schallmauer von vier Milliarden Euro Umsatz. Seifert sagte unmissverständlich: „Die Bundesliga bringt gegen Klubs mit geringerem Budget ihre sportlichen Leistungen nicht.“ Er selbst frage sich: „Machen wir aus finanziellen Rahmenbedingungen das Bestmögliche?“ Seifert kennt die Antwort.
Wie abhängig der Staat inzwischen von der Bundesliga ist, zeigen weitere Zahlen. 1,17 Milliarden Euro zahlte die Bundesliga im Berichtszeitraum an Steuern und Abgaben. 54275 Arbeitsplätze sind durch die Liga entstanden. Nicht weniger wichtig: In die Jugendarbeit in den Nachwuchs-Leistungszentren (NLZ) flossen 163,4 Millionen Euro. Seit 2002 insgesamt 1,4 Milliarden Euro.
Diskutieren Sie mit dem Autor Pit Gottschalk bei Twitter oder bei Facebook.