Frankfurt. Wir haben uns mit Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic über den ersten Gegner Schalke, RB Leipzig und Fußballromantik unterhalten.

Noch genießt Fredi Bobic Schonzeit: Erst am 9. September laufen die 100 Tage ab, die man neuen Amtsträgern zur Eingewöhnung zugesteht. Ernst wird es für den Sportvorstand von Eintracht Frankfurt trotzdem: Zum Bundesliga-Start kommt Schalke 04 am Samstagmittag in die Commerzbank-Arena.

Herr Bobic, sind Sie neidisch auf die Millionentransfers, die der Kollege Christian Heidel auf Schalke tätigen konnte und Sie nicht?

Fredi Bobic: Ich bin nicht neidisch, nein. Manchmal hat ein Klub Glück, dass er einen Jungen aus der eigenen Jugendabteilung für 50 Millionen verkaufen kann. Dann hast du die Basis, auf der man wachsen kann. Das ist auch unser Ziel.

Immerhin haben Sie sich bei großen europäischen Klubs bedient, um eine neue Eintracht aufzubauen.

Bobic: Kürzlich hat sich Hans-Joachim Watzke bei mir erkundigt, wie wir das bei unseren begrenzten finanziellen Möglichkeiten geschafft haben. Wir wollten junge hungrige Spieler, die eine gewisse Mentalität haben. Denn das hat der moderne Fußball gezeigt, vor allem die EM: Die Mentalität schlägt oft die Qualität. Natürlich haben wir zuerst den deutschen Markt sondiert. Aber da war nichts, was wir uns leisten konnten.

Pit Gottschalk (l.) mit Fredi Bobic in Frankfurt.
Pit Gottschalk (l.) mit Fredi Bobic in Frankfurt. © SK

Ist der Wettbewerb mit RB Leipzig fair?

Bobic: Unser Trainer Nico Kovac hat in seiner Zeit bei Red Bull Salzburg gesehen, wie sie dort arbeiten. Die bekommen jeden Wunsch verwirklicht. Und das kommt automatisch nach Leipzig. Die bauen das alles auf der grünen Wiese und können sich nach ihrer Denke verwirklichen.

Und Traditionsvereine nicht?

Bobic: Das sagt ja schon der Name. Traditionsvereine stehen in ihrer ganzen Struktur fest zu ihrer Vergangenheit, bauen auf dieser Festung Gegenwart und Zukunft und haben etwa auch eine ganz andere Mitarbeiterstruktur. Da dauern Prozesse automatisch länger.

Wie definiert man Tradition?

Bobic: Mit den großen Erfolgen. Mit großen Spielern. Mit der großen Stadt. Es gab immer Vereine, die dann dazu kamen. Damals Leverkusen. Später Wolfsburg und Hoffenheim. Jetzt Leipzig. Das ist der Lauf der Dinge. Der Fußball verändert sich ständig. Auch die Bundesliga.

Bekommt man bei Traditionsvereinen genügend Zeit?

Bobic: Ich habe nur für Traditionsklubs gespielt und gearbeitet. Und weiß, was ich aushalten muss. Aber ich weiß auch: Ich ziehe meinen Weg durch. Vielleicht polarisiere ich deshalb. Ich ziehe halt durch. Mein Spielfeld ist jetzt der Konferenztisch. Ich höre mir gerne vieles an. Aber am Ende muss ich entscheiden und dazu stehen. Egal, ob es nach späterer Erkenntnis richtig oder falsch war. Das ist, was der eine oder andere nicht so leiden kann.

Die Eintracht-Fans sind aber anspruchsvoll: Sie wollen den Erfolg sofort.

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Bobic: Erfolg bedeutet nicht, Meister zu werden. Erfolg bedeutet, das Beste aus deinen Ressourcen zu machen. Aber als Traditionsklub bist du gefangen. RB Leipzig fängt auf einem leeren Blatt Papier an und kann, weil sie die wirtschaftlichen Möglichkeiten haben, so agieren, wie es in einem perfekten Plan sein sollte. Das wissen auch viele Traditionsklubs. Und davor haben viele Traditionsklubs Angst. Weil sie nicht die Möglichkeit haben, sich so zu verändern. Dort schauen sie nur von Woche zu Woche: Erst müssen wir die drei Punkte machen. Aber wenn du wartest, verlierst du alles.

Bayern, Dortmund und Schalke rüsten auf. Was macht die Liga noch interessant?

Bobic: Zehn Mannschaften können um die Europacupplätze spielen. Du gewinnst dreimal - und bist Siebter. Du verlierst dreimal - und bist Fünfzehnter. Das ist das Spannende. Unser Ziel ist es: Die Klasse zu halten. Aber ruhiger zu halten als voriges Jahr.

Ist Mittelfeld nicht Mittelmaß?

Bobic: Wenn du Bestandteil der Bundesliga bist, ist ein Mittelfeldplatz schon etwas. Dann wäre ich glücklich. Würde ich sofort unterschreiben. Weil wir jetzt schon wissen, welche Schritte wir danach gehen wollen.

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Ihr Vorstandskollege schlug vor, dass Traditionsvereine mehr vom TV-Kuchen bekommen.

Bobic: Es gibt schon Parameter, die belegen, dass Traditionsvereine das Maß aller Dinge sind bei der Bewertung einer Liga. Wir wollen aber nichts komplett umhauen und die Vereine bestrafen, die einen guten Job machen, aber vielleicht nicht die ganz große Tradition haben.

Und Ihr Vorgänger Heribert Bruchhagen träumte, dass die Fernsehgelder umgekehrt verteilt werden sollten: Der Tabellenletzte bekommt am meisten, der Meister am wenigsten.

Bobic: Ein schöner romantischer Gedanke, der mir am Abend, als er das sagte, sehr gut gefallen hat. Aber zur Wahrheit gehört auch: Immer wenn es mehr Geld gab, wurde der Durchschnitt angehoben und war das Geld auch schnell wieder weg. Es kriegt ja jeder Verein mehr Geld. Also bleibt die Schlagkraft die gleiche.

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So denkt Fredi Bobic über die Eintracht-Fans 

Wie viel Zeit geben Sie sich in Frankfurt?

Bobic: Die Zeit spielt für mich keine Rolle. Das war schon in Stuttgart so. Ich wurde gefragt: Wie lange machen Sie das? Ich sagte: ein Jahr, fünf Jahre, zehn Jahre — halt so lange, wie es passt. Es passiert leider selten, dass wie bei Heribert Bruchhagen ein Abgang auf dem roten Teppich erfolgt. Bei einem Abstieg wäre es vielleicht anders gewesen. Man darf nicht jammern.

Klingt nach der neuen Generation von Manager in der Bundesliga.

Bobic: Ja, da kommen neue nach. Ich kann mir vorstellen, dass zum Beispiel Sebastian Kehl nachrückt. Aber: Vorstands- oder Managerposten bedeuten unheimlich viel Verantwortung. Man muss eine Menge aushalten können. Du bist ein Punching Ball zwischen den Gremien manchmal. Für das Umfeld. Mein Ex-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder hat immer gesagt: Wenn du heißes Wasser nicht magst, darfst du auch nicht Koch werden. Und er hat vollkommen Recht. Wenn du dich verbrennst, musst du weitermachen.

Hilft es, dass Sie selbst Fußballer waren?

Bobic: Ja. Wenn du aus dem Fußball kommst, ist dein Blick auf den Fußball entspannter. Ich merke das immer bei Funktionären, die nicht aus der Branche stammen: Wenn die in der Kritik sind, verlieren sie zu schnell die Kontrolle. Auch im Umgang mit den Spielern hilft es mir, dass ich selbst Spieler war. Ich bin entspannt, weil ich das Spiel lesen kann. Deswegen werde ich in Frankfurt auch nicht auf der Bank sitzen. Darum juble ich auch nicht, wenn wir ein Tor machen, und bin fast regungslos. Weil ich alles beobachte. Als Spieler habe ich die Höhen und Tiefen erlebt.

In Magdeburg schossen Eintracht-Anhänger Feuerwerksrakete in den Familienblock. Ist das ein Vorgeschmack, was Ihre Fans so treiben werden, wenn es nicht läuft?

Bobic: Wir reden von gewaltbereiten Tätern. Die Gruppen sind gar nicht so groß. Eintracht Frankfurt hat immer 50000 Zuschauer im Stadion. 49500 davon wollen das gar nicht mehr sehen. Man merkt das ja auch. Fan bedeutet für mich: Ich freue mich, wenn die Mannschaft gewinnen, und bin tief enttäuscht, wenn sie verliert. Mitzuleiden - im Guten wie im Schlechten. Aber nicht: Politik zu machen. Und zu stören. Oder gar zu zerstören. Und das betrifft jeden Klub und nicht nur den Fußball. Bei uns kam es in jüngster Zeit zu oft vor. Aber das wird in der Fanszene extrem hart diskutiert. Die wollen das selbst nicht mehr.

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