Vilnius. . Die besten europäischen Basketballer finden in ihren Nationalteams Erholung von der harten Welt der US-Profiliga. Aber alle haben ein Ziel vor Augen: “Alle Sportler der Welt wollen zu den Olympischen Spielen.“

Die skurrilste Begrüßung aller NBA-Stars bei der Europameisterschaft in Litauen hat wohl Dirk Nowitzki gewählt. Im Handstand ging der Star ins Mannschaftshotel, rollte mit einem Purzelbaum ab und sagte - nun wieder im sicheren, aufrechten Gang: Hallo, ich bin Nowitzki.

So erzählt zumindest Robin Benzing - mit einem schelmischen Grinsen - die Geschichte der ersten Zusammenkunft mit dem NBA-Champion in Bamberg vor drei Wochen. Das war ziemlich sicher geschwindelt, doch die Anekdote sagt viel darüber aus, dass die jungen Spieler wie Benzing keine übertriebene Scheu vor ihrem Helden haben. Einem Mann immerhin, den sie bisher nur aus dem Fernsehen kannten, und den manche früher in ihrem Kinderzimmer als Poster an der Wand hängen hatten. "Ich fühle mich sehr wohl hier mit den Jungs und habe viel Spaß mit ihnen", wiederholt der 33 Jahre alte Würzburger Nowitzki bei jeder Gelegenheit.

So wie dem Flügelspieler der Dallas Mavericks in der deutschen Mannschaft geht es vielen Athleten bei der EM in Litauen. Fast zwei Dutzend NBA-Spieler streifen sich das Trikot ihres Landes über. Für sie ist es die willkommene Abwechslung von einer Welt, die Bundestrainer Dirk Bauermann als äußerst hart beschreibt. "Es geht in den USA in erster Linie um sehr viel Geld", sagt er, "jeder ist seine eigene Ich-AG."

Gegenentwurf zur amerikanischen Wirklichkeit

Das Leben in der Nationalmannschaft ist so etwas wie der Gegenentwurf zur amerikanischen Wirklichkeit in der US-Basketballliga, in der Spieler gerne ihre dicken Autos und dünnen Freundinnen vorzeigen. In Litauen herrschte in der Vorrunde nicht nur im deutschen Team so etwas wie Jugendherbergs-Atmosphäre. Das Hotel in Siauliai im Norden Litauens lag an einer Tankstelle im Niemandsland. Die Zimmer waren klein und eng, sodass Nowitzki und auch sein NBA-Kollege Chris Kaman wie selbstverständlich auf dem Flur an Gemeinschaftsspielen wie "Activity" mitwirkten.

Auch Frankreichs Nationalspieler Tony Parker, dreimaliger Champion mit den San Antonio Spurs, genoss es, weitgehend unerkannt durch die Kleinstadt schlendern zu können. "Im Nationalteam fühle ich mich wohl, weil die meisten von uns schon als Jugendliche zusammengespielt haben", sagt der Spielmacher. Der 29-Jährige bezeichnet das Turnier als die "schwerste EM, die es je gab." Dass so viele NBA-Spieler in diesem Jahr den Weg nach Litauen nicht scheuten, hat einen einfachen Grund. Es ist der Traum von der Teilnahme an Olympia. "Ich war noch nie dort, und will deshalb unbedingt in London dabei sein", sagt Parker.

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Dirk Nowitzki kennt das Gefühl, als einer unter vielen Sportlern in das Olympiastadion einlaufen zu dürfen. "Diese Atmosphäre werde ich mein Leben lang nicht vergessen", sagt er. In Peking vor drei Jahren wurde ihm sogar die besondere Ehre zuteil, die deutsche Fahne bei der Eröffnungsfeier tragen zu dürfen.

Nowitzki drückt im Bus die Hupe

"Nicht nur wir NBA-Spieler wollen zu den Olympischen Spielen", sagt Parkers Mannschaftskollege Boris Diaw von den Charlotte Bobcats. "Alle Sportler der Welt wollen zu den Olympischen Spielen." Dass manche für die olympische Idee - "dabei sein ist alles" - sogar verletzt anreisen, zeigt die Anwesenheit von Ronny Turiaf. Der französische Flügelspieler der New York Knicks plagt sich mit einer gebrochenen Hand herum und hat sich dennoch die EM nicht entgehen lassen. Er wollte unbedingt Teil der Mannschaft sein. Also sitzt Turiaf während der Partien auf der Bank.

Pau Gasol von den Los Angeles Lakers führte noch ein anderes Motiv nach Litauen. Sein Bruder Marc nämlich. Der 31 Jahre alte Center liebt nichts mehr, mit seinem fünf Jahre jüngeren Bruder in einer Mannschaft zu stehen. Gemeinsam holten sie nicht nur den WM-Titel 2006, sondern gewannen zwei Jahre später in Peking auch Silber für Spanien.

Um sich die zweite Teilnahme an Olympia zu sichern, hat Nowitzki ein besonders Ritual im deutschen Mannschaftsbus eingeführt. Er drückt, bevor der Bus anrollt, kräftig die Hupe. Vielleicht verhilft das Signal der deutschen Mannschaft noch zu den beiden benötigten Siegen fürs Viertelfinale. (dapd)