Essen. In den USA wollen Basketball, Football und Eishockey den Liga-Betrieb aufnehmen – in Disney World. Es gibt Kritik aufgrund der Corona-Krise.
Irgendwann weichen die Helden der Kindheit den Vorbildern der Jugend. Man wird zu alt für Bilder von Micky Maus und tapeziert das Zimmer lieber mit Postern von LeBron James. Der derzeit beste Basketballer der Welt ist in Sachen Popularität auch gar nicht mehr so weit entfernt von der Comicmaus aus dem Hause Disney, und bald werden beide endgültig miteinander verbunden sein. Die nordamerikanische Basketball-Liga NBA will in Disney World bei Orlando, Florida, ihre seit März unterbrochene Saison vom 29. Juli bis Mitte Oktober zu Ende spielen, erste Tests haben stattgefunden. Doch das Coronavirus breitet sich in den USA rapide aus. Florida ist eines der Zentren der Pandemie, es liegt ein Schatten über dem Sonnenschein-Staat und dem Wiederbeginn der Liga.
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Über 5300 coronabedingte Todesfälle gab es in Florida, mehr als 370.000 Infizierte, in den jüngsten fünf Tagen kamen im Schnitt rund 10.000 Neu-Infektionen pro Tag hinzu, am 11. Juli wurden gar 15.200 Fälle registriert – ein Rekordwert, der sogar den Höchstwert aus New York vom Zeitpunkt des Virus-Ausbruchs überstieg. Charles Barkley (57), Mitglied des legendären Olympia-„Dream-Teams“ von ‘92 und heute geschätzter TV-Experte, sprach sogar vom „schlimmsten Ort der Welt“. Und fügte warnend hinzu: „Und wir bringen 22 NBA-Teams in diesen Hotspot. Ich denke, wir haben keine Chance, diese Saison zu Ende zu bringen.“
Zwei Fußball-Teams fehlen
Doch genau das hat die NBA vor. Und die Profi-Basketballer sind mit diesem Vorhaben nicht alleine. Die Fußballliga MLS spielt ihren Meister derzeit ebenfalls in Disney World aus. Mitspielen können allerdings nicht alle Teams, der FC Dallas und der Nashville SC wurden aufgrund mehrerer Corona-Infizierungen ausgeschlossen. Auch die Baseball-, Football- und Eishockey-Profis kämpfen um Fortsetzung oder Start ihrer Ligen. Es geht um TV-Gelder und Marketing-Erlöse. Im US-Sport sind die Geldströme noch um ein Vielfaches größer als hierzulande, zudem ist der Profisport in den USA Teil des Alltags. Der Neustart soll auch ein Symbol für die Rückkehr zur Normalität sein, die die Amerikaner derzeit so sehr herbeisehnen.
Die Major League Baseball (MLB) ist am Donnerstag gestartet – entgegen aller Sorgen in den vergangenen Wochen. Wie das Magazin Sports Illustrated berichtete, sei nur ein Labor im Bundesstaat Utah für die Coronatests zuständig – und der erste Eindruck sei ernüchternd gewesen. Ergebnisse kämen viel zu spät, Tests gingen verloren, manche Teams würden einfach vergessen. Die Spieler seien erbost.
Football-Liga NFL startet Trainingscamps
Der Start der Football-Liga NFL ist für Mitte September angesetzt, doch die Trainingscamps starten bald. Mehrere Footballstars haben sich bei Twitter zu Wort gemeldet und die Liga wegen Sicherheitsbedenken zum Handeln aufgefordert. „Ich mache mir Sorgen. Meine Frau ist schwanger. Das Trainingscamp beginnt bald. Und es gibt noch immer keinen klaren Plan für die Sicherheit der Spieler und Familien“, schrieb etwa Quarterback Russell Wilson von den Seattle Seahawks.
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Am 28. Juli starten auch die Teams der Eishockeyliga NHL in erste Vorbereitungsspiele, bevor es dann am 1. August mit den erweiterten Play-offs in die Schlussphase der unterbrochenen Saison geht. Die NHL hat sich dafür allerdings komplett aus den USA verabschiedet und spielt in den kanadischen Städten Toronto und Edmonton – sportliche Heimat des Kölner Nationalspielers Leon Draisaitl.
James denkt nur an den Titel
Der US-Sport schafft sich derzeit eine Parallelwelt aus ständigen Corona-Tests und Isolation. Nichts ist normal, auch nicht in Disney World, das mit seinen Sicherheits- und Hygienestandards eher an ein Hochsicherheitsgefängnis als an einen Vergnügungspark erinnert. Allein der logistische und planerische Aufwand für das NBA-Turnier ist gigantisch und übersteigt die Dimensionen des Finalturniers der Bundesliga-Basketballer in München im Juni um ein Vielfaches.
Und doch soll am Ende der Sport für sich stehen. „Ich bin hier aus nur einem Grund: Ich will den Titel gewinnen“, ließ LeBron James bei seiner Ankunft mit den Los Angeles Lakers in Orlando verlauten. Denn ja: Mit seinen 35 Jahren wäre James dann nicht nur der erste Superstar, der in seiner Karriere Titel mit drei verschiedenen Klubs geholt hätte. Die „Corona-Meisterschaft“ würde in den USA ohnehin als historische gesehen. Die Fortsetzung der Liga nach vier Monaten Pause gipfelt in einem wohl einzigartigen Titel. Nie zuvor hat es Ähnliches gegeben. Es wäre ein besonderer Punkt im Lebenslauf. James wäre endgültige aufgenommen als einer der Allergrößten in der NBA-Geschichte.
Spieler verstoßen gegen Auflagen
Die bisherige Geschichte der Liga-Weiterführung ist allerdings keine rühmliche. Mehrere Spieler wurden bereits positiv auf Corona getestet, Verstöße von Spielern gegen die Isolations-Auflagen in der sogenannten Bubble, der Blase, wie die Aufenthaltszone in Disney World genannt wird, sind bekannt, in den Sozialen Netzwerken berichten Groupies von ihren eigentlich verbotenen Besuchen in den Spielerhotels.
Dabei wird alles getan, um den Profis den Aufenthalt so erträglich wie möglich zu machen: Es gibt einen Golfplatz, einen See zum Angeln, Räume mit Videospielautomaten. Die Fläche von Disney World entspricht der von Gelsenkirchen, 900.000 Quadratmeter misst alleine der große Sport-Komplex mit Fußball-, Baseballfeldern und mehreren Sporthallen, in dem die NBA-Profis residieren. Ihn steril zu halten inmitten der Corona-Pandemie ist ein weitaus größeres Unterfangen als die Titeljagd von LeBron James und den Lakers. Und doch ist es Voraussetzung für das anstehende Turnier der weltbesten Basketballer, damit die NBA die Saison beenden kann. Gemäß dem Motto der Disney-Parks: „Der Ort, an dem Träume wahr werden.“