Frankfurt. Vorteil 1. FC Nürnberg: Der Club kam im Relegations-Hinspiel bei Eintracht Frankfurt zu einem 1:1 und kann zu Hause den Aufstieg perfekt machen.
Es war ein Gänsehaut-Moment. Als Marco Russ kurz vor dem Relegations-Hinspiel zwischen Eintracht Frankfurt und dem 1. FC Nürnberg, das 1:1 endete, den Rasen der mit 51 500 Besuchern restlos ausverkauften Commerzbank-Arena betrat, wurde der Eintracht-Kapitän mit tosendem Applaus und lauten Sprechchören empfangen. Vor der Frankfurter Kurve hing ein großes Transparent mit der Aufschrift „Kämpfen & siegen Marco“. Und bei der Verkündung der Mannschaftsaufstellung erhielten alle Frankfurter Spieler den Namen „Russ“.
Der 30-jährige Innenverteidiger konnte die aufmunternden Gesten gut gebrauchen. In der Nacht vor einem der wichtigsten Spiele der jüngeren Frankfurter Vereinsgeschichte erhielt er eine schockierende Nachricht. Marco Russ hat Krebs. Der Familienvater wird am Dienstag operiert und muss nicht nur um die Fortsetzung seiner Karriere, sondern möglicherweise auch um sein Leben bangen.
Russ bat Trainer Kovac um Einsatz
Das im Vorfeld als „Millionenspiel“ bezeichnete Aufeinandertreffen zwischen den beiden Traditionsvereinen geriet dadurch schlagartig in den Hintergrund. Doch der in Frankfurt für sein großes Kämpferherz geschätzte Abwehrchef wollte seine Mannschaft im Saisonfinale nicht im Stich lassen. Er machte seinem Ruf alle Ehre und bat seinen Trainer Niko Kovac darum, ihn einzusetzen. Nach Absprache mit den Ärzten erfüllte Kovac den Wunsch seines Kapitäns. Russ spielte. „Marco ist ein stabiler Junge“, sagte der Trainer. „Ich war selbst überrascht davon, dass er sofort zu mir kam und gesagt hat, dass er spielen möchte.“
Gacinovic erzielt den Ausgleich
Und dann das: Ausgerechnet der ansonsten gewohnt solide und zweikampfstarke Russ war es, dem kurz vor dem Halbzeitpfiff ein unglückliches Eigentor unterlief (44.). Aber der Kapitän ließ sich auch davon nicht unterkriegen. Er kämpfte, gab deutliche Anweisungen und trieb sein Team energisch nach vorne. Und seine Mannschaft ließ ihn nicht hängen. Mijat Gacinovic erzielte nach einer Stunde den hochverdienten Ausgleich, der die Hessen weiter hoffen lässt.
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Die schockierende Diagnose für Russ war für den gesamten Verein noch deutlich emotionaler und nervenaufreibender als der Abstiegskampf auf dem Rasen. Sie beschäftige die Eintracht während des gesamten Tages.
Auffällige Dopingprobe
Herausgekommen war alles durch eine Dopingkontrolle am 30. April, in der ein deutlich erhöhter Wert des Hormons HCG ermittelt wurde. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt wusste offensichtlich bis zum Donnerstagmorgen nichts von der schweren Erkrankung und durchsuchte aufgrund des Dopingverdachts die Privatwohnung, den Spind auf dem Trainingsgelände und sogar das Hotelzimmer von Russ. Frankfurts scheidender Boss Heribert Bruchhagen echauffierte sich zunächst über das Vorgehen der Behörden. Als sich die erste Aufregung gelegt hatte, waren aber auch seine Gedanken allein bei Marco Russ: „Das war einer der aufregendsten Tage unserer Geschichte. Es ist doch klar, dass diese persönliche Schicksal eine größere Bedeutung als das Spiel hat.“
Mit großer Anteilnahme haben am Donnerstag Vereine und Spieler aus ganz Deutschland reagiert. Auch die Ruhrgebiets-Klubs Borussia Dortmund und Schalke 04 bekundeten im Internet ihr Mitgefühl. Die wohl aufrichtigste Geste kam jedoch vom Relegations-Gegner. Der 1. FC Nürnberg bewies Größe mit einem emotionalen Beitrag via Twitter, der nicht einfühlsamer hätte sein können: „Unsere Duelle mögen noch so wichtig sein, noch viel wichtiger ist aber, dass Marco wieder gesund wird.“