Gelsenkirchen.. Schalkes U19-Cheftrainer Norbert Elgert muss immer mehr Spieler vorzeitig zu den Profis abstellen. Dies schwächt seine eigene Mannschaft. Eine Analyse.
Sein Alter sieht man Norbert Elgert gar nicht an. Der U19-Cheftrainer des FC Schalke 04 geht stramm auf die 60 zu, bis dahin sind es nur noch knapp zwei Jahre. Einen Spagat, mal eben so aus dem Stand, schafft der Fußballlehrer aber dennoch nicht. Das konnte er aber auch mit 20 Jahren nicht. Und trotzdem muss Elgert auf Schalke derzeit eines wie kein Zweiter schaffen: den Spagat.
Auf der einen Seite weiß der DFB-Trainer des Jahres, dass es die höchste Auszeichnung für ihn ist, wenn seine Spieler den Sprung in den Profifußball schaffen. Ziel erreicht, könnte man plump sagen. Auf der anderen Seite ist jeder U19-Trainer aber auch ein Wettkämpfer und will den größtmöglichen Erfolg mit seiner Mannschaft erreichen. Und genau darin liegt auf Schalke im Moment dieser Spagat.
Di Matteo lobt die Nachwuchsarbeit
Roberto Di Matteo ist mit der Arbeit von Norbert Elgert sehr zufrieden. Der Italiener weiß um den Luxus, auf Spieler zurückgreifen zu können, die durch die hohe Schule des besten Ausbilders Europas gehen. Erst nach dem Champions-League-Rückspiel in Madrid, als Leroy Sané seinen ersten großen Auftritt bei den Profis hatte, sagte Di Matteo: „Norbert Elgert hat hier immer super Arbeit geleistet, wenn man sieht, wie viel Spieler er in die erste Mannschaft geschickt hat. Das ist natürlich wichtig für die Zukunft des Vereins.“ Seine Anerkennung zeigt der Italiener seit Amtsantritt auch regelmäßig dadurch, dass er Spieler aus der U19 anfordert. Es gibt kaum einen Spieler aus dem Altjahrgang, der nicht schon bei den Profis trainiert hat, drei bis vier Spieler sind regelmäßig dabei.
Toll für die Spieler – welcher 18-Jährige darf schon Doppelpass mit Klaas-Jan Huntelaar spielen oder Weltmeister Benedikt Höwedes den Ball abluchsen? Problematisch wird das aber auf Dauer für Elgert. Denn seine Spieler stehen ihm in der Vorbereitung auf die Partien in der U19 nicht zur Verfügung. Mannschaftstaktische Übungen ins Trainingsprogramm einzubauen, ist äußerst schwierig.
Profi-Einsätze hart erarbeiten
Elgert weist gleich auf mögliche Konsequenzen hin: „Wir sind in den letzten drei Jahren Westdeutscher Meister geworden, waren auch in der Youth League in beiden Jahren die mit großem Abstand erfolgreichste deutsche Mannschaft. Das darf zum einen nicht als Selbstverständlichkeit angesehen werden. Zum anderen wird es immer schwieriger, große Titel zu gewinnen.“
Man stelle sich nur vor, die beiden U19-Stürmer Leroy Sané oder Felix Platte hätten im Pokalhalbfinale gegen Hertha BSC auf dem Feld gestanden – es hätte die Wahrscheinlichkeit auf den Einzug ins Endspiel deutlich erhöht. Der Traum vom Titel platzte aber, Schalke drücke pausenlos, doch Hertha siegte 2:1.
Norbert Elgert wünscht sich, dass seine Spieler sich die Trainingseinheiten und Einsätze bei den Profis härter erarbeiten müssen. „Durch herausragende Trainingsleistungen und konstant überragende Leistungen in den Jugendspielen“, erklärt er und erinnert an die Zeit, als ein Training bei den Profis noch alles andere als selbstverständlich war. „2012, in dem Jahr als wir Deutscher A-Jugend-Meister wurden, war Sead Kolasinac mein Mannschaftskapitän und der einzige Spieler, der schon oben mittrainiert hat. Und das auf meine Empfehlung.“ Die Weltmeister Benedikt Höwedes oder auch Manuel Neuer hätten bis zum letzten Tag bei der U19 gespielt und auch trainiert.
Elgert freut sich über Aufstieg von Sané
Elgert macht keinen Hehl daraus, dass ihm dieser harte und steinige Weg eher zusagt. „Das Fundament ist dann stabiler, und darauf kommt es schließlich an“, erklärt er. Wohlwissend, dass das Verletzungspech bei den Profis in den vergangenen beiden Jahren so groß war, dass Bedarf an Spielern, die den Kader auffüllen, bestand. Dass Leroy Sané regelmäßig im Profikader steht, begrüßt Elgert sogar. „Eben weil er oben auch eine gute Rolle spielt“, sagt er.
Nein, mit einem Vereinswechsel liebäugelt Elgert trotz der Umstände und zahlreicher Anfragen nicht. Dafür liebt er seine Arbeit, liebt er seinen Verein viel zu sehr. Seinen Vertrag hat Norbert Elgert im vergangenen Jahr vorzeitig bis 2018 verlängert. „Aus voller Überzeugung“, wie er sagt. Aber, auch das macht er deutlich, sehnt er sich nach einer Zeit, in der er „wieder ein Mannschaftstrainer und nicht ausschließlich Zulieferer“ sein kann. „Ich möchte ein Team aufbauen können, es verbessern, und die Luft, die jedes Team der Welt nach oben hat, erreichen.“ Eben ein schwerer Spagat...