Gelsenkirchen. Auch bei den Fans von Schalke 04 sind alte Trikotmodelle beliebt. Teilweise sind sie weit über 100 Euro wert. In der WAZ erklärt ein Experte den Retro-Hype.
Ebbe Sand, Raúl, Gerald Asamoah, Olaf Thon oder Lincoln. Überall Schalke-Legenden. Am frühen Abend waren Mitte September 2024 einige der größten Kicker der jüngeren königsblauen Vereinsgeschichte im Karlsruher Wildparkstadion präsent – am Bierstand, im Fanblock und in der Straßenbahn. Zugegeben: Persönlich waren die Legenden nicht im Wildpark, aber zumindest ihre Trikots waren allgegenwärtig. Unter den rund 3000 Schalkern, die beim 0:2 in Karlsruhe live dabei waren, trugen einige die Jerseys ihrer größten Helden.
Denn neu ist dieses Phänomen nicht. Immer mehr Fans tragen lieber ein altes Schalke-Trikot – wahlweise mit Kärcher, Veltins oder Ractiv auf der Brust – als die aktuellen Shirts. Und wenn diese Trikots nicht gerade von älteren Verwandten an die nachfolgende Generation vererbt werden, wird dafür auch mal viel Geld ausgegeben. Täglich wechseln bei den Online-Verkaufsportalen Vinted, ebay und Kleinanzeigen Schalke-Shirts aus den Neunzigerjahren den Besitzer. Häufig für weit über 100 Euro.
Schalke-Trikots: „Durch das Tragen ihrer Trikots holt man Ebbe Sand, Gerald Asamoah und Co. zurück ins Jetzt“
Doch warum zahlen Menschen bei Ebay 115 Euro für ein gebrauchtes Heimtrikot von 1997 mit Gebrauchsspuren, wenn man für weniger Geld auch das Jersey der aktuellen Saison bekommt? „Retro-Trikots sind pure Nostalgie, sie bringen Erinnerungen an eine bessere Zeit zurück – und gerade jetzt, wo es für Schalke schlecht läuft, wird gern an die Erfolge der Vergangenheit gedacht“, erklärt Leon Rademaker den Retro-Hype. Der 29-jährige Nordhorner ist Betreiber von Trikotstoff.de, einem der größten deutschen Online-Shops für Retro-Trikots und somit Branchenkenner. Er sagt: „Durch das Tragen ihrer Trikots holt man Ebbe Sand, Gerald Asamoah und Co. zurück ins Jetzt.“
In seinem Shop bietet Rademaker über 300 Retro-Trikots aus der ganzen Welt an – egal, ob von Manchester City, Real Madrid, Nationalmannschaften, Bundesliga-Teams oder auch vom japanischen Erstligisten Nagoya Grampus. Auch Schalke-Shirts werden bei Trikotstoff immer wieder angeboten, doch wirklich lang sind die königsblauen, weißen oder grünen Trikots nicht auf Lager. „Es ist wirklich verrückt. Sobald ich Schalke-Trikots online stelle, sind sie sofort weg“, beschreibt der Gründer und Geschäftsführer.
Beliebt seien neben Schalke auch Jerseys von Bayern München, Borussia Dortmund, dem Hamburger SV und Werder Bremen. Artikel von Teams wie der TSG Hoffenheim oder RB Leipzig zählen hingegen nicht zu den Verkaufsschlagern in Retro-Shops. „Nostalgie und Tradition spielen eine große Rolle“, weiß Rademaker.
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Schalke: Das Eurofighter-Trikot ist längst Kult
Mit Blick auf den Schalker Uefa-Cup-Sieg im Jahr 1997 ist es wenig überraschend, dass auch die Trikotmodelle aus dieser legendären Saison längst Kultobjekte geworden sind. „Ich bekomme extrem oft Anfragen von Schalke-Fans nach den Eurofighter-Trikots – es war eine erfolgreiche Zeit und ein geiles Trikot“, sagt Rademaker.
Auch die Shirts mit Veltins-Sponsor aus der Zeit zwischen 1999 und 2001 sind extrem beliebt, gleiches gilt für die Modelle mit Ractiv und Müller-Sponsoren-Flock aus den Jahren 1992 bis 1994. All diese Trikots sind inzwischen über 100 Euro wert. Gazprom-Trikots sind wegen des Ukraine-Kriegs derweil weniger beliebt.
Natürlich hat Leon Rademaker als Betreiber eines eigenen Shops auch kommerzielles Interesse daran, von Retro-Trikots zu schwärmen. Trotzdem trifft er mit seinen Aussagen und seinem Shop den Zeitgeist vieler Fußballfans im Jahr 2024. Denn das Tragen von Retro-Trikots ist voll im Trend, nicht nur am Spieltag. „Ein Trikot ist längst mehr als ein Stück Stoff, das im Stadion getragen wird, es ist ein Modeobjekt“, sagt er.
Ein Streifzug durch die Einkaufsstraßen deutscher Großstädte bestätigt diese Aussage. Regelmäßig sieht man junge Leute mit Trikots von Real Madrid, dem FC Liverpool oder Paris Saint-Germain. Häufig auch mit den Nummern der großen Stars auf dem Rücken – hier ein Kylian Mbappé, dort ein Ronaldo. Geprägt haben diesen Trend auch internationale Superstars und Stilikonen. US-Rapper Travis Scott zeigte sich vor kurzem in einem HSV-Trikot aus der Saison 2002/03, auch Bella Hadid und Kim Kardashian trugen auf der Straße schon Retro-Trikots von Manchester United oder der AS Rom.
Schalke-Trikot wird für knapp 300 Euro angeboten
Der englische Online-Shop classicfootballshirts.co.uk hat diesen Trend längst erkannt. Das Warenlager mit über 500.000 Trikots des Branchen-Primus gilt als die größte Trikotsammlung der Welt. Inzwischen hat das Unternehmen auch Stores in den Innenstädten von Manchester, London und New York eröffnet.
Die Preise der beliebtesten Modelle von Top-Klubs oder Nationalteams aus den frühen Neunzigerjahren sind vergleichbar mit Preisen von High-Fashion-Brands. Ein England-Trikot von David Beckham aus der Zeit von 1995 bis 1997 kostet beispielsweise 415 Euro, ein BVB-Trikot der Saison 1997/98 237 Euro, ein Schalke-Trikot von 1992/93 296 Euro. Die Auswahl bei Classicfootballshirts ist außergewöhnlich, der Besuch in einem der Stores gleicht einem Museumsbesuch – aber Schnäppchen macht man dort nicht.
Bei solchen Preisen ist es wenig verwunderlich, dass viele Fußball- und Modefans auch auf Fake-Shirts aus Asien zurückgreifen. Schon für rund 20 Euro bekommt man online beliebte Retro-Modelle von Zidane, Beckham, Ronaldinho – aber auch Bundesliga-Trikots im Vintage-Design. Die Verlockung nach diesen Billig-Trikots ist groß. „Wer auf der Straße oder im Bierkönig auf Mallorca auffallen will, greift schnell mal zu einem 20-Euro-Trikot, obwohl die Qualität oft Mist ist“, weiß Händler Leon Rademaker. „Aber meine Erfahrung ist: Die meisten Hardcore-Fans würden niemals ein Fake-Trikot im Stadion tragen.“
Das dürfte auch auf viele Schalke-Fans zutreffen. Denn Fälschungen sind auch beim Schalker Auswärtsspiel in Karlsruhe kaum auszumachen. Wenn schon Ebbe-Sand-Trikot, dann auch richtig. Wohl dem, der eins der Stücke schon seit vielen Jahren im Schrank hängen hat.
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