Darmstadt. Darmstadt-Experte Stephan Köhnlein zeigt auf, wie Schalkes heutiger Trainer Dimitrios Grammozis den SVD wieder auf Kurs brachte.

So sieht man sich wieder. Zweieinhalb Jahre nach seinem Abschied von Darmstadt 98 trifft Schalke-Coach Dimitrios Grammozis am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) in der Veltins-Arena auf seinen Ex-Club.

Gute Erinnerungen an Grammozis

Und während rund um Gelsenkirchen nach zwei 0:1-Niederlagen manch einer über die Trainerqualitäten des 43-Jährigen diskutiert, hat man in Südhessen nur gute Erinnerungen an Grammozis. „In Darmstadt hat er, wenn man mal auf die Zahlen schaut, sehr gute Arbeit geleistet“, sagt der Lilien-Experte Stephan Köhnlein.

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Der Blogger (lilienblog.de) bilanziert: „Dimitrios Grammozis war der erfolgreichste Darmstädter Trainer seit dem Wiederaufstieg in die 2. Liga 2014.“ Wie auf Schalke hatte Dimitrios Grammozis auch den SVD erst im Laufe der Rückrunde übernommen – nach 23 Spieltagen in der Zweitliga-Saison 2018/19.

Ziel: Ausbeute und Spielkultur erhöhen

Und: Wie bei seiner augenblicklichen Mission in Königsblau, sollte der Deutsch-Grieche in Hessen nicht nur die Punkteausbeute, sondern auch die Spielkultur erhöhen. Vorgänger Dirk Schuster, so fand man in Darmstadt, hatte allzu destruktiv spielen lassen.

Grammozis, der erst ein knappes Jahr zuvor die UEFA-Pro-Lizenz erworben hatte, besaß hervorragende Referenzen: Bereits als U19-Trainer des VfL Bochum hatte er strukturierten Tempo-Fußball spielen lassen.

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„Dimitrios Grammozis kam, als Darmstadt am Boden lag“, erinnert sich Blogger Köhnlein. „Unter Dirk Schuster hatte man nicht nur sehr schlechten Fußball gespielt. Man war auch den Abstiegsrängen relativ nahe.“

Unerfahren zum SV Darmstadt 98

Dass die Clubführung in Grammozis einen Nachfolger ohne Chefcoach-Erfahrung im Profibereich präsentierte, sorgte im Lager der „Lilien“ zunächst für Verwunderung. „Aber das legte sich schnell“, so Köhnlein.

„Es hat zwar nicht alles funktioniert, was Grammozis angepackt hat, doch unterm Strich war es für den Verein eine ziemlich erfolgreiche Geschichte.“

Von den verbleibenden elf Saisonspielen verlor die Grammozis-Elf nur drei, gewann sechs und beendete die Saison 2018/19 auf einem sehr soliden zehnten Platz. Teil eins der Mission hatte der Trainernovize damit bewältigt.

Keine taktische Revolution

Dabei kam Grammozis ohne die ganz große taktische Revolution aus: Das 4-2-3-1-System seines Vorgängers behielt er weitgehend bei, „er ließ es allerdings mutiger interpretieren als unter Schuster“, sagt Köhnlein:

„Seine Devise war: Ballbesitz schießt keine Tore. Sein Ziel war nie die totale Dominanz, Grammozis’ Spiel war – zumindest in Darmstadt – eher auf schnelles Umschaltspiel ausgerichtet.“

Und noch etwas implementierte der gebürtige Wuppertaler bei den „Lilien“, wie Köhnlein verrät: „Er sagte den Spielern immer, dass sie auch mal Fehler machen dürfen.“

Die folgende Spielzeit 2019/20 beendete Grammozis mit Darmstadt auf Platz fünf der 2. Liga. Vielleicht hätte es sogar noch mehr werden können: „Die Mannschaft hatte damals so eine Art Herbstkrise“, erinnert sich Stephan Köhnlein, „das lag auch daran, dass Grammozis einen Fehler gemacht hat.“

Ohne Kempe war Darmstadt nicht mehr so gut

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Der junge Trainer setzte irgendwann nicht mehr auf den alt-eingesessenen Tobias Kempe, der in der Mannschaft und bei den Fans eins sehr gutes Standing hatte.

„Ohne Kempe hat Darmstadt nicht mehr so gut gespielt wie zuvor“, analysiert Köhnlein und kommt zu dem Schluss: „Andererseits spricht es für Grammozis, dass er diesen Fehler erkannt und revidiert hat.“ In der Rückrunde stabilisierte sich der SV Darmstadt 98, auch dank Kempes Wiedereingliederung.

„Es gab irgendwann eine Serie von zehn Ligaspielen ohne Niederlage. In dieser Phase gab das Team einige Vorstellungen, bei denen es sehr schnell und flüssig nach vorne kombinierte“, erzählt Köhnlein und fügt an: „Just in dieser Phase gab es Gespräche über eine Verlängerung des zum Saisonende auslaufenden Trainervertrages.“

Lilien wollten nur ein Jahr verlängern

Die Lilien, finanziell nicht auf Rosen gebettet, wollten mit Grammozis nur um ein Jahr verlängern. Der aber wollte zwei Jahre – auch, um „nachhaltig arbeiten“ zu können, wie er damals sagte.

Die Spieler äußerten sich einmütig pro Verbleib von Grammozis – vor allem dessen verlängerter Arm Victor Pálsson (kam im vergangenen Sommer auf Trainerwunsch von Darmstadt nach Schalke), der demonstrativ erklärte: „Ich habe noch nie eine so gute Stimmung in einer Mannschaft erlebt, das ist auch ein Verdienst des Trainer-Teams.“

Spieler wollten Gewissheit

Sogar der zwischenzeitlich aussortierte Kempe bekannte nach einem 2:1-Auswärtssieg in Nürnberg: „Es wäre natürlich schön, wenn wir Spieler auch Gewissheit haben, dass Dimi unserer Trainer bleibt.“ Doch Grammozis zeigte sich stur, selbst als die Darmstädter Vereinsführung einen neuerlichen Vorstoß zu Gesprächen startete.

„Er hat wohl gespürt, dass das Vertrauen der handelnden Personen nicht restlos vorhanden war“, glaubt Blogger und Lilien-Experte Stephan Köhnlein, der feststellte, dass nicht wenige Leute in Darmstadt dem scheidenden Grammozis hinterher weinten.

Ausbeute: 1,60 Zähler pro Spiel

Die Zahlen sprachen für den ehemaligen Bundesligaprofi: In 45 Zweitliga-Partien auf dem Trainerstuhl der „Lilien“ hatte der Deutsch-Grieche immerhin 72 Punkte geholt (im Schnitt 1,60 Zähler pro Partie).

„Noch in der vergangenen Saison unter Markus Anfang hätte sich wohl manch einer diesen Trainer zurückgewünscht“, sagt Stephan Köhnlein. Dass Darmstadt derzeit unter Neu-Coach Torsten Lieberknecht nur zwei Punkte hinter Aufstiegsaspirant Schalke 04 liegt, ist vielleicht auch das Verdienst von Grammozis – zumindest zu einem kleinen Teil.