Bremen. Willi Lemke hört als Sonderberater der Vereinten Nationen auf. Wir haben mit Bremens früherem Manager über Geldgier und Uli Hoeneß unterhalten.

Im Jahr 2016 nimmt Willi Lemke Abschied: Nach seinem Ausscheiden aus dem Aufsichtsrat beim SV Werder Bremen räumt der 70-Jährige zum Jahresende auch seinen Posten als UN-Sonderberater Sport. Im Interview erklärt der frühere Werder-Manager, SPD-Politiker und Bremer Bildungssenator, was ihm an der Entwicklung des Spitzensports nicht passt. Und welche Werte wieder in den Vordergrund gerückt werden sollten.

Herr Lemke, ein bewegendes Jahr neigt sich dem Ende entgegen, auch für Sie persönlich.

Willi Lemke: Mein 70. Geburtstag, das Ausscheiden aus dem Aufsichtsrat bei Werder Bremen und der Abschied bei den Vereinten Nationen: So etwas macht einen wehmütig, weil ich mich fit wie ein Turnschuh fühle. Kürzlich habe ich bei einem Halbmarathon einen 36 Jahre alten Lauffreund noch in Grund und Boden gelaufen. Ich fühle mich nicht wie 70, trotzdem war es bei der UN – im Gegensatz zu Werder, wo ich weitergemacht hätte, wenn der Verein gewollt hätte – mein fester Wille aufzuhören. Ich war in Spitzenzeiten 250, 260 Tage im Jahr nicht in Bremen.

Sie haben die Termine auf der ganzen Welt immer auch dazu genutzt, die besondere Rolle des Sports als einende Kraft zu betonen. Geht das hinter der glitzernden Fassade des Spitzensports oft zu sehr verloren?

Lemke: Das habe ich in meiner Abschiedsrede in New York zum Ausdruck gebracht. Ich weiß um die ganzen Skandale und die vielen Probleme. Wenn mir einer sagt, eine kleine Initiative im Sport, irgendwo in einer notleidenden Region, ändert nicht die Welt, dann stimmt das zwar. Aber ich stelle dann gerne die Gegenfrage: ‚Was machst du denn dafür, dass diese Welt ein bisschen friedlicher und besser wird?‘

Würden Sie sich eine andere Sichtweise auf den Sport wünschen?

Lemke: Wir müssen den Breitensport wieder ernster nehmen, denn er ist die Basis. Wir müssen die Vereine mehr unterstützen, dürfen ihnen nicht so viel Bürokratie aufbürden. Sport ist der Kitt unserer Gesellschaft: Kommunikation, Solidarität, Integration werden hier gelebt. Sie können auf dem Dorf sicher sein: Wenn man im Sportverein ist, dann hast du immer einen, der dir hilft. Wir dürfen nicht so tun, als ob sich alles um die Millionäre im Fußball dreht.

Der große Weltsport hat 2016 unglaubliche Skandale produziert: IOC, Fifa, IAAF muten teils wie korrupte Selbstbedienungsläden an. Wie konnte diese Kultur wachsen?

Lemke: Es ist die Gier nach mehr Einfluss und mehr Geld. Schauen Sie sich die Sportverbände an, in denen kaum etwas zu verdienen ist: Da höre ich nichts von Skandalen.

Institutionen wie Fifa und IOC haben ein Problem mit den Kontrollinstanzen.

Lemke: Beim IOC sehe ich viele positive Tendenzen: Jaques Rogge, der ehemalige Präsident, ist ein ganz ehrenwerter Mann, genauso wie sein Nachfolger Thomas Bach, aber sie agieren nicht allein. Es ist deshalb richtig und notwendig, die Kon­trollinstrumente weiter zu schärfen und auch den Kampf gegen Doping nachhaltig fortzuführen.

Thomas Bach ist aus Ihrer Sicht ein ehrenwerter Mann?

Lemke: Ich kann ihn aus jahrelanger Erfahrung nur so beschreiben, wie ich ihn sehe. Ich kann nicht verstehen, dass ein deutscher IOC-Präsident, der in der Welt so viel Anerkennung erfährt, hier teilweise an den Pranger gestellt wird. Beispielsweise, dass das IOC bei den Olympischen Spielen nicht alle russischen Sportler rausgeworfen, sondern die Entscheidung den Verbänden überlassen hat, fand ich richtig.

Haben Sie auch bei der Fußball-WM 2018 in Russland keine Bedenken?

Lemke: Ich hielt es damals und halte es heute für richtig, die WM in dieses Land zu vergeben. Durch die WM wird in Russland die Fußballbegeisterung noch weiter gesteigert. Es gibt aber zu diesem Thema zur Zeit sicher noch mehrere Baustellen und Fragezeichen. Wenn ich an die Hooligan-Szene dort denke oder an die feindselige Einstellung gegenüber Homosexuellen, dann schreckt das ab und passt nicht zur Gastfreundschaft, die Voraussetzung für solch ein Ereignis ist.

In Ihrer langen Zeit als Werder-Manager war die offene Feindschaft zu Uli Hoeneß ein Erkennungszeichen. Können Sie zum Abschluss noch verraten, wie Ihre Versöhnung eigentlich ablief?

Lemke: Das ist nicht von mir ausgegangen. Er hat mich Anfang 2015 versucht anzurufen und mich nicht erreicht. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits Freigänger und hat mir auf die Mailbox gesprochen. Er hat sich bedankt, dass ich kein Wort zu seiner Steuersache geäußert habe. Ich konnte ihn aber nicht zurückrufen, die Nummer war unterdrückt. Als ich im Kicker ein Interview gab, habe ich am Rande gesagt, ich würde Uli Hoeneß natürlich die Hand geben. Daraus wurde die Überschrift.

Und dann?

Lemke: Uli hat das gelesen, und dann haben wir telefoniert und ein Treffen an der Säbener Straße ausgemacht, wo er sich in seiner Freigängerzeit von 8.30 bis 17 Uhr aufzuhalten hatte. Wir haben anderthalb Stunden geredet. Wir alten Kerle waren uns dann einig, dass wir uns die Hand reichen und die Vergangenheit ruhen lassen. Ich habe ihm dann von meinen Projekten erzählt – heute unterstützt er einige davon. Später haben wir auch noch Brüderschaft getrunken.