Dortmund. Wir haben mit BVB-Boss Hans-Joachim Watzke im ersten Teil unseres Interviews über die englischen Milliarden, die Sportschau und die Jugend gesprochen.

Seit mehr als zehn Jahren führt Hans-Joachim Watzke (59) die Geschäfte des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund. Nach dem Blitzstart des BVB in die neue Saison haben wir uns mit Watzke getroffen.

Sie gelten als jemand, der Entwicklungen voraussieht. Die englischen Vereine werden ab der kommenden Saison drei Milliarden Euro durch den neuen Fernsehvertrag erlösen. Graut es Ihnen schon vor der finanziellen Übermacht?

Hans-Joachim Watzke: Geld ist dort ja jetzt schon im Übermaß vorhanden. Der Engländer hat eine völlig andere Philosophie, er ist es seit 50 Jahren gewöhnt, dass irgendeinem sein Klub gehört. Ob der jetzt aus China, Russland oder der Wüste kommt. Aber der Scheich von Manchester City war glaube ich seit Jahren kaum im Stadion, der macht das alles per Ferndiagnose. Er will den Erfolg sofort und nicht erst in drei Jahren. Das ist eine Gefahr, weil die Fans den Preis zahlen, wenn sie an der Nationalmannschaft interessiert sind und am englischen Nachwuchs.

BVB-Boss Hans-Joachim Watzke im Gespräch mit Daniel Berg (l.).
BVB-Boss Hans-Joachim Watzke im Gespräch mit Daniel Berg (l.). © Lars Heidrich / FUNKE Foto Service | Lars Heidrich / FUNKE Foto Service

Das heißt: Sie halten die Auswirkungen der Fernsehmillionen in England für überschaubar?

Watzke: Ich sehe das nicht so dramatisch. Wir müssen unsere Strategie ein bisschen ändern. Wir müssen mehr junge Spieler ausbilden, wir müssen noch mehr in die Infrastruktur stecken, wir müssen mutiger sein und junge Spieler früher einfach mal bringen, so wie es Thomas Tuchel mit Julian Weigl gewagt hat. Wenn man vor sechs Monaten behauptet hätte, der Weigl wird nach wenigen Wochen eine der zentralen Figuren vom BVB, dann hätte man doch gesagt: Träum' weiter! Wir haben beim BVB schon vor zwei, drei Jahren damit bewusst begonnen zu sagen, dass wir den Schwerpunkt der Ausbildung von der U23 auf die U19 verlagern müssen. Wir brauchen die Spieler mit 18 oder 19. Und deshalb ist die U19 jetzt unser Flaggschiff.

Ist es eine Option, die U23 abzuschaffen?

Watzke: Nein. Wir brauchen die U23 auf jeden Fall. Es gibt ja auch immer mal wieder Jungs, die den finalen Schritt etwas später machen, so wie Erik Durm oder Jonas Hofmann. Die U23 wird in Zukunft sozusagen der zweite Bildungsweg sein. Aber den zu versperren, das wäre fahrlässig.

Was, wenn die Talente dann aus England angeworben werden?

Watzke: Dann wird es schwierig, klar. Die kaufen ja scheinbar immer weiter. Ich habe gelesen, dass Chelsea 33 Spieler in Europa nur verliehen hat! Aber die jungen Spieler haben zu dem Verein, der sie ausbildet, eine viel größere Bindung. Und sie erkennen auch, dass sie in England eher als Ware gehandelt werden. Die werden sofort weiterverliehen nach Alkmaar oder sonst wohin. Der Spieler ist also gar nicht mehr Herr des Geschehens. Außerdem glaube ich, dass durch das viele Geld ein wenig die Kreativität verloren geht. Und es ist ja nicht so, dass England international alles in Grund und Boden spielt. West Ham United ist in der Qualifikation zur Europa League am albanischen Vize-Meister gescheitert, Southampton an Midtjylland.

Aber wäre es nicht wünschenswert, wenn die Lücke weniger groß wäre?

Watzke: Die Lücke von 800 Millionen zu drei drei Milliarden Euro lässt sich mittelfristig nicht schließen. So lange BskyB und British Telecom zwölf Millionen Abonnenten haben und wir - bei höherer Einwohnerzahl vier, wird das nicht funktionieren. Die Engländer haben das große Glück, dass mehrere Sender die Übertragungsrechte haben wollen. In Deutschland gibt es bislang nur einen einzigen Nachfrager. Kurz: Es fehlt an Konkurrenz und an Abonnenten.

Und an Exklusivität. Kippt die Sportschau mittelfristig?

Watzke: Solange die Sportschau samstagabends läuft, wird es schwierig. Wir als BVB stehen für traditionelle Werte, die Sportschau wegzuschieben ist keine leichte Geschichte, weil die Fans daran hängen. Wir in Deutschland müssen uns im Klaren darüber sein, was wir wollen. Wir beklagen, dass die Engländer mehr Geld bekommen, sind aber auch nicht bereit, einen Wettbewerbsmarkt zu schaffen. Der Deutsche denkt da anders als der Engländer: Für Rente, Versicherung und Fernsehprogramm hat der Staat zu sorgen.

Was halten Sie von einer Zerstückelung des Spieltages?

Watzke: Da bin ich absolut dagegen. Ich bin gegen Montagsspiele als Regel! Ich habe nur gesagt: Die einzige Variante, die ich mir vorstellen kann für ein Montagsspiel, ist die, dass wir im Februar vier deutsche Klubs in der Europa League haben. Dann können maximal drei Teams am Sonntag spielen. Und ehe wir dann donnerstags aus Russland zurückkommen und am Samstag wieder spielen müssen, würde ich eher Montagsspiel akzeptieren.

Also spricht aus Ihnen eher der Traditionalist als der Kaufmann?

Watzke: Jeder, der am Markt lebt, der darf das Konsumentenverhalten nicht außer acht lassen. Was wollen die Fans? Man darf den Fans nicht ständig Dinge aufzwingen, die sie ablehnen. Die Anstoßzeiten, die wir haben, sind gut.