München. Karl-Heinz Rummenigge schließt einen Notkauf für den verletzten Jérôme Boateng beim FC Bayern aus. Joachim Löw und dem DFB empfiehlt er Zurückhaltung.
Der FC Bayern wird nicht mit einem Noteinkauf auf den schwerwiegenden Ausfall von Fußball-Weltmeister Jérôme Boateng reagieren. "Wir haben uns mit dem Thema seriös auseinandergesetzt. Es gibt keinen guten Spieler, der auf dem Markt ist. Im Winter verkauft keine Mannschaft seine guten Spieler, speziell auf dieser Position. Und Notlösungen bringen einen am Ende des Tages nicht weiter. Dementsprechend werden wir nichts machen", sagte Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur.
Der 60-Jährige sprach nach innen und außen die Empfehlung aus, "nicht zu lamentieren", sondern den vorhandenen Innenverteidigern Holger Badstuber, Javi Martínez und dem noch verletzten Medhi Benatia zu vertrauen. "Wenn es etwas auf dem Markt gegeben hätte, was dem Qualitätsanspruch des FC Bayern gerecht geworden wäre, hätten wir uns damit befasst", berichtete Rummenigge: "Aber nur irgendetwas zu machen, um die Hysterie zu befriedigen, haben wir alle abgelehnt."
Verletzung weniger dramatisch als befürchtet
Man habe "immer noch einen Kader, der es total in sich hat", betonte der Vorstandsvorsitzende. Man werde intern "die Kräfte bündeln", wie sich das beim FC Bayern oft bewährt habe, kündigte er an: "Ich habe großes Vertrauen zu Pep Guardiola und der Mannschaft."
Der Bayern-Chef entkräftete vier Tage nach dem Sieg zum Rückrundenstart beim Hamburger SV, bei dem sich Boateng an den Adduktoren verletzt hatte, auch Mutmaßungen über ein vorzeitiges Saison-Aus des Innenverteidigers. Weitere Untersuchungen - auch beim früheren Vereinsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt - hätten ergeben, "dass es etwas weniger dramatisch ist als es zunächst aussah. Jérôme wird, da sind wir hoffnungsvoll, möglicherweise im letzten Drittel der Rückrunde dem FC Bayern wieder zur Verfügung stehen".
Boateng wie so schnell wie möglich zurück
Die Bundesligasaison endet am 14. Mai. Danach finden noch das DFB-Pokalfinale (21. Mai) und das Champions-League-Endspiel (28. Mai) statt. Der 27 Jahre alte Boateng sprach am Dienstag im TV-Kanal des deutschen Rekordmeisters von einem "schweren Schlag" für ihn und kündigte an: "Ich versuche, so schnell wie möglich wieder auf den Platz zu kommen. Ich versuche, positiv nach vorne zu gucken."
Ein Umdenken bei den Saisonzielen lehnt Rummenigge ab. "Nein, das werden wir nicht. Wir haben gesagt: Unser Ziel ist es, die deutsche Meisterschaft zu gewinnen, und das als erster Verein der Bundesliga zum vierten Mal nacheinander", sagte der 60-Jährige. Dazu wolle man in Champions League und Pokal eine gute Rolle spielen. "Ich weiß, dass viele von uns jetzt, da Pep Guardiola uns im Sommer verlässt, das Triple erwarten. Ich bin mir sicher, dass wir eine gute Rückrunde spielen werden. Aber ich empfehle, mit den Erwartungen der Öffentlichkeit etwas rationaler und gelassener umzugehen."
Rummenigge sieht Schuld nicht bei Guardiola
Die Vielzahl der Muskelverletzungen in dieser Saison lastet Rummenigge nicht Trainer Guardiola oder der medizinischen Abteilung an, sondern der großen Belastungen durch zu viele Länderspiele.
"Es gibt eine Analyse, die ich bei der UEFA einsehen konnte: Es fällt auf, dass speziell bei den Topclubs die Spieler in einer gewissen Häufigkeit ausfallen, Tendenz steigend. Bei Real Madrid hat es in der Hinrunde 16 Muskelverletzungen gegeben - 16! Die Spieler sind einfach total überfordert. Die UEFA und die FIFA sind gefragt, die Quantität und die Qualität ihrer Länderspiele zu überdenken." Auf Verbandsebene habe die Zahl der Spiele zugenommen, in der Champions League seien sie dagegen sogar von maximal 17 auf 13 pro Saison zurückgegangen.
"FC Bayern hat die Lufthoheit"
Auch an den DFB und Bundestrainer Joachim Löw richtete Rummenigge eine deutliche Botschaft. "In der Diskussion um Boateng höre ich immer nur DFB, DFB, Europameisterschaft. Ich muss klar und deutlich sagen: Ich empfehle dem DFB, sich hier klar zurückzuhalten." Sonst werde es "mit dem FC Bayern Stress geben". Löw hatte am Montag beim Marketingtag der Nationalmannschaft in München erklärt, dass er Boateng die Tür zur EM-Teilnahme bis zum letzten Moment offenhalten werde. "Der FC Bayern ist der Vertragspartner von Jérôme Boateng und hat damit hier die Lufthoheit - und nicht der DFB", sagte Rummenigge.