Belek. Vor einem Jahr stellte sich in Albufeira Matthias Tillmann als Schalkes Vorstandschef vor. Wie ist seine Bilanz?
Als die Profis des FC Schalke 04 am Freitagmittag in Düsseldorf ins Flugzeug stiegen, wurden sie vom Chef-Flugbegleiter persönlich begrüßt: „Herzlich Willkommen und Glückauf.“ Dreieinhalb Stunden Flug nach Antalya standen auf dem Plan, erst in der Dunkelheit erreichte der Zweitligist sein Quartier. Am Montag kommt sogar Schalkes Klubchef nach, schaut sich die Bedingungen persönlich an. Matthias Tillmann wagt dann möglicherweise einen kleinen Rückblick.
Schalke: Albufeira im Januar 2024 war Tillmanns erste Dienstreise
Für den 41-Jährigen ist es ein Déjà-vu. Fast exakt ein Jahr ist es her, da erreichte er auch das Winter-Trainingslager 2024 mit Verspätung. Gemeinsam mit dem neuen Sportdirektor Marc Wilmots war er nach Albufeira in Portugal gereist, lernte Team, Trainer und Fans kennen. Verbreitete in einem Trainingslager Optimismus, das toll lief und mit dem Schwur endete, noch einmal den Bundesliga-Aufstieg anzugreifen.
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„Privat ist Schalke für mich pure Emotion“, sagte Tillmann dieser Zeitung in seinem ersten Interview, stellte tatkräftig seine ersten Projekte vor: das an Champions-League-Zeiten erinnernde Organigramm reduzieren, gemeinsam mit einem Partner Haupt- und Ärmelsponsor suchen, Wilmots als starken Mann im Sport unterstützen, sich persönlich vom ewigen Verdacht abgrenzen, er sei nur im Amt, weil er mit Aufsichtsrats-Chef Axel Hefer befreundet ist. Doch wie ist das gelungen?
Wenn Tillmann am Montag im Hotel Titanic in Belek - bei der Hotelwahl bewies Schalke selbstironische Züge - eintrifft, dann ist er angeschlagen. Weil eben nicht alles so klappte, wie er es geplant hatte. Die Personalie Wilmots scheiterte krachend. „Eine Fußballmannschaft funktioniert auch durch Hierarchien und klare Ansagen. Das kann Marc. Wie er auf die Leute zugeht, das macht etwas“, sagte er in Albufeira. Acht Monate später flog Wilmots raus. Er hatte sich nicht an Absprachen gehalten, zu Transfers fast nichts beigetragen, auf seine klaren Ansagen hörte niemand. Wilmots war Tillmanns teuerster Fehler.
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Die Suche nach einem Hauptsponsor sei in vollem Gange, im Gesamtprozess sei Schalke „im Vergleich zum Vorjahr einige Schritte voraus“, ließ Tillmann verlauten. Noch eine Prognose, die sich so nicht halten ließ. Erst am 19. Juli, sechseinhalb Monate später, präsentierte Schalke die Sun AG als Trikotpartner, ein Deal, der bis heute umstritten ist. Den Vertrieb hatte Tillmann schnell nach Amtsantritt an Sportfive ausgelagert.
Schalke: Existenznot im Frühjahr, Abstiegskampf im Herbst
Sportlich lief bis Anfang Dezember ebenfalls sehr viel schief, alle Verträge trugen Tillmanns Unterschrift. Schalke geriet in Existenznot, musste sogar einen Lizenzantrag für die Dritte Liga einreichen. Auch der im Sommer 2024 zusammengestellte neue Kader rutschte schnell wieder in die gefährliche Zone. Chaos als Dauerzustand, jeden Tag, jede Nacht Angst. Zu mutig sei die Kaderplanung gewesen, gestand Tillmann selbst.
Und das Organigramm? Ja, Tillmann straffte es, aber nicht einige Trennungen landeten vor dem Arbeitsgericht. Von sozialer Kälte war die Rede. Die Stimmung auf der Geschäftsstelle ist in den zwölf Monaten unter seiner Leitung nicht besser geworden.
Böse Kritik während Schalkes Hauptversammlung
Für alles musste sich Tillmann im November bei der Hauptversammlung viel Kritik anhören, teilweise unter der Gürtellinie. Er sei der „teuerste Auszubildende der Bundesrepublik Deutschland“ hieß es beispielsweise, hätte wenig Ahnung vom Profifußballgeschäft. Sich von Axel Hefer zu emanzipieren, ist ihm in zwölf Monaten nicht gelungen. Auch Hefer steht in der Kritik, bei der Versammlung hinterließ er vor den Mitgliedern rhetorisch und inhaltlich den besseren Eindruck. War Tillmann zu Beginn des Jahres in Interview und durch Kurzvideos in den Sozialen Netzwerken omnipräsent, sprechen nun andere für Schalke, vor allem Interims-Sportchef Youri Mulder. Er kann das, was Tillmann fehlt: locker plaudern, lustige Geschichten im Dutzend aus dem Ärmel schütteln, aber kurz darauf fachlich fundiert über Fußball und Kaderplanung philosophieren.
Es war kein gutes Jahr für Tillmann. Wenn er am Montag das Flugzeug betritt, startet auch er noch einmal bei Null. Was Mut macht? Die Fördergenossenschaft geht an den Start. Zwar hatten andere in der Klubführung die Idee, Tillmann aber ist der Chef. Einen zweistelligen Millionenbetrag soll sie bringen, es wäre für Tillmann ein Befreiungsschlag.
Schalke trifft in Belek auf Aarau und Zürich
Natürlich würden auch Ergebnisse helfen. Nach 17 Spieltagen sind die Schalker Mittelmaß, Auf- und Abstieg: alles scheint noch möglich. Damit der Trend nach oben geht, sind 27 Profis seit Freitagabend in Belek. Zwei Spiele stehen an, gegen Aarau (6. Januar) und Zürich (9. Januar). Dann sitzt auch Tillmann auf der Tribüne.
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