Dortmund. Die Nachricht von Mario Götzes Wechsel zu den Bayern hat in Dortmund und im Ruhrgebiet eingeschlagen wie eine Bombe. BVB-Fans sind entsetzt. Ausgerechnet Jungstar Mario Götze kehrt Jürgen Klopps Truppe den Rücken. Warum sein Abschied die Dortmunder Fan-Seele so sehr trifft.

Die Sonne versteckt sich hinter dunklen Wolken, kalter Wind weht durch die Straßen. Das Wetter in Dortmund passt sich an diesem Dienstagmorgen den Nachrichten an. Mario Götze verlässt den BVB. Das tut der Borussen-Seele weh. Denn Mario Götze ist auch in dieser Ausnahmemannschaft, über die der BVB derzeit verfügt, noch ein besonderes Kaliber. Vier Gründe, warum sein Abgang Fans und Verein so hart trifft.

1) Mit Götze verlässt ein "Dortmunder Jung" den BVB

Mario Götze ist "einer von uns", wie die Fans es ausdrücken. Der 20-Jährige lebt in Dortmund, seit er sechs Jahre alt ist. Beim BVB durchlief er nahezu alle Nachwuchsabteilungen. Hier wurde er Nationalspieler.

Wäre heute der seit Monaten diskutierte Wechsel von BVB-Stürmer Robert Lewandowski verkündet worden, hätten die BVB-Fans das - bei aller Trauer - gelassener hingenommen. Doch dass Götze geht, schmeckt nach Verrat, auch weil er bislang keine Starallüren zeigte, sondern sich im Team einfügte. Erst vor knapp zwei Wochen bekannt er im "Zeit"-Interview, er fühle sich in der Mannschaft geborgen.

Spätestens als vor einem Jahr sein Kumpel Marco Reus zu den Dortmundern stieß, gewannen die Fans das Gefühl Götze fühle sich im BVB-Team so wohl, dass ein Wechsel für ihn nicht infrage käme.

2) Götze steht wie kein anderer für die neue Spielweise des BVB

Wie viele Verteidiger haben Lewandowski, Reus & Co. in letzter Zeit schwindlig gespielt? Unter Jürgen Klopp wurde Fußball beim BVB zur Delikatesse: sauberes Kurzpass-Spiel, wie man es sonst außerhalb Spaniens nur selten zu sehen bekommt, Zug zum Tor, Pressing gegen den Ball. Immer mittendrin: Mario Götze. Wie kein anderer steht der Jungstar für den "neuen Fußball" des BVB. Wie kein anderer schien er umsetzen zu können, was sich sein Trainer ausdachte. Nicht verwunderlich, dass der Spielgestalter den Bayern 37 Millionen Euro wert.

Diese neue Spielweise war es, die dem BVB national und international wieder zu mehr Respekt verhalf. Nach dem Jammertal aus Schulden und sportlichen Misserfolgen der Nullerjahre, "war man wieder wer" im Fußballland. Ohne Mario Götze hätte das so nicht funktioniert.

3) Das Timing ist für den BVB äußerst unglücklich

Keine Frage, der BVB kann den Verlust von Stars wegstecken: Vergangenes Jahr war es Shinji Kagawa, der sich nach England verabschiedete. Vor zwei Jahren verkündete Nuri Sahin, dass er mit Real Madrid einig geworden sei.

Was beide Transfers von Götzes Abgang unterscheidet: Sie wurden erst bekannt, als die Saison gelaufen war. Kagawa wartete sogar bis nach dem Pokalfinale. Als Sahin seinen Wechsel verkündete, stand der BVB als Meister fest.

Die Nachricht vom Götze-Wechsel erwischt den BVB nur einen Tag vor dem so wichtigen Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid. Für einige Fans liegt der Verdacht nahe, die Bayern hätten die Nachrichte vom Götze-Transfer bewusst durchsickern lassen, um so von den Steuerermittlungen gegen Bayern-Boss Uli Hoeneß abzulenken.

Doch unabhängig davon, was an solchen Vorwürfen dran ist: Den BVB-Fans bleibt nur die Hoffnung, dass sich die BVB-Profis samt Mario Götze jetzt nicht aus der Bahn werfen lassen. Dafür steht am Mittwoch zu viel auf dem Spiel.

4) "Ausgerechnet Bayern München"

"Warum ausgerechnet Bayern?", fragen seine Dortmunder Fans Mario Götze. Wäre er ins Ausland gegangen, hätten sie ihm den Abgang nicht so übel genommen, das ist sicher. Doch ausgerechnet zum größten Konkurrenten in der Bundesliga?

Natürlich schimpfen die Fans jetzt auf die reichen Bayern. "Die stärken sich, indem sie andere schwächen", so der Vorwurf. Was dabei immer mitschwingt, ist das ungläubige Entsetzen, dass - wieder einmal - einer der Ihren auf die Verlockungen des großen Geldes hereingefallen ist.

Wer nachvollziehen will, was es mit der Fan-Seele macht, wenn eine Identifikationsfigur dem eigenen Klub den Rücken zuwendet, um sich den Bayern anzuschließen, der fragt am besten in Gelsenkirchen nach: Dort haben viele Fans Manuel Neuer den Wechel nach München bis heute nicht verziehen.