Essen. Am Wochenende trifft sich das alte Basketball-Nationaltrainer Dirk Bauermann mit seinem Nachfolger am Rande des letzten BBL-Spiels der Bayern gegen Bremerhaven. Im Vorfeld der Übergabe spricht Bauermann im Interview mit DerWesten über Olympia und die großen sportpolitschen Probleme Deutschlands.

Herr Bauermann, am Samstag treffen Sie sich mit dem neuen Basketball-Bundestrainer Svetislav Pesic. Wie schätzen Sie die Perspektive des DBB ein?

Dirk Bauermann: Ich glaube, dass wir eine sehr gute Generation an jungen Spielern haben. Aber der Basketball in Europa ist unglaublich stark geworden. Die Franzosen zum Beispiel produzieren unglaubliches Talent – es wird nicht einfach, da mitzuhalten und das Niveau zu stabilisieren, auf dem die deutsche Nationalmannschaft in den letzten Jahren gespielt hat – immer unter den ersten fünf in Europa. Das ist eine schwere Aufgabe, insbesondere deshalb, weil mit Dirk Nowitzki und Chris Kaman zwei Leute wegbrechen, die einfach eine große Qualität haben. Ein großer Verlust.

Wenn die Franzosen so eine große Qualität produzieren, was machen unseren Nachbarn denn anders im Nachwuchsbereich?

Bauermann: Der große Unterschied liegt in der staatlichen Unterstützung. Wenn man beispielsweise nach Frankreich oder auch nach Spanien schaut, sieht man, mit welcher enormen Anzahl an Trainern im Jugendbereich auf einer regionalen Ebene arbeiten, die vom Staat bezahlt werden. Das ist unglaublich und letztlich der Schlüssel zum Erfolg. Du musst in der Breite bei den jungen Spielern eine hohe Anzahl gut ausgebildeter Trainer haben. In Frankreich gibt es auf Landesebene 150 Profitrainer. Bei uns in Deutschland sind das elf. Das lasse ich jetzt einfach mal so stehen.

Talentförderung ist also ein sportpolitisches Thema?

Bauermann: Die Unterstützung der Regierung des Staates und des Landes ist bei unseren Nachbarländern eine ganz andere. In Frankreich gibt es beispielsweise ein staatlich gefördertes Internat, in das die talentiertesten Jungs ab einem Alter von 15 oder 16 Jahren zusammengezogen werden. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Das hat viel mit Politik zu tun.

Wo soll die Politik den Hebel ansetzen?

Bauermann: Für den Leistungssport musst du mittlerweile im Alter von 15, 16 Jahren anfangen, professionell zu fördern, sonst kommst du nicht in der europäischen Spitze an. Wir haben noch keine wirklich gut funktionierenden Konzepte, um leistungssportliche und schulische Ausbildung sinnvoll zu koordinieren. Früher war man mit der Schule um eins fertig und konnte nach dem Essen und den Hausaufgaben um halb vier zum Training gehen. Heute sind die Kinder bis vier in der Schule. Wenn man das nicht viel besser verzahnt und strukturiert, dann darf man sich nicht wundern, dass das in Zukunft häufiger passieren wird, dass Deutschland keine Basketball-, Volleyball oder Handball-Mannschaft bei den Olympischen Spielen stellen kann.

Pesic’ Aufgabe wird sein, nicht nur Nachwuchsarbeit zu koordinieren, sondern auch mal beim Bundessportminister Dr. Hans-Peter Friedrich anzuklopfen.

Bauermann: Die Weichen muss ganz klar die Sportpolitik stellen, denn auch die Ehrenamtlichkeit wird immer problematischer. Als ich studierte habe, habe ich gleichzeitig gespielt und dazu noch eine Jugendmannschaft betreut. Ich habe mir erlaubt, sechs Jahre zu studieren; aber das kann sich heutzutage kein Student mehr leisten, weil alles so verschult ist. Der Jugend fehlt einfach die Zeit. Die Vereine tun sich finanziell extrem schwer ohne das Ehrenamt und dann muss einfach die Politik eingreifen. Die Politik kann nicht immer nur streichen, sondern muss Konzepte vorlegen und diese auch finanzieren, sonst werden wir uns schwer tun – gerade in den Ballsportarten, wo nicht ein oder zwei Sportler im Fokus stehen, sondern wo du zwölf und mehr Spieler und eine Dichte, Breite und Tiefe brauchst, um international mitzuhalten.

Bei Olympia wird sich Deutschland international in den Ballsportarten nicht messen können.

Bauermann: Ich finde, dass das noch überhaupt nicht genügend thematisiert ist. Wie kann es denn sein, dass ein Volk mit 90 Millionen Menschen auf Spieler und Trainer schimpft, das ist doch alles albern. Wenn die Volleyballer es nicht schaffen, die Basketballer nicht schaffen und die Handballer nicht schaffen, sich für die Spiele in London zu qualifizieren, und allen dreien Europa davon rennt – und das als größtes Land der EU -, dann liegt die Wurzel des Übels doch viel tiefer als beim Kapitän der Handballer oder beim Aufbauspieler der Basketballer oder bei den Trainern. Da muss man doch mal tiefer schauen und dann ist es zwingend notwendig, dass wir die sportpolitischen Weichen neu stellen.