Gelsenkirchen. .
Das deutsche Eishockey kriselt vor der Heim-WM mal wieder gehörig – Fans lassen sich ihre Vorfreude dadurch nicht trüben. Für die 56 Spiele sind schon jetzt mehr als 350.000 Tickets verkauft. Eine halbe Million Zuschauer sollen es werden.
Es war einmal im Jahr 2006. Die Fußball-WM im eigenen Land. Deutschland – ein Sommermärchen. Folgte 2007 die Handball-WM. Deutschland – ein Wintermärchen. Könnte folgen: Deutschland – ein Frühlingsmärchen. Bei der Eishockey-WM vom 7. bis 23. Mai gibt es dummerweise einen Störfaktor: Eishockey! Die deutsche Nationalmannschaft muss als Gastgeber selbst auch Sport treiben. Und wirkte dabei zuletzt eher tölpel- als märchenhaft.
Man muss schon gehörig kramen in den Statistiken, um Mutmachendes zu finden. Ein toller sechster Platz bei der WM 2003 in Finnland. Rang sieben immerhin in der ewigen Tabelle aller 73 Weltmeisterschaften mit 54 deutschen Teilnahmen. Doch der täuscht gewaltig. Die traurige Wahrheit über das deutsche Eishockey lautet: Platz 12 in der aktuellen Weltrangliste; jeweils Vorletzter bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr in Österreich und bei den Olympischen Winterspielen 2010 in Vancouver.
Sportlich stieg das Team von Bundestrainer Uwe Krupp 2009 sogar in die B-Gruppe ab, bereits zum zweiten Mal binnen fünf Jahren. Und nur weil sie in diesem Jahr Gastgeber sind, dürfen die Deutschen überhaupt mitmachen.
Zu dieser tristen Zustandsbeschreibung passt auch die just abgelaufene Saison in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL). Die Finalserie zwischen den Hannover Scorpions und den Augsburger Panthern, die am Sonntag nach drei engen Duellen mit dem ersten Titelgewinn der Niedersachsen endete, interessierte außerhalb von Hannover und Augsburg keine Menschenseele. Nicht einmal eingefleischte Eishockey-Fans. Und selbst in Hannover schlägt das Herz der Fans im Grunde für die „Indians“. Der Traditionsklub hatte als Zweitliga-Vorletzter einen Schnitt von über 3.000 Zuschauern. Lokalrivale Scorpions, einst als ESC Wedemark auf Kufen unterwegs und im benachbarten Hannover allenfalls geduldet, spielte trotz toller Saison in der Hauptrunde meist vor halbleeren Rängen. Mit durchschnittlich 4.700 Besuchern war die moderne Arena nicht einmal zur Hälfte ausgelastet.
Eine halbe Million Zuschauer
Bezeichnend auch, dass die vermeintlichen Spitzenklubs, als es darauf ankam, allesamt schwächelten. Titelverteidiger und Top-Favorit Eisbären Berlin, gewissermaßen der FC Bayern München unter den deutschen Eishockey Klubs, schied vorzeitig aus. Ebenso die Adler Mannheim, die trotz traumhafter Rahmenbedingungen seit Jahren am eigenen Anspruch scheitern. Auch Vizemeister Düsseldorf blieb auf der Strecke. Von den Kölner Haien ganz zu schweigen – der Traditionsverein steht auf der Kippe zur Insolvenz. Wie auch die Krefelder Pinguine, Meister von 2003. Und die Kassel Huskies haben sogar Insolvenz beantragt, wollen aber mit einem neuen Hauptgesellschafter weitermachen.
Dass unter den Eishockey-Fans zehn Tage vor dem WM-Eröffnungsbully dennoch die schiere Euphorie herrscht, ist nur mit ihrer unglaublichen Leidensfähigkeit zu erklären. Für die 56 Spiele sind schon jetzt mehr als 350.000 Tickets verkauft. Eine halbe Million Zuschauer sollen es werden. Weil Deutschland im Herzen Europas für die Anhänger aller 16 teilnehmenden Nationen gut erreichbar ist - 30 bis 40 Prozent der Besucher sollen aus dem Ausland kommen -, träumt man beim DEB insgeheim sogar von einem neuen WM-Rekord. Den hält bislang Tschechien mit 552.000 Zuschauern bei der WM 2004.
Kein Traum, sondern Ge-wissheit ist ein Weltrekord. Für das Eröffnungsspiel Deutschland - USA am 7. Mai (20.15 Uhr) in der Gelsenkirchener Veltins Arena sind sämtliche 76.152 Eintrittskarten verkauft. Noch nie in der Historie des schnellsten Teamsports haben mehr Menschen einem Spiel beigewohnt. Der volkswirtschaftliche Nutzen der WM, rechnen die Organisatoren vor, soll bei 800 Millionen Euro liegen. Öffentliche Mittel fließen nicht in das 2010 größte Sportereignis auf deutschem Boden. Beeindruckend, das alles. Wenn da bloß der Sport nicht wäre.