Essen. . Für den VfL Wolfsburg geht es gegen Erzrivalen Eintracht Braunschweig um alles und mehr. Bei den Spielern scheint das noch nicht angekommen.

Das Motto des VfL Wolfsburg für dessen 20. Bundesliga-Saison heißt „The Extra Mile“. Die zusätzliche Meile, die sich der Meister von 2009 für eine Teilnahme an der Champions League erspielen, erlaufen, erkämpfen wollte, hat sich in eine bittere Sackgasse verkehrt. Statt Cristiano Ronaldo und Real Madrid wie vor etwas mehr als einem Jahr heißt es am Donnerstag (20.30 Uhr/ARD und Sky) nun Domi Kumbela und Eintracht Braunschweig. Kampf um die Klasse in zwei Spielen – ausgerechnet gegen den nur 28 Kilometer entfernten Nachbarn.

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Der wird auch vom Wolfsburger 100-Prozent-Gesellschafter Volkswagen gesponsert. Die gelb-blaue Brust mit VW-Tochterlogo Seat bringt der Eintracht zwei der zwölf Millionen Euro an Mannschaftsetat ein, während die Wölfe aus dem Werk weite Teile ihres Jahresetats um die 100 Millionen Euro bestreiten. Abgas-Skandale bei VW hin, Sparzwänge und sich daraus ergebende Sinnfragen zum Fußball-Sponsoring her.

Der Ursprung einer grasgrünen Dauerkrise datiert von Ende August 2015 und brachte dem VfL ironischerweise 74 Millionen Euro ein. Der zu späte Zeitpunkt des Wechsels von Ausnahmeangreifer Kevin De Bruyne zu Manchester City kurz vor Ende der Transferperiode war jener Kardinalfehler, der Sportvorstand Klaus Allofs 16 Monate später den Job kosten sollte. Mit Ivan Perisic war De Bruynes Tempopartner parallel zu Inter Mailand gewechselt. Und mit Julian Draxler kam per teurer Hauruckaktion Schalkes größtes Talent, das gedanklich in der Volkswagenstadt aber nie ankommen sollte. Der Vorwärtsfußball des Vizemeisters und Pokalsiegers von 2015 liegt seitdem auf Eis.

VfL lässt entscheidende Tugenden vermissen

Als Draxler sein Unwohlsein ein paar erfolglose Monate später im Interview verbalisierte, öffnete er für Kollegen die gedankliche Abschiedstür. In Draxlers Mediensog (im Winter nach Paris) agierten zügig Max Kruse (Bremen) und André Schürrle (Dortmund). Die Fluchtstimmung im einstigen DDR-Zonenrandgebiet wehte auch, als sich der VfL im Sommer 2016 neu aufstellte. Mal wieder.

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Der Kader wurde von Klaus Allofs und dem im Oktober beurlaubten Trainer Dieter Hecking, für den im Spätsommer 2016 schon der Ex-Gladbacher Lucien Favre parat stand, desolat zusammengestellt. Zwei Innenverteidigern standen sechs defensive Mittelfeldspieler gegenüber, fünf Linksverteidigern ein Angreifer. Letzterer hört auf den Namen Mario Gomez.

Der bissige Nationalspieler ist mit 16 Toren in den letzten 27 Pflichtspielen nahezu der einzige Hoffnungsträger. Spielerisch ist Wolfsburg klar den Braunschweigern überlegen. Heute und Montag (20.30 Uhr/ARD und Sky) im Stadion an der Hamburger Straße wird es aber auf Nervenstärke, Kampfgeist und Mut ankommen. Tugenden, die der VfL selten zeigt. Vielleicht auch nicht zeigen kann.

Rosen als Rebbe-Nachfolger?

Weite Teile der Truppe sind gedanklich schon bei anderen Klubs. Luis Gustavo etwa, ein Kapitän wider Willen, der kein Anführer ist. Gleiches gilt für Ricardo Rodriguez und den Ex-Dortmunder Jakub Blaszczykowski, der im VfL-Mannschaftsrat ähnlich blass blieb wie auf dem Rasen. Vieirinha dürfte so oder so gehen, und womöglich bereut Yunus Malli seinen Winterwechsel aus Mainz schon wieder – wenn er nicht grad auf seinen vortrefflichen Kontostand schielt.

Ginge es gegen Braunschweig schief, hätte die Zweite Liga einen einsamen Topfavoriten. „Wir lassen den VfL nicht fallen“, versichert VW-Vorstand und VfL-Aufsichtsratschef Francisco Javier Garcia Sanz. Selbst bei Rettung peilt der Madrilene den nächsten Umbruch an. Fährt Garcia Sanz mit dem Hochdruckreiniger durch die Etagen, könnte auch der Stuhl von Allofs-Nachfolger Olaf Rebbe (39) geflutet werden. Der Hoffenheimer Alexander Rosen (38) soll sich als Nachfolger interessiert zeigen.