Leverkusen/Dortmund. Florian Wirtz gilt als größtes deutsches Talent. Sonntag soll der 18-Jährige für Leverkusen den BVB ärgern. Was macht ihn so besonders?
Auf dem Platz wirken Profis oft älter, als sie sind, wenn sie unbeeindruckt von all dem Getöse ihr Können präsentieren.
Von daher überrascht es im ersten Moment, dass Florian Wirtz abseits der Bundesliga-Bühne gar nicht die Reife ausstrahlt, die er während eines Fußballspiels zeigt. Dass er so auftritt, wie Menschen mit 18 Jahren nun mal auftreten. Mal naiv, mal forsch, Zurückhaltung mischt sich mit großen Träumen, als er vor dem Topspiel bei Borussia Dortmund am Sonntag (15.30 Uhr/DAZN) im Leverkusener Stadion über seine Gefühlswelt spricht.
Die Ziele von Florian Wirtz: Königsklasse und WM-Titel
„Ich würde gerne mal die Champions League gewinnen, Weltmeister werden“, sagt Wirtz auf der einen Seite. Anderseits sei vielleicht alles etwas schneller gegangen, als er es erwartet habe. Darüber denke er nur nicht allzu viel nach. Er treffe sich lieber mit Freunden, mit denen er über andere Sachen reden könne als Fußball. „Das gehört hier nur nicht hin“, sagt er, schmunzelt dabei. Fast eine normale Jugend eines Abiturienten (Wirtz hat seinen Abschluss im vergangenen Jahr geschafft) also, nur dass den meisten 18-Jährigen natürlich nicht über 100.000 Menschen in den Sozialen Medien folgen. Dass sie nicht ernsthaft davon träumen können, irgendwann die größten Trophäen im Fußball anzufassen.
Florian Wirtz hingegen gilt als derzeit größtes deutsches Talent in seiner Sportart, sein Marktwert wird auf 80 Millionen Euro geschätzt. In ausländischen Medien wird er mit Klubs wie Real Madrid in Verbindung gebracht, für Deutschland hat er bereits vier Länderspiele absolviert. Sonntag tritt der an der Grenze zu Köln geborene Pulheimer mit dem Dritten Leverkusen beim Zweiten Dortmund an – und trotz seines jungen Alters soll er im Topspiel die Offensive anführen.
Sein Tempo? Atemberaubend. Seine Pässe? Elegant. Ein Taktgeber, der an große Zehner erinnert.
Dies zeigt einmal, dass der deutsche Fußball zwar Probleme bei der Nachwuchsförderung hat, trotzdem immer wieder außergewöhnliche junge Spieler hervorbringt. Nur zur Erinnerung: In der vergangenen Saison hat Kai Havertz (22) das Champions-League-Finale für Chelsea entschieden. Und zudem, dass es Bayer Leverkusen immer wieder versteht, diese Talente auszubilden, denn jener Havertz schaffte den Sprung zu den Profis genau dort.
Bayer Leverkusen kaufte Florian Wirtz für 200.000 Euro vom 1. FC Köln
Ob der Druck in Leverkusen geringer sei als etwa beim kommenden Gegner Dortmund, wisse er nicht, meint Wirtz, weil er beim BVB noch nicht gespielt habe. Aber er habe im Januar 2020 die bessere Perspektive bei der Werkself gesehen. Damals verließ der Offensivspieler den 1. FC Köln, neun Jahre hatte er sich in der Kölner Jugend weiterentwickelt, war mit dem Fahrrad zum Training gefahren, ehe ihn Leverkusen für nur 200.000 Euro kaufte. Was die Kölner Verantwortlichen angesichts der Wertentwicklung mittlerweile schmerzen dürfte.
Wirtz etablierte sich schnell. Für einige Wochen kreuzte sich dabei der Weg des großen Talents mit einem Trainer, den sie in Dortmund gut kennen. Hannes Wolf arbeitete von März bis Juni 2021 bei Bayer. „Florian ist für sein Alter auf einem extrem hohen Niveau“, sagt der 40-Jährige dieser Redaktion. „Technisch und mit seinem Spielverständnis ist er herausragend. Aber auch körperlich, in seiner Defensivarbeit und von seiner Persönlichkeit ist er ein sehr gutes Gesamtpaket und auf einem außergewöhnlich guten Weg.“
Neun Geschwister verfolgen den Weg von Florian Wirtz
Allein in dieser Saison hat Wirtz fünf Tore geschossen, neun vorbereitet. Auf dem Platz wirkt er im Zentrum dabei so reif, als habe er nie etwas anderes gemacht, als Bundesliga zu spielen. „Ich höre oft, dass meine Spielweise leicht, locker und befreit aussieht“, sagt er, aber bei ihm sei es schon so, dass er vor einem Spiel nervös sei. „Wenn der Schiedsrichter dann anpfeift und die ersten Pässe gespielt sind, ist das wieder weg.“
Dies weckt Begehrlichkeiten. Der Vertrag von Florian Wirtz gilt bis 2026, was er zwar immer wieder betont, wenn er nach seiner Zukunft gefragt wird, ein Bekenntnis zu seinem Arbeitgeber vermeidet er jedoch. Es soll allerdings vereinbart sein, dass der Nationalspieler mindestens bis 2023 bleibt. Fest steht: Wenn er die Champions League gewinnen möchte, muss er Leverkusen irgendwann verlassen.
Vorher möchte er am Sonntag den BVB ärgern, seine ungewöhnliche Familie wird dabei zuschauen. Denn es gibt noch etwas, dass den 18-Jährigen schon immer von fast allen seinen Altergenossen unterscheidet. Florian Wirtz hat neun Geschwister. „Sie unterstützen mich mit am meisten“, sagt er, der der Jüngste ist.
Eine geborene Nummer 10.