Gelsenkirchen.. Die Borussen vom Niederrhein beeindruckten mit einem neuen Fair-Play-Rekord und machen sich nun sogar Hoffnungen auf die Champions League. Trainer Favre aber bleibt zurückhaltend.

Lucien Favre will auch als Trainer der Mönchengladbacher Fohlen einfach nicht der Typ sein, mit dem die Gäule durchgehen. Der Schweizer bemüht sich ständig um Selbstkontrolle, im Sieg wie in der Niederlage sind ihm Sachlichkeit und Seriosität wichtiger als auffallende Ausschläge auf dem Seismographen der Emotionen.

Nach dem durchaus beeindruckenden 1:0-Sieg beim FC Schalke 04 hätte der Borussen-Trainer reichlich Gründe gehabt, um ausnahmsweise Züge von Euphorie zu zeigen. Doch in seiner Analyse blieb er sich treu: „Es war schwer, aber verdient. Insgesamt war es ein gutes Spiel.“

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Ja, das war es, aber außer dem Fußballfachmann Favre zeigte kaum jemand, dessen Herz für die Elf vom Niederrhein schlägt, nach dem Abpfiff tatsächlich noch Interesse daran, über den Verlauf und die Qualität des Spiels zu diskutieren. Drei Punkte waren eingetütet – die Seele erwärmende und die Hoffnung schürende Punkte.

„Das fühlt sich wunderbar an, zu 99,7 Prozent haben wir die Europa League schon gesichert, jetzt haben wir Blut geleckt“, jubelte Sportdirektor Max Eberl, der sich im Gegensatz zu Lucien Favre in solchen Momenten keinesfalls davor scheut, seine Gefühle nach außen zu tragen und höhere Ziele vorzugeben. Denn nun können die Gladbacher sogar auf den vierten Rang schielen, der ihnen die Qualifikation zur Champions League bescheren würde. Leverkusen belegt derzeit diesen begehrten Platz, ist aber nur drei Punkte entfernt.

Erst gegen Mainz, dann in Wolfsburg

Nach einem erschreckenden Absturz nach der Winterpause sind die Borussen pünktlich zum Saison-Endspurt wieder den Tabellenberg hinaufgekraxelt. In den letzten beiden Partien wird ihnen dabei alles abverlangt werden, denn es geht gegen direkte Konkurrenten: zuerst zuhause gegen Mainz, danach auswärts gegen Wolfsburg.

Möglicherweise müssen sie dann auch mal wieder mit rustikalerem Körpereinsatz zur Sache gehen und dabei das Risiko gegnerischer Freistöße inkaufnehmen. In Schalke war das nicht nötig, die Statistik dokumentiert im Nachhinein die Harmlosigkeit der Königsblauen: Die Mönchengladbacher begingen im gesamten Spiel nur ein Foul – und das auch noch erst in der 90. Minute, als sich Roel Brouwers nur mit einem Zupfer am Trikot von Klaas-Jan Huntelaar zu helfen wusste.

Damit stellten die Borussen einen neuen Bundesliga-Rekord auf: So fair war zuvor noch kein Team in der 51-jährigen Liga-Geschichte, in der die Gegenspieler von Haudegen wie Uli Borowka, Tomasz Hajto, Maik Franz oder Walter Frosch einst befürchten mussten, schon im Kabinengang abgegrätscht zu werden.

„Eigentlich ist das gar nicht so gut, nur nebenher zu laufen, aber es ist ja gutgegangen“, meinte Gladbachs Innenverteidiger Martin Stranzl. Sein Abwehrpartner Tony Jantschke sprach von einem „Feiertag für Borussia Mönchengladbach“, genoss aber auch das große Ganze: „Was wir mit der Mannschaft, den Fans und dem gesamten Verein in den letzten drei Jahren aufgebaut haben, ist überragend.“

Im vergangenen Jahr haben es die Gladbacher knapp verpasst, Reisen durch Europa zu buchen. Trotz der auch nach Ansicht von Martin Stranzl nur „durchwachsenen Rückrunde“ sind sie nun gereift und auf Kurs. „Wir wollen noch zwei Siege, und dann sehen wir, wozu das reicht“, sagte Patrick Herrmann, auf Schalke der Schütze des Goldenen Tores.

Auch sein Trainer blickte voraus. „Wir wollen gegen Mainz gewinnen“, sagte Lucien Favre. Aha. Jede andere Aussage wäre allerdings auch so überraschend gewesen wie ein Fair-Play-Preis für Borowka, Hajto, Franz oder Frosch.

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