Hamburg. Sportchef Knäbel löst Zinnbauer ab und soll den HSV retten, damit im Sommer Wunschkandidat Tuchel kommen kann. Der ist laut “Abendblatt“ interessiert.

Die Pressemitteilung, die der HSV am Sonntagabend um 19.26 Uhr verschickte, umfasste 1047 Buchstaben, 175 Wörter, 14 Sätze – und eine schier unglaubliche Nachricht: Sportchef Peter Knäbel, so stand es ganz sachlich in der offiziellen Bekanntmachung geschrieben, wird die Mannschaft bis zum Ende der Saison vom beurlaubten Joe Zinnbauer als Cheftrainer übernehmen. "Wir sind überzeugt, dass es in dieser Situation die beste Option für uns ist. Peter kennt die Mannschaft und die Umstände am besten und ist in der Lage, sofort zu handeln", ließ sich Clubchef Dietmar Beiersdorfer zitieren, nachdem er zuvor in drei Mammutsitzungen seit dem 0:1 gegen Hertha über nicht weniger als die Zukunft des HSV debattiert hatte.

Am Freitag wurde direkt nach der Pleite gegen Berlin geredet. Mit Joe Zinnbauer. Am Sonnabend wurde weitergeredet. Über Joe Zinnbauer. Und auch am Sonntag wurde geredet. Diesmal mit und über Joe Zinnbauer. Das erst am Abend durchgesickerte Ergebnis: Der einstige Bis-auf-Weiteres-Trainer ist ab sofort ein Bis-auf-Weiteres-Urlauber. "Ich wünsche der Mannschaft, Peter Knäbel und dem Verein alles Gute für den Saisonendspurt", sagte Zinnbauer, als sein Schicksal nach stundenlangen Gesprächen, an denen auch Sportdirektor Bernhard Peters und Aufsichtsratschef Karl Gernandt beteiligt waren, besiegelt war. Auch Co-Trainer Patrick Rahmen, dessen Vertrag im Sommer ohnehin ausgelaufen wäre, wurde freigestellt. Ob Zinnbauer, dessen Ende als Cheftrainer spätestens zum Sommer schon vorher besprochen war, nach einer Pause als U23-Trainer beim HSV wieder einsteigt, war am Abend noch unklar. Laut Vertrag hätte er jedenfalls die Möglichkeit dazu.

Knäbels mangelnde Erfahrung ist egal

Viel wichtiger als die Zukunft ist momentan jedoch die Gegenwart – und in dieser soll Knäbel als Sportchef und Trainer den HSV vom Abstieg bewahren. Dabei hatte der einstige Spielertrainer vom FC Winterthur zuletzt bereits Einfluss auf die Aufstellung genommen. So wollte Zinnbauer am Freitag gegen Berlin mit Pierre-Michel Lasogga und Ivica Olic als Doppelspitze von Anfang an spielen, Knäbel sprach sich dagegen aus.

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Dass Knäbel kaum Erfahrungen als Cheftrainer vorweisen kann, spielte bei der Entscheidung am Sonntag aber offenbar keine Rolle. "Es geht nur noch darum, wie wir die verbleibenden acht Spiele angehen wollen, um uns im Abstiegskampf zu behaupten", hatte Knäbel bereits am späten Freitagabend gesagt, als er noch einzig und alleine Sportchef war. Doch nachdem am Sonntag im Laufe des Tages kein Feuerwehrmann für die kommenden acht Spiele gefunden werden konnte – die gehandelten Kandidaten Thomas von Heesen, Bruno Labbadia und Christian Gross sollen nach "Abendblatt"-Informationen nicht zum engen Kandidatenkreis gehört haben – willigte der 48-Jährige schließlich ein, bis zum Saisonende selbst einzuspringen.

Tuchel ist der große Wunschkandidat

Spätestens im Sommer sollte ohnehin ein neuer Trainer verpflichtet werden. Der wenig überraschende Wunschkandidat: Thomas Tuchel.

Den Traum vom früheren Mainzer Erfolgstrainer Tuchel hatten Beiersdorfer und Co. bereits vor einem halben Jahr geträumt, unmittelbar nachdem Zinnbauer-Vorgänger Mirko Slomka entlassen wurde. Einen ganzen Tag lang telefonierten die HSV-Verantwortlichen am 15. September mit Tuchel und dessen Berater Felix Ahns. Am Ende zerplatzte der Tuchel-Traum aus drei Gründen: Zum einen wollte der begehrte Fußballlehrer nach seinem Aus bei Mainz 05 sein Sabbatjahr nicht unterbrechen. Zum anderen war Investor Klaus-Michael Kühne, den Beiersdorfer um die Finanzierung der Wunschlösung konsultierte, nicht bereit, das Gesamtpaket (Trainer plus Team) in Höhe von angeblichen fünf Millionen Euro zu bezahlen. Und drittens: Tuchel soll große Vorbehalte gegen die Zusammenstellung der aktuellen Mannschaft gehabt haben.

Tuchel signalisiert Bereitschaft

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Ein halbes Jahr später hat sich an den drei Ausschlusskriterien noch immer nichts geändert. Wie das Abendblatt erfuhr, trafen sich die HSV-Verantwortlichen aber trotzdem bereits vor drei Wochen mit Tuchel, um einen erneuten Gedankenaustausch zu suchen. Und zu ihrer großen Überraschung soll der 41 Jahre alte Wunschkandidat zumindest die grundsätzliche Bereitschaft signalisiert haben, das Wagnis HSV im Sommer anzugehen.

Jedoch: Der HSV ist keinesfalls der einzige Club, der Tuchel unbedingt holen will. Zweitligaclub RB Leipzig, der seit Monaten großes Interesse an Tuchel hat, soll durch den immer unwahrscheinlicheren Bundesligaaufstieg allerdings nicht mehr Favorit sein.

Doch der Name Tuchel ist Zukunftsmusik. In Hamburg. In Leipzig Oder sonst wo. In der Gegenwart ist Knäbel gefragt. An diesem Montag. Um 10 Uhr. Auf dem Trainingsplatz.