Iserlohn. Die abgelaufene Saison war eine überaus erfolgreiche für Basketball-Bundesligist Phoenix Hagen: Man zog ins Play-off-Viertelfinale ein und begeisterte mit spektakulärem Spielstil. Ob der Coup zu wiederholen ist, beantworten die Macher im Gespräch mit der Redaktion.

Sie sind die Macher der Überraschungsmannschaft der vergangenen Saison. Phoenix Hagen erstaunte die Basketball-Bundesliga mit seinem spektakulären Spielstil und dem Einzug ins Play-off-Viertelfinale. Am Donnerstag startet die neue Spielzeit, Phoenix tritt in Würzburg an. Kann der Außenseiter aus der Basketball-Stadt seinen Coup wiederholen? Aufsichtsratsvorsitzender Thomas Haensel, Geschäftsführer Oliver Herkelmann und Trainer Ingo Freyer liefern im Gespräch mit Torsten Berninghaus, Axel Gaiser, Rainer Hofeditz und Daniel Berg Antworten.

Auf welche Weise hat sich der Erfolg der vergangenen Saison für die neue Spielzeit bemerkbar gemacht?

Oliver Herkelmann: Wir haben neue Sponsoren gewonnen. Und die Nachfrage nach Dauerkarten ist deutlich gestiegen. Der tatsächliche Verkauf zwar nicht, weil wir an der gleichen Stelle wie im Vorjahr den Verkauf gestoppt haben, etwa bei 1600. Aber wir hatten sehr, sehr viele Anfragen. Wenn wir die alle erfüllt hätten, dann wäre die Halle jetzt schon voll mit Dauerkarteninhabern.

Verhindert die kleine, gut 3000 Zuschauer fassende Halle weiteres prägnantes Wachstum in Hagen?

Thomas Haensel: Das ist eine Frage, die uns permanent beschäftigt. Unsere Ressourcen sind endlich, das wissen wir. Wir sind der Stadt dankbar, dass wir im Rahmen des Konjunkturpaketes II diese Lösung hinbekommen haben. Natürlich hätten wir gerne einen Investor, der sagt: ,Was kostet die Welt? Ich schenke euch eine große Halle.’ Das wäre ein Traum.

Der ist nicht in Sicht.

Thomas Haensel: Wir haben eine Reihe von Hausaufgaben noch nicht so umfassend erledigt, dass wir im Rahmen unserer Markenentwicklung immer nur dem Prinzip schneller, größer, weiter folgen könnten. Das würde unseren Klub nicht nachhaltig für die Zukunft aufstellen.

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Das bedeutet kurzfristig?

Thomas Haensel: Wir haben folgendes besprochen und definiert: Wir möchten mit der vergangenen Saison als Ouvertüre in den kommenden drei Jahren die Durchlässigkeiten in unseren Jugendsystemen neu bearbeiten. Wie kommen die jungen Talente in die U16? Wie ist der Übergang zur U19? Wie ist der Cheftrainer eingebunden? Wir können uns keine teuren Spieler leisten. Deswegen wollen wir allen Jugendlichen in Hagen und Umgebung aufzeigen: Die größtmögliche Förderung im Sport bekommst du, wenn du Basketball bei Phoenix spielst.

Kaderschmiede statt Expansion?

Oliver Herkelmann: Wenn man so in die Jugend investiert, dann ist das auch eine Art von Expansion. Wo sind denn die guten deutschen jungen Spieler? Es sind nicht so viele da. Und ein paar von ihnen haben wir in unserer Mannschaft.

Also lagern die Pläne für eine größere Halle in einer Schublade ganz weit unten?

Thomas Haensel: Wenn wir uns jetzt hinstellen würden und sagen, dass alles erreicht ist, dass wir es geschafft haben, weil wir eine Halle haben, in der wir Bundesliga spielen können und die auch noch meistens voll ist, dann hätten wir den falschen Job. Natürlich müssen wir die Horizonte erweitern, aber wir dürfen die Bodenhaftung dabei nicht verlieren. Wir wachsen, wir werden stabiler, aber auf einer ganz anderen Ebene: Wir generieren hier in Hagen einen der vier, fünf leistungsstärksten Nachwuchsbereiche Deutschlands.

Wird Phoenix Hagen eines oder mehrere seiner Heimspiele in der wesentlich größeren Westfalenhalle in Dortmund austragen?

Thomas Haensel: Da kann ich nur sagen: Wehret den Anfängen. Für die Liga wären wir die Helden, wenn wir das häufiger machen würden. Das fänden die geil. In Hamburg läuft ein Basketball-Projekt, die Liga hat auch Köln auf der Liste. Und wir hätten mit Dortmund die nächste Metropole besetzt.

Sie möchten aber nicht?

Thomas Haensel: Wir wollen den Kontrapunkt in der Liga setzen gegenüber einer Entwicklung, die heißt: schönere, höhere, größere Gebäude. Wir aber möchten eine Wertigkeit im Sport.

Was meinen Sie genau?

Thomas Haensel: Es ist toll wenn unser erster Gegner Würzburg acht Amerikaner verpflichtet, aber das ist doch Quatsch für uns als deutsche Marke. Wir möchten gerne mit in Deutschland geborenen Jugendlichen diesen Sport entwickeln. Das ist eine Qualität, die die Liga wertschätzen muss. Da kann ein Klub in einer noch so schönen großen Halle in irgendeiner Medienmetropole spielen, er hilft dem Sport damit weniger, als wenn so werthaltig und nachhaltig Förderarbeit betrieben wird. Manchmal fragt man sich ja, ob Vereine wie Tübingen, Göttingen und Hagen überhaupt noch eine Daseinsberechtigung im Kontext des nationalen Events Bundesliga haben? Ich sage: Ja. Die brauchen uns, weil sie sonst das verlieren, um das es geht in diesem Spiel.

Aber zum Beispiel für ein Spiel gegen Bayern München könnte ein Ausweichen nach Dortmund doch sinnvoll sein, oder nicht?

Oliver Herkelmann: Das ist etwas, das wir kontrovers diskutieren. Aber das ist nicht so einfach. Die Halle kostet sehr viel Miete, es bedeutet einen sehr hohen Aufwand, die Halle für unsere Bedürfnisse umzubauen. Deshalb schrecken wir davor immer ein wenig zurück.

Wie viele Zuschauer müssten denn kommen, damit sich der finanzielle Aufwand lohnt?

Oliver Herkelmann: So ab 5000 oder 5500 beginnt es, sich zu lohnen.

Thomas Haensel: Wir haben mal gegen Bamberg ein Spiel in der Westfalenhalle ausgetragen. Da hatten wir 4712 Zuschauer. Die Tatsache, dass gleichzeitig die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ein wichtiges Spiel hatte, hat uns ebenso Zuschauer gekostet wie die, dass wir nicht in Hagen gespielt haben. Wir haben damit aber für uns getestet, ob wir die Marke ins Ruhrgebiet entwickeln können. Die Antwort lautet: Ja. Aber würde uns das hier in Hagen in der Strukturbildung helfen?

Würde es der Mannschaft helfen?

Ingo Freyer: Natürlich nicht. Wir haben hier einen ungeheuren Heimvorteil. Alle, die nach Hagen kommen, sagen: In Hagen spielen wir nicht gerne.

Was auch an dem zuletzt gepflegten aggressiven Hagener Stil liegt, der dem Gegner kaum Luft zum Atmen ließ. Besteht die Gefahr, dass sich die Gegner in diesem Jahr besser darauf einstellen?

Ingo Freyer: Es ist schwer, sich darauf einzustellen. Obwohl jetzt mehr Mannschaften dazu übergehen, etwas schneller zu spielen.

Thomas Haensel: Ingo ist da viel zu bescheiden. Ich bin der festen Überzeugung, dass er mit seiner Art modernen Basketball neu zu interpretieren, einen wichtigen Impuls in der Liga gesetzt hat. In der Vorbereitung haben wir gesehen, dass Mannschaften auf Bundesliga-Niveau genau das trainieren. Die Mannschaften wollen nicht nur darauf vorbereitet sein, manche versprechen sich davon sogar, eine bessere Rolle in Europa zu spielen.

Sie haben Phoenix einen neuen Slogan verpasst: „Wir sind das Feuer“. Es greift die Emotion auf, mit der Hagen spielt und die Hagen in seiner Halle entfacht. Ist der Spielstil auch Markenpflege?

Oliver Herkelmann: Wir haben etwas, wofür wir stehen. Es gibt genügend Teams in der Liga wie zum Beispiel Ludwigsburg, da weiß kaum jemand, wofür die stehen.

Ingo Freyer: Das Zusammenspiel zwischen Mannschaft und Fans - das passt bei uns. Wir wollen diesen Stil weiterentwickeln, es war ja nicht alles positiv. Wir werden also in der kommenden Saison nicht nur Halligalli spielen, sondern ab und zu auch etwas strukturierter.

Mit welcher Zielsetzung geht Phoenix in die Saison?

Ingo Freyer: Wir möchten die nächste Ära einleiten, indem wir über Jahre im gesicherten Mittelfeld spielen. Es wird immer Ausrutscher nach oben und nach unten geben. Aber die Zielsetzung bleibt gleich: eine Endplatzierung auf den Rängen zehn bis 14.

Klingt bescheiden.

Ingo Freyer: Das ist realistisch. Die Liga ist stärker geworden. Wir haben mit Davin White den Topscorer und mit Adam Hess den ersten Spieler in der Geschichte von Phoenix verloren, der als gestandener Bundesligaspieler von einem besseren Klub nach Hagen kam. Vielleicht waren wir auch deshalb so gut im vergangenen Jahr. Beide sind nicht eins zu eins zu ersetzen. Aber wir haben mit Henry Dugat und Nikita Khartchenkov Spieler mit einem ähnlichen Stil gefunden. Nun muss sich die Mannschaft entwickeln - so wie es das Team im vergangenen Jahr getan hat. Sie hat lange gebraucht, um da zu sein, wo sie ganz am Ende war.